Ein DIY-Schmankerl der Extraklasse gibt’s in Form dieser schönen Split 7inch, von der absolut jedes Exemplar ein Unikat ist. Als Cover dient das Textblatt und ein liebevoll per Hand abgerissenes und gefaltetes schwarzes Blatt, das muss man erstmal so gekonnt abreißen, dass eine halbwegs saubere Kante entsteht. Die 7inch selbst und die weiße Plattenhülle sind per Hand gestempelt, das schicke Ding läuft auf 45 RPM und die zwei Seiten sind jeweils mit dem Anfangsbuchstaben der zwei Split-Partner versehen, es gibt also weder eine A- noch eine B-Seite. Und am Release ist neben time as a color eine ganze Latte an DIY-Labels beteiligt, hier die Liste: Rufen Publishing, Magic Hour, Softseed Music, strictly no capital letters, Polar Summer und Salto Mortale Music. Auf dem Textblatt können alle Texte nachgelesen werden, zudem gibt es noch Infos zu Aufnahme und Produktion. Wer sich gern ein Video zur Bastelei des Kunstwerks ansehen möchte, kann das hier tun! Da steckt wirklich viel Arbeit und Herz drin! Ach ja, und ein Downloadcode-Kärtchen purzelt auch noch aus der 7inch-Verpackung heraus!
Insgesamt gibt es vier Songs zu hören, alle Beteiligten steuern jeweils zwei Songs bei. Und die erste fette Überraschung gibt es von der australischen Band No Action, die mir unerklärlicherweise bisher komplett durch die Lappen gegangen ist. Dabei hat das Quartett bereits einige tolle Veröffentlichungen in petto und erobert direkt beim ersten Durchlauf mein Herz! Die zwei Songs haben so viel Kraft und Melancholie in sich und dürften allen 90’s-Midwest-Emocore- und Indierock-Fans ein zufriedenes und breites Lächeln ins Gesicht zaubern. Die Gitarren rotieren wild schrammelnd, während der Bass eigenwillige Knödeltöne fabriziert, flottes Drumming und dazu der Gesang, der sehnsuchtsvoll und eindringlich wirkt. Schön treibend und etwas lauter als Amid The Old Wounds sind die Jungs von No Action unterwegs, dennoch mit einer satten Portion Melancholie. Auch der zweite Song Monument To Taste hat diese dissonanten und gefühlvoll gezockten Gitarren und diesen warm klingenden Bass, hier ist aber mehr Ruhe drin und eigentlich ist man schon ein bisschen traurig, dass die Songs so schnell schon wieder vorbei sind. Fans von Bands wie Boys Life, Mineral, Moss Icon, The Ivory Coast, The Hated, Couch Potatoes oder der ersten Appleseed Cast-Sachen sollten das hier unbedingt anchecken.
Amid The Old Wounds aka Daniel Becker hat ebenfalls zwei Songs am Start, die genauso intensiv klingen, wie man es von ihm und seinen bisherigen Veröffentlichungen gewohnt ist. Jede Menge Melancholie und Schwermütigkeit ist da wieder mit an Bord. Der Song Hypothetically Speaking II eröffnet die Amid The Old Wounds-Seite mit einer gefühlvoll gespielten Gitarre, die erstmal bis fast zur Hälfte des Songs ohne Gesang auskommt, bis dann endlich die warme und zerbrechliche Stimme von Daniel dem Song zusätzlich emotionsgeladene Stimmung einhaucht. Übrigens gibt es diesen Song auf keiner Internet-Plattform als Stream zu hören, was ja im heutigen, extrem klimafeindlichen Streamingzeitalter ein schönes Statement darstellt. Beim zweiten Stück The Unvited gefällt dann das Spiel und das Experimentieren mit mehrstimmigem Gesang und unterschiedlichen Tonlagen, das verleiht dem Song nochmals eine ganz andere, fast hymnische Stimmung und hat schon einen gewissen Ohrwurmcharakter. Ein großartiger Emo-Song! Schade nur, dass beide Seiten so schnell wieder vorbei sind! Sehr schönes Release!
9/10
Bandcamp / time as a color