Reveries – „Middle Hideout“ (Hithome)

Gleich vorneweg, um die Verwechslungsgefahr aus dem Weg zu räumen: bei dieser Band Reveries handelt es sich nicht um die Emo-Hardcore-Band aus Boston, sondern um ein Quintett aus Köln, das musikalisch irgendwo im Indierock zu verorten ist. Die Band gründete sich im Jahr 2017 aus einem Singer-Songwriter-Projekt des Leadsängers Max Altmeyer heraus, bisher wurden eine Handvoll Singles und EPs veröffentlicht. Middle Hideout stellt also nun das Debutalbum der Band dar. Und so wie es aussieht, ist die Band voller DIY-Tatendrang, denn auf dem Debutalbum wurde vieles selbstgemacht. So wurden die elf Songs selbst aufgenommen und produziert. Die 12inch sieht mit dem geheimnisvollen Coverartwork schon mal toll aus, hier bekommt man später noch genügend Zeit zu rätseln, was die verschwommene Aufnahme darstellen könnte. Ein bisschen schade ist, dass die Innenhülle nur mit den Infos zum Release bedruckt ist und die Texte leider fehlen. Dafür kann das durchsichtige Vinyl punkten.

Und dann ist da ja auch noch die fabelhafte Musik der Kölner. Der Funke sprang bei mir sofort bei den ersten Klängen über und der äußerst warme Sound hat nach etlichen Hörrunden sogar noch an Eindruck gewonnen. Reveries sind im verträumten Indie-Sound der Nuller zuhause, ganz viel Melancholie ist hier mit an Bord, natürlich kommen auch Pop-Elemente und Emo-Rock zum Einsatz. Die Jungs haben sicher Platten von Bands wie Stars, Death Cab For Cutie, Velveteen, Broken Social Scene oder Eeels im Schrank stehen, denn in diese Richtung geht es musikalisch. Gerade der Opener erinnert mit seinem male/female Gesang stark an Stars. Die A-Seite huscht jedenfalls so schnell vorbei, dass man ganz erschrocken aus der von Songs wie beispielsweise Calm Fields, Feel Back oder Same Talks inspirierten Träumerei erwacht, sobald die Nadel in der Auslaufrille verweilt. Auch auf der B-Seite wird es zu keiner Zeit langweilig. Das Songwriting ist schön ausgetüftelt, hier und da kommen zusätzliche Instrumente wie Saxophon, Synthies, elektronische Spielereien oder Orgeln zum Einsatz. Highlights der B-Seite sind für mich die Songs Moments, Routine und Balance.

Und auch textlich hat die Band tiefgründiges zu erzählen. Der Albumtitel ist als Versteck zu verstehen, in das man sich verkriecht, wenn man sich voller Selbstzweifel unsicher über den weiteren persönlichen Werdegang im Leben ist. Weitere Inhalte sind mentale Gesundheit, die Fallen in der täglichen Routine oder Versagensängste. Also durchaus Food For Thought!
Eigentlich sollte das Album als Ganzes am Stück über gute Kopfhörer gehört werden, dann gelingt das Eintauchen in die Welt von Reveries umso besser! Natürlich funktioniert die Platte auch als Begleitung für ein ausgiebiges Sonntagsfrühstück. Ich hab jedenfalls mit Middle Hideout die perfekte Platte gefunden, um eine halbe Stunde am Stück runterzukommen und zu entspannen!

8/10

Facebook / Spotify / Hithome


ProvinzPostille #9 + Tape – Herbst 2022

Schon geil, da kommt pünktlich zu Weihnachten ein liebevoll geschnürtes Paket aus Baden-Baden ins Haus geflattert. Neben der neulich besprochenen pADDELNoHNEkANU-7inch ist auch die neue ProvinzPostille mitsamt Tape-Compilation am Start! Geil, oder? Das im liebevollen DIY-Stil gefertigte DIN A5-Zine erinnert mich an die gute alte Zeit, als man die Dinger entweder jemandem aus dem Bauchladen auf ’nem Konzert für ein paar Mark abkaufte oder gar ein bisschen abgefahrener per Brief mit beigelegten Briefmarken bestellte. Ja, das war lange Zeit vor dem Internet. Und irgendwie machen mich solche Formate auch heute noch glücklich, auch wenn man sich durch wenige Klicks im World Wide Web den absoluten Durchblick schaffen kann. Drauf geschissen, denn manche Inhalte lesen sich einfach analog besser. So auch hier, dazu kann man auch noch puzzeln, wenn mal die eine Seite zu Ende ist und die nächste vom Sinn her einfach nicht dazu passen will. Yeah, DIY forever!

Der Umschlag ist diesmal auch wieder besiebdruckt und fühlt sich schön kratzig an, die Seiten sind wie immer kopiert und alles ist zusammengetackert. Zwischendrin sind ein paar Hochglanz-Farbdruckseiten mit Live-Bildern zu sehen. Nettes Gimmick, aber eigentlich nicht unbedingt nötig. Dennoch sehr sympathisch, da die ProvinzPostille an vielen Stellen dieses Ego-Zine-Feeling vermittelt und halt einfach gemacht wird, was selbst gefällt. Inhaltlich gibt es natürlich wieder viele persönlichen Gedanken zu lesen, Tagebuchstyle yeah! Bei den Interviews stürzte ich mich zuerst auf Black Square, da deren Album Blumen am Abgrund ganz pfiffig war, außerdem war es auch gleich das erste Interview im Zine. Mein Highlight war aber dann das Interview mit Krause Glucke Weltverschwörung, die eigentlich ganz in der Nähe von mir (Konstanz) beheimatet sind und ich die Band bisher nur vom Namen her kannte (haben mal mit den Ravensburgern alter egon gezockt). War zwar neugierig, wie die Band wohl klingen mag, hab dann aber erst später nach der Lektüre das Quartett auf Tape-Compilation für noch interessanter befunden. Und ja, hüstel…dank Bandcamp hab ich jetzt alle dort verfügbaren Veröffentlichungen auf der Festplatte und falls ich mich jemals wieder auf Konzerte traue, ist es nicht unwahrscheinlich, dass ich da mal vorbei schaue. Jedenfalls macht das Lesen umso mehr Laune, wenn man regionalen Bezug zur Band hat. War zwar schon seit Ewigkeiten nicht mehr in Konstanz (die Fähre über den Bodensee ist nicht gerade billig!), aber der legendäre alte Horst Klub in Kreuzlingen ist ebenso präsent wie das Contrast in Konstanz oder die alte und leider nicht mehr existente Remise in Wil in der Schweiz. Ach ja, das Slime-Interview klingt ganz sympathisch, hab die neuen Slime aber bisher immer noch nicht angecheckt. Aber mach ich schon noch. Ach ja, weitere interessante Interviews gibts mit der Band Zero Zeros und Syndrome 81, dazu sind noch diverse Gastbeiträge dabei.

Und dann ist da ja noch die 36 Songs starke Compilation, bei der ich ohne zu gucken die Band Syndrome 81 herausgehört habe, ohne deren Sound zu kennen, also allein aufgrund des Interviews. Jedenfalls gibt das Tape einen guten Überblick über die Subkultur-Szene, freue mich natürlich über alte Kumpels wie Hell & Back oder Zeugs wie El Mariachi, aber die eigentlichen Helden sind die mir absolut unbekannten Rumpel-Bands oder gar HipHop-Sounds wie z.B. Lena Stoehrfaktor. Sehr abwechslungsreich! Bestellt euch das Ding, da steckt viel Arbeit und DIY-Spirit drin!

ProvinzPostille / Bandcamp


Bandsalat: Ernte 77, Franz Fuexe, Freedumb, Hot Mass, Pembe, Team Tyson

Ernte 77 – „Das rote Album“ (Rookie Records) [Stream]
Deutschpunk ist ja jetzt mittlerweile nicht mehr so mein Thema, aber das vierte Album der Kölner Band Ernte 77 macht mir ganz schön viel Freude. Das liegt am melodischen Vibe, der sich durch die vierzehn Songs zieht und sehr an die 90’s-Cali-Punk-Zeit erinnert, dazu wissen die humorvollen und auch sozialkritischen Lyrics zu gefallen. Gerade der Humor scheint ein ständiger Begleiter des Trios zu sein, wie man bereits am Albumtitel und Artwork sehen kann, vorausgesetzt man hat keine rot-grün-Schwäche! Aber Vorsicht, das Label Fun-Punk ist hier unangebracht, dazu sind die Texte viel zu intelligent. Übrigens kann man diese im liebevoll gestalteten DIY-Textheftchen nachlesen, da stöbert es sich doch gerne! Dazu schleichen sich immer wieder nette Zitate aus der popkulturellen Geschichte zwischen die Zeilen. Musikalisch ist die Abwechslung zu begrüßen, denn auch wenn die Hooklines so catchy in die Hörgänge kriechen, freut man sich an den Referenzen zum Indie-Rock, Garage-Punk, NDW, Elektro und Alternative. Ich find’s irgendwie geil!


Franz Fuexe – „Selftitled“ (Honigdachs) [Stream]
Ach Du Scheiße, wir müssen reden! Und zwar über die Band Franz Fuexe, die mir aufgrund einer Besprechungsanfrage direkt ins Auge/Ohr gestochen ist! Wahnsinn, warum gibt’s Algorhythmen, wenn mir das hier nicht schon zuvor automatisch vorgeschlagen wurde? Franz Fuexe kommen irgendwie aus Österreich, genauer gesagt aus Wien. Wer jetzt Cafe-Haus-Chill-Out erwartet und völlig ausgehungert von ’ner Melange träumt, kann direkt kacken gehen (groß und richtig heftig). Und bitte richtig derb und ohne danach das Fenster zu öffnen! Denn die Band orientiert sich an Hardcoreknüppelsounds aus den frühen Achtzigern bis hin in die Neunziger, scheut aber auch den Kontakt zur modernen Zeit und ihren vielfältigen Möglichkeiten nicht. Habt ihr’s in der Nase, diesen Geruch von altem und verschimmeltem Proberaumteppich? Ich schon! Und dann ist da noch Dank der mundartlichen Lyrics dieser spezielle Özi-Humor, den ich so sehr liebe! Kottan ermittelt, der Aufschneider, Der Knochenmann, Ein Haus am Wörthersee, (fast) alles so gut [finde den Fehler]! Aber wieder zur Mucke! Kennt ihr noch Discharge, die Dead Kennedys oder Anthrax? Stellt euch die mal mit österreichischen Mundarttexten vor, Wiener Schmäh inklusive! Geil, oder? Aber hallo! Müsst ihr euch echt mal reinwürgen!


Freedumb – „Social Hangover“ (Fucking North Pole Records) [Stream]
Die norwegische Hardcore-Punk-Band Freedumb treibt auch schon seit 2003 ihr Unwesen, nach diversen Line-Up-Wechseln und dem Tod des Drummers im Aufnahmeprozess zum Album Post-Modern Dark Age war erstmal eine Auszeit angesagt. Noch vor Ausbruch der Covid-Pandemie suchte die Band einen neuen Drummer und nahm den Aufnahmeprozess wieder auf, so dass das Album Post-Modern Dark Age erscheinen konnte. Mit Social Hangover ist jetzt das vierte Album erschienen. Zu hören sind zehn oldschoolig angehauchte Hardcore-Punk-Granaten, die neben melodiösem Punkrock auch eine emotionale Kante aufweisen.


Hot Mass – „Happy, Smiling And Living The Dream“ (This Charming Man u.a.) [Stream]
Der Band aus Swansea/UK ist mit ihrem zweiten Album ein richtig fluffiges Ding gelungen. Schön gitarrenlastig ist der erste Eindruck, die Mischung aus Emo, Grunge, Indie und Punk erinnert mich das ein und andere Mal an die großartigen Brand New Unit, neuere Bands wie The Copyrights oder Iron Chick kommen auch in den Sinn. Ich mag die melodische Art und die stimmigen Songarrangements, die melancholischen Untertöne sind ebenfalls klasse. Ein richtig gutes Album, zwölf Songs für die Ewigkeit!


Pembe – „Hepimizin Evi“ (Dingleberry Records u.a.) [Stream]
In der DIY-Hardcore/Screamo-Szene der Türkei gibt es auch immer wieder cooles Zeug zu entdecken, aktuell hat die bereits in einer älteren Bandsalat-Runde vorgestellte Istanbuler Band Pembe ihr zweites Album am Start. Und bereits an der Mitwirkung der zahlreichen Labels merkt man, dass das hier eine Herzensangelegenheit ist. Die Labels Dingleberry Records, Kolo Records, Nasty Cut Records, Mevzu Records, Entes Anomicos, New Knee Records, Khya Records, Salto Mortale Music, Seitan’s Hell Bike Punks, Fresh Outbreak Records, Abraxas Distro, Friendly Otter DIY, Nothing to Harvest Records und Callous Records sind am Release beteiligt. Musikalisch präsentiert das Quartett ein Gefühlschaos aus 90’s Emocore und impulsivem Screamo, die Lyrics werden in türkischer Sprache und äußerst leidend präsentiert. Cool auch, dass neben den gängigen Instrumenten auch vereinzelt Streicher zu hören sind. Zum Reinfinden würd ich mal den Song Gözlerim Kısık vorschlagen!


Team Tyson – „Soll das jetzt alles sein?“ (Rookie Records) [Stream]
Auf dem vierten Album der Berliner Band Team Tyson gibt es schön schrammeligen und nach vorne gehenden Deutschpunk zu hören, der auf der Gitarrenseite von älterem US-Hardcore á la Circle Jerks oder Off! inspiriert ist. Das tritt dann ordentlich Arsch, so dass die Jungs ihre dreizehn Songs in zwanzig Minuten runterrasseln und dabei auch noch Zeit für die ein oder andere melodische Hook bleibt. Läuft mir gut rein, zumal die Spielfreude nicht zu überhören ist und auch die sozialkritischen Texte alles andere als platt sind. Und wenn man dann denkt, schneller kann’s nicht werden, zaubern die Jungs ganz zum Schluss noch ’nen kurzen D-Beat-Hammer aus dem Ärmel! Sorgt live sicher für schwitzige Pogo-Attacken!


Cages – „Second Thoughts“ (Through Love u.a.)

Es gibt eine kleine Vorgeschichte zu diesem tollen Release…Es war noch zu Borderline Fuckup-Zeiten, als ich die Releases der aus dem Stuttgarter Großraum stammenden Band We Had A Deal gebührend abfeierte. Über die Jahre hinweg und auch schon teils auf Crossed Letters verfolgte ich die Bandmitglieder und deren neue Bandaktivitäten, Reznik Syndrom, Rêche, Mahlström und zuletzt Schönleben. Leider versäumte ich es, mir die via Through Love Rec. erschienene 12inch der Band Schönleben zu besorgen, bevor sie vergriffen war. Zum Trost erhielt ich damals, es war Ende 2020, bereits einen ersten Vorgeschmack in Form eines Songs auf die aus Mitgliedern der eben erwähnten Bands neu gegründete Band Cages. Der Song Every Dog Has Its Day hat mich damals wie heute direkt weggeblasen, so dass ich natürlich extrem gespannt auf die bald für das Jahr 2021 angekündigte Debut-EP der neu gegründeten Band Cages war. Naja, dann hat Covid19 doch noch mal dafür gesorgt, dass das Release erst Ende 2022 das Licht der Welt erblickte.

Und wow, das Warten war natürlich total doof, aber letztendlich macht sich sicher niemand mehr einen Kopf drüber, wenn die Nadel aufgesetzt hat und dieses Gewitter an Emotionen und Intensität losbrettert. Und dann ist da ja auch noch der optische Aspekt: die einseitig bespielte 12inch mit dem Siebdruck auf der B-Seite sieht so unglaublich schön aus! Die 12inch kommt mit einem siebbedruckten Cover, das Betasten und Drüberstreicheln macht echt mal gute Laune! Irgendwie denke ich beim Betrachten des Covers und des Vinyls an weißes Rauschen, Stuttgarter Innenhöfe kommen mir auch in den Sinn. Oh wie oft musste ich in solchen Innenhöfen unbedingt und absolut ohne Ausweg meine Notdurft verrichten! Lange her ist das, deshalb lieber mal Themawechsel: es gibt auch noch ein handliches DIN-A5-Textblatt, logischerweise ein bisschen kleingeraten und blöd für brillentragende Menschen. Aber wir wissen uns ja zu helfen!

Wie die Musik klingt, könnt ihr euch ja eigentlich selbst anhören. Trotzdem schildere ich mal mein Empfinden! Ich bin total glücklich mit dem Sound der Band. 90’s Emocore kann kaum besser klingen! Die Gitarren umwickeln Dich, obwohl sie gegen den Strich des Katzenfells streicheln. Dann gibt’s diese kraftvoll geknüppelten Drums, den verzweifelt und leidenschaftlich gebrüllten Gesang, der alle Emotionen umfasst. Wahnsinnig intensiv! Hier bin ich zuhause! Hier will ich immer sein! Oh ja, dann erfährst Du dieses wahnsinnig tolle Gitarrengedöns bei Someone Who’s Working Really Hard On Being Someone, und man wünscht sich direkt in den Proberaum der Band, um ein bisschen beim Falten der EP-Cover mitzuhelfen! Das gute Stück ist in Zusammenarbeit der DIY-Labels Through Love Rec., Middle-Man Records, Shove Records und Long Legs Long Arms erschienen.

9/10

Facebook / Bandcamp / Through Love Rec.


No Shelter. – „Erasing Life“ (Santa Diabla u.a.)

Schön schwer in der Hand liegt die 12inch, der düstere Linolschnitt auf dem Frontcover weiß auch gut zu gefallen. Mein Besprechungsexemplar kommt in flaschengrünem Vinyl, es gibt aber wohl auch noch Exemplare mit durchsichtigem Vinyl und Orange Splatter-Vinyl. Das zweite Album der im Jahr 2017 in Emsdetten gegründeten Band ist in Zusammenarbeit der Labels Santa Diabla, Backbite Records und Crawling Chaos erschienen. Ganz froh bin ich natürlich über das Textblatt, ohne welches man wahrscheinlich Mühe hätte, die Texte zu verstehen, obwohl diese trotz des aggressiven Gesangsstils recht deutlich zu verstehen sind.

In Anlehnung an das Gewicht der LP und des düsteren Artworks klingt auch der Sound brutal schwer und mehr als dunkel. Eine Walze an tonnenschwerem Hardcore, angereichert mit doomigem Sludge und etwas Metalcore, fährt kurz mal über Dich drüber, dabei verbeißt sich ein wütend und angepisster Höllen-Kampfhund aggressiv in Deinem Bein. Der Sänger klingt brutal und erinnert an einen extrem angepissten John Joseph in der Age Of Quarrel-Phase, die stimmliche Aggressivität lässt auch an diverse Sänger der Bands Cryptic Slaughter oder Erosion denken. Die Gitarrenwände werden gnadenlos hochgezogen und von einer mächtigen Rhythmusmaschine aus Drums und Bass begleitet, die absolute Zerstörung!

Und auch textlich geht es reichlich depressiv und angepisst zur Sache, der Weltschmerz trieft aus jeder Zeile. Der Blick in den Abgrund ist aber bei unserer weltlichen Gesamtsituation auch nicht abzuwenden, nebenbei bekommt all der Abschaum den Hass zu spüren, z.B. bei Nazi Scum oder dem einzigen deutschsprachigen Stück Sechs Hansa, zwei Kurze, in dem Spießer, verblödete Querdenker, die Staatsmacht und Sexisten ihr Fett wegkriegen. Für diese kaputte Menschheit gibt es auf Erasing Life jedenfalls absolut keine Sympathie. Wenn ihr also mal wieder ordentlich die Bude zerlegen wollt, dann eignet sich das hier bestens dafür! Mich hat das jedenfalls ordentlich weggeföhnt!

9/10

Facebook / Bandcamp / Santa Diabla


Bandsalat: Counterparts, Frank From Blue Velvet, Rong Kong Koma, Spite House, Stray From The Path, Thinner

Counterparts – „A Eulogy For Those Still Here“ (Pure Noise Records) [Stream]
Kleiner Spoiler vorweg: die Kanadier bleiben ihrem Sound auch auf ihrem mittlerweile siebten Studioalbum absolut treu, bieten also genau das Futter, das Fans der Band so zu lieben gelernt haben. Produktionstechnisch und vom satten Sound her könnte man gerade meinen, dass diese Songs zusammen mit dem Material der Nothing Left To Love aufgenommen wurde. Die Einflüsse der Band sind auch hier wieder deutlich zu hören: mich erinnert das von der Stimmung her an Zeugs wie frühe Stretch Arm Strong, Strongarm, More Than Life, Saving Throw und Boy Sets Fire zur After The Eulogy-Phase. Nun denn, ein instrumentales Intro und zehn Songs in etwas über einer halben Stunde Spielzeit bringen das Melodic Hardcore-Herz zum Glühen, es ist eine wahre Freude, gerade auch weil in jedem Ton leidenschaftliche Spielfreude und Herzblut steckt! Das düstere und an den Albumtitel angepasste Artwork hat apokalyptische Schwingungen. Im Digipack findet sich übrigens ein Textblatt, was bei den hohen Druck- und Papierpreisen heutzutage viel zu selten vorkommt, vielen Dank dafür. Denn dass die Texte bei Counterparts von großer Bedeutung sind, müsste mittlerweile bekannt sein. Die dramatischen, schonungslos ehrlichen und emotionsgeladenen Lyrics erzeugen wie so oft ein mulmiges Gefühl, Abschied, schwindende Freundschaften, tiefe Abgründe und Trauer sind die Themen, immer ganz nah am Ende! Und dazu kommt die wie ein Feuerwerk explodierende Musik der Jungs. Schön wuchtig und brachial kommt das intensive Gebräu aus Melodic Hardcore und Post-Hardcore daher, dort ein Breakdown, hier ein Moshpart, hymnische Passagen, unterschwellige Melodien und sauber abgestimmte Songarrangements sorgen hier für dieses kurzweilige Vergnügen, das ruhig auch mal in Heavy Rotation abgespielt werden kann, ohne zu langweilen. Spannungsgeladen, abwechslungsreich und intensiv, ein durchaus klasse Album, ich liebe es jedenfalls!


Frank From Blue Velvet – „Selftitled“ (Property Of The Lost) [Stream]
Mit Country und Americana hab ich persönlich außer mit einigen Johnny Cash-Alben keine Berührungspunkte, daher war ich über den Erhalt des Digipacks der mir gänzlich unbekannten Band Frank From Blue Velvet zuerst skeptisch. Zu Unrecht, wie sich sogar bereits bei der ersten Hörrunde herausgestellt hat. Denn die Band aus Hastings/UK bringt in ihrem Sound auch noch andere Elemente mit ein (Blues, Punk, Rockabilly, Roots-Rock, Gospel und düstere Lounge-Bar-Sounds z.B.) und schafft so einen schön eigenständigen und alles andere als angestaubten Sound. Besonders gefallen mir die weiblichen Chorbegleitungen, die glasklaren Gitarren und der verspielte und eigensinnige Bass. Hört doch mal das ruhigere Each Night an, bezaubernd! Außerdem ist das Artwork des Digipacks und des „Textheftchens“ im Tarotkartenstil äußerst gelungen. Zwar sind die Texte zugunsten des Artworks nicht abgedruckt, aber im groben und ganzen geht es schön düster zur Sache, was bereits anhand der Songtitel (The Apocalypse Nears z.B.) erahnt werden kann. Riskiert also ruhig mal ein Ohr, wenn ihr euch eine düstere Mischung aus neueren Cash-Songs und Edwyn Collins vorstellen könnt, oder euch die Gospelpassagen von Zeal & Ardor sowie das Dead Kennedys-Cover von Faith No More (Let’s Lynch The Landlord) gefallen. Die Dead Kennedys werden übrigens von der Band auch live gecovert (Police Truck).


Rong Kong Koma – „Delfine der Weide“ (Rookie Records) [Stream]
Hach, die scheiß Berliner haben ihr’n Traum gelebt und pfeffern ’n zweites Album raus, während sie mal eben kurz unsere Mütter gefickt haben? Verdammt, ganz schön umtriebig! Und sie kommen dabei ’ne ganze Ecke poppiger rum als auf dem Debut. Steht den Jungs aber ganz schön gut! Die Gitarren schrammeln zwar immer noch eher indie-mäßig, der Bass knödelt auch superschön verballert, allerdings ist alles ein bisschen gediegener geworden. Gefällt aber trotzdem, v.a. weil die Stimme von Sebastian immer noch so tief, authentisch und berührend klingt. Pop-rotzig geht das hier zur Sache, Rio Reiser schwirrt dabei immer im Hinterkopf rum. Und beim vierten Song werde ich das erste Mal überraschend hellhörig! Das ist doch Apokalypse Vega (Acht Eimer Hühnerherzen), die da Gastsängerin ist! Sehr geiles Feature! Und dann kommt ein wenig später ein Hit namens 180 Sachen mit 80 Sachen um die Ecke. Und genau das ist es, was das Album ausmacht! Entschleunigung, Rhythmus und Melancholie, dazu Bass und gechillte Drums, die aber trotzdem ordentlich wumms haben. Und natürlich diese Gitarren, die auch schon bei Sonic Youth und Dinosaur Jr. funktionierten. Ach ja, und die Stimme in Kombination mit den philosophischen Lyrics (leider kein Textblatt bei der Promo-CD), das sind eigentlich die Hauptmerkmale dieser Band! Ganz schön geile Band, Reinhard Mey wäre hingerissen, v.a. beim letzten Song!


Spite House – „Selftitled“ (New Morality Zine) [Stream]
Das New Morality Zine hat mich schon länger am Wickel, da gibt es massig Zeug, das mich total in den Bann zieht! So auch die Anfang des Jahres erschienene 3-Song-Promo der kanadischen Band Spite House (damals angepriesen), die ein paar Monate später vor kurzem ihr Debutalbum am Start hatte. Und das ist verdammt geil geworden, 90’s Emocore und Post-Hardcore gepaart mit modernerem Sound und grungigen Parts, so könnte das ungefähr umschrieben werden. Die zehn Songs sind wahnsinnig mitreißend und intensiv! Ich liebe das Ding, das Album hat das Zeug zum Meilenstein! Hört da bitte rein, falls noch nicht geschehen! Und ja, mehr muss zu diesem Album eigentlich nicht gesagt werden. Rumhüpfen und Wohlfühlen!


Stray From The Path – “ „Euthanasia“ (UNFD) [Stream]
Die Band Stray From The Path lernte ich eigentlich erst durch ihr sagenhaftes Album Internal Atomics kennen, jetzt folgt seit ihrem Bestehen im Jahr 2001 mit Euthanasia ihr mittlerweile elftes Studioalbum. Und das toppt das 2019-er Album nochmals in puncto Wucht und Intensität, das Ding tritt während der Laufzeit von knapp 39 Minuten und zehn Songs ordentlich Arsch, Verschnaufpausen braucht es da nicht! Einzig das etwas grungig angehauchte Bread & Roses hat ein paar ruhigere Töne im Gepäck, zudem ist auch hier ein Gastbeitrag von Jesse Barnett zu hören (Stick To Your Guns). Ziemlich groovend und noch einen Ticken aggressiver als auf dem Vorgänger Internal Atomics kommen die vier Jungs mit ihrem Mischmasch aus metallischem Hardcore und Hip-Hop um die Ecke, dabei helfen wuchtige Gitarrenriffs, fiese Breakdowns, mächtige Moshparts und eine dampfmachende Rhythmusmaschine, die fette Produktion bläst auch ordentlich. Dazu passt natürlich das wutschnaubende Geschrei von Sänger Drew Dijorio, der stimmlich irgendwo zwischen einem extrem wütenden Zach De La Rocha und Jason Butler (Fever 333) liegt. Musikalisch kommen mir Bands wie eben Fever 333 – aber ohne deren melodischen Mitsing-Refrains -, Converge, moshige Boy Sets Fire, RATM oder Downset in den Sinn. Jedenfalls prognostizieren Albumartwork und Albumtitel eine gewisse finstere Stimmung, das Schaubild im Textheftchen und die Lyrics unterstützen dabei die musikalische Wucht von Euthanasia, die sicher auch durch die Frustration in der Pandemie angekurbelt wurde. Diese Pandemie brachte aber auch Möglichkeiten mit sich, so hatten Fans bei Twitch das Vergnügen, beim Entstehungsprozeß der Songs zuzusehen und kreative Tipps zu geben. Werdet härter war sicher ein Tipp. Kotzt euch über die gierige und schmierige Politik aus, das muss man den Jungs sicher nicht empfehlen. Denn Stray From The Path behandeln auch auf diesem Album vorwiegend gesellschaftspolitische Themen und regen dadurch hoffentlich ein bisschen zum Nachdenken an.


Thinner – „You Don’t Want Me“ (Midsummer Records) [Stream]
Festplattenputz zum Jahresende hin gehört ja schon zu meinen weniger geliebten Gepflogenheiten, aber hin und wieder stößt man dabei auf Sachen, die eigentlich schon längst vorgestellt hätten werden müssen. So auch das mittlerweile dritte Album der Berliner Band Thinner, das bereits im Juli erschienen ist. Für neun Songs brauchen die Jungs gerade mal eine Spielzeit von knapp 17 Minuten, ihr wisst also, wie der Hase läuft! Genau, er ist rasant, schlägt Haken, wirbelt ’ne Menge Staub auf und ist kaum einzufangen! Thinner machen ihre Sache wieder mal richtig gut, die knackige Mischung aus oldschoolig und amerikanisch geprägtem Hardcore und rotzigem Hardcore-Punk geht schön nach vorne und zaubert dabei die ein und andere Melodie aus dem Hut und mir damit ein breites Grinsen ins Gesicht. Die Jungs haben ihr Handwerk ja auch schon von jung auf gelernt! Die Einflüsse von Bands wie Dag Nasty, Grey Area, Spermbirds und Minor Threat sind deutlich zu hören! Die fette und saubere Produktion klingt auch geil, Gangvocals und spannungsgeladene Songarrangements runden das Ganze ab. Habt ihr übrigens neulich mitbekommen, dass irgendwo im Norden Chinas ’ne größere Schafherde zwölf Tage lang Circle-Pit-artig im Kreis gelaufen ist? Das ganze Netz rätselte über das Phänomen, es war die Rede von Teufelsbeschwörung und Aliens. Dabei hat wohl niemand daran gedacht, dass irgendjemand Thinners You Don’t Want Me in Dauerschleife gepackt hat und die Viecher dadurch angestachelt wurden. Hier stimmt die Balance aus energiegeladenem Hardcore, Melodie und rotzigem Hardcorepunk! Check, falls nicht eh schon geschehen!


Bandsalat: Buried Lights, Futbolín, Get The Shot, Plein De Vie, Pabst, RXPTRS

Buried Lights – „Modern Ruins“ (DIY) [Stream]
Schön roh und räudig, dabei aber tief emotionsgeladen kommt der Sound der Band Buried Lights aus Detroit/Michigan daher. Neulich bei Bandcamp drauf gestoßen und direkt hängen geblieben. So in etwa könnte ich mir die Promo der Band vorstellen: Der große Bruder ist ein blödes Arschloch und spielt bei einer geilen Punk/Emo-Band, die bei allen schon etabliert und beliebt ist? Scheiß drauf, wir sind viel authentischer! Und damit auch viel geiler! Und das nur mit drei Songs! Ich geb zwar nix auf Promotexte, aber das hier würde mich echt überzeugen!


Futbolín – „Moped Xperience“ (Konglomerat Kollektiv) [Name Your Price Download]
Aufmerksame Menschen kennen die Band aus Italien bereits aus einer früheren Bandsalatrunde. Was die Jungs jetzt mit ihrer dritten EP vom Zaun brechen, ist eigentlich der absolute Wahnsinn! Rumflippen! Durchdrehen! Der absolute Oberhammer! ADHS meets Melancholie & Emo. Was soll man da noch groß schreiben, hört euch das selbst an! Ich jedenfalls feier die Band und auch die Konglomerat Kollektiv-Leutz kräftig ab!


Get The Shot – „Merciless Destruction“ (Useless Pride Records) [Stream]
Die erste EP der kanadischen Band Get The Shot erschien im Jahr 2009 noch in Eigenregie, bis heute sind auf verschiedenen Labels drei Alben gefolgt, Merciless Destruction ist nun Streich Nr.4. Da mir der bisherige Output der Band gänzlich unbekannt war, hab ich mal die verschiedenen Alben kurz angetestet. Anfangs klang die Band noch nicht so metallisch und ging eher in die Youth-Crew-Ecke mit schnellerem angepissten Hardcore-Punk, dann schlichen sich immer mehr Thrash- und Metalcore-Elemente in den Sound. Was jedoch immer vorhanden war und auch ist, ist die pure Energie und die aufschäumende Wut, die man auch dem Sound des aktuellen Albums entnehmen kann. Auf Merciless Destruction gibt’s dann deftigen Walzensound auf die Ohren, massig brachiale Beatdowns, quietschende Gitarren, fette Mosh-Parts, groovende Passagen, Death-Metal-mäßige Shouts und tonnenschwere Riffs sind auch mit von der Partie. Da wird es etliche Bands geben, die den Sound beeinflusst haben, beispielsweise Earth Crisis, Machine Head, Exhorder, Morning Again oder Integrity. Die Metal-Vorliebe ist auch im blutrünstigen Artwork deutlich zu sehen. Jedenfalls sind die Jungs schön abwechslungsreich unterwegs und wagen auch das ein oder andere nicht vorhersehbare Experiment. Gastbeiträge sind dann auch noch dabei, u.a. Matthi von Nasty. Fettes Ding, gnadenlose Zerstörung! Und jetzt schnell die Bude kurz und klein hauen!


Plein De Vie – „Koltuk De​ğ​neklerinden Kanatlar Yapmak“ (I.Corrupt Records) [Name Your Price Downoad]
Es war ein paar Wochen vor 9/11 als ich das erste und bisher einzige Mal in ein Flugzeug einstieg. Der Grund war die Hochzeit meines Bruders, welche in Ankara stattfand. Warum mir das ausgerechnet jetzt in den Sinn kommt? Nun, Ankara ist die Stadt, in der sich die Band Plein De Vie gegründet hat. Und jetzt kommt mein damaliger Eindruck dazu: die Stadt war ziemlich abgefuckt, auf Punk-oder Hardcore-Venues bin ich während meines Aufenthalts und vorheriger Recherche leider nicht gestoßen, beeindruckend blieben unfallrisikoreiche Taxifahrten, teure Minibar-Hotelrechnungen und Flohmärkte mit reichlich Hehlerware. Vielleicht ist das mit der Punkszene heutzutage ja anders, denn Plein De Vie hauen ordentlich auf den Putz und klingen dabei so, als ob sie schon jahrelang der Undergroundszene angehören würden.


Pabst – „Crushed By The Weight Of The World“ (Ketchup Tracks) [Stream]
Die Fotografie, die das Albumcover ziert, strotzt vor Spannung und Energie und bereitet euch schon mal darauf vor, was ihr in den folgenden 36 Minuten und den zwölf Songs zu erwarten habt! Und das ist eine ziemlich energiegeladene Achterbahnfahrt, die Dich schwindelig und nassgeschwitzt mit vom Wind zerzausten Haaren, abgekauten Fingernägeln und klingelnden Ohrgeräuschen am Ende der Bahn wieder ausspuckt. Und obwohl es so rasant zuging und der Adrenalinkick einige Zeit ausreichen würde, stellst Du Dich gleich wieder für eine neue Runde an! Wahnsinn, wie perfekt und satt dieses Album klingt! Bereits der Opener drückt Dich mit dreckigem Sound gegen die Wand, dabei darf es aber keinesfalls an Eingängigkeit fehlen. Auf ihrer ersten Tour hatte ich mal das Vergnügen, die Band live zu erleben. War total beeindruckend, was die drei Typen da für einen Mördersound und ’ne bombastische Show abgeliefert haben! Und ja, diese Live-Energie ist auch in den Songs dieses Albums zu spüren! Natürlich ist der Sound der Jungs tief im Alternative-Universum der Neunziger verankert, dennoch klingt das hier alles andere als angestaubt. Die Gitarren hüpfen, das hier ist frisch und voller Spielfreude, Leidenschaft und Energie! Im Digipack findet sich dann auch noch ein hübsch illustriertes Textheftchen im schwarzweißen und Schere+Klebestift angefertigten Copystyle, das hätte man in dieser Form auch gut in Kultalben der Neunziger finden können. Popkultur scheint der Band also nicht nur musikalisch auf den Leib geschneidert zu sein! Ein rundum gelungenes Album, ich bitte um Beachtung und Hingebung!


RXPTRS – „Living Without Death’s Permission“ (Metal Blade Records) [Stream]
Bei den ersten Klängen dieses Debutalbums der Band RXPTRS aus Bristol/UK wurde ich direkt an einen im Gedächtnis eingebrannten Abend irgendwann kurz nach der Jahrtausendwende gebeamt. Irgendwie ging es auf irgendein Hardcorekonzert. Normalerweise fiel der Kutscherjob zu dieser Zeit entweder auf meine Liebste oder mich, daher waren wir höchst über den Fahrdienst eines Kumpels erfreut und konnten dementsprechend dem Alkohol zusprechen. SLSK sei Dank, lernten wir in dieser Zeit auch irgendwann die Band BXLLY TLNT kennen und rockten zum partybedingten Vorglühen zu den Songs des selbstbetitelten Albums so dermaßen ab, dass ich gar nicht mehr weiß, welches Konzert wir im Anschluss besuchten. Warum nimmt diese eben erzählte Story mehr als ein Drittel des Textes dieses Reviews ein? Keine Ahnung! Aber RXPTRS machen einen genauso mitreißenden Sound, wie wir das damals bei Songs wie Try Honesty oder Living In The Shadows gefühlt haben. Geile, fette Gitarrenriffs paaren sich mit kraftvoll geprügelten und groovenden Drums, tolle Melodien und catchy Refrains sind ebenfalls am Start. Und dann ist da diese Stimme und diese Melancholie, die man im Sound der Band ab dem ersten Ton wahr nimmt. Absolut erfrischend!


Soma – „If You See Me…(Let Me Be)“ (Pike Records u.a.)

Vorsicht, bei dieser Band handelt es sich nicht um die Mitte der Neunziger aktive Band gleichen Namens, die Mehr Wut-7inch kam mir direkt bei der Mailanfrage aus dem Hause Pike Records in den Sinn. Mittlerweile liegt mir die 12inch vor, zudem hab ich recherchiert, dass diese Band hier zwar in einem ähnlichen Genre unterwegs ist, aber nicht aus Deutschland sondern aus Penzance kommt, der laut Wikipedia angeblich ersten plastikfreien Stadt Englands. Im Zuge meiner Recherche habe ich in Erfahrung gebracht, dass die vier Jungs zuvor in etlichen Bands unterwegs waren, unter anderem dürften euch Bands wie beispielsweise Crows-An-Wra, Ravachol, We Came Out Like Tigers, Crocus, Goodtime Boys und No Omega mehr oder weniger bekannt sein. Also mal wieder rein Namedropping-mäßig ein richtig dickes Ding! Und bevor ihr jetzt weiter unten lest, dass musikalisch genau die Qualität zu erwarten ist, was diese Auflistung an Bands verspricht, muss ich aber erst noch das Drumherum kräftig abfeiern! Ach ja, und die Band hat übrigens erst während des ersten Lockdowns 2020 erste Schritte getätigt, umso erstaunlicher, dass trotz der Vinylkrise bereits diese acht Songs so perfekt im Endresultat vorliegen.

Ganz plastikfrei kommt eine Vinylscheibe natürlich nicht daher. Okay, der war jetzt fies, harr harr! Trotzdem ist das Albumartwork sehr naturverbunden! Auf dem kleinen Bildausschnitt sind Barfüße abgebildet, die vor einem Fenster in den Nachthimmel ragen. Die Bäume, die Kirchturmspitze und das hell leuchtende Kreuz lässt der Phantasie freien Lauf, denn bei kindlichem Betrachtungsgeist sehen die Bäume und Sträucher wie ein Ritter auf einem Pferd aus. Ich sprech diesen sicher nicht freundlich gestimmten Kerl aber lieber mal nicht an und folge der Empfehlung des Album-Titels. Viel lieber fische ich die einseitig gepresste 12inch aus der Hülle und komme dabei ins Staunen aufgrund des wunderschönen Siebdrucks auf der B-Seite der Platte. Hier sind Pflanzen/Blumen abgebildet, eine bildlichere CO₂-Kompensation könnte man kaum treffender darstellen! Ich liebe es! Auch wenn es kein Textblatt gibt, muss darauf nicht verzichtet werden, die Lyrics sind nämlich allesamt auf dem Backcover abgedruckt.

Übrigens sind an diesem DIY-Release etliche namhafte DIY-Labels beteiligt, die ich größtenteils schon seit Ewigkeiten ins Herz geschlossen habe: Pike Records, Dingleberry Records, Boslevan Records, Left Hand Label, Clever Eagle Records und Desperate Infant Records haben dieses Juwel an den Start gebracht! Danke dafür! Denn auch musikalisch lässt das Album die Synapsen tanzen! Zwischen Emotive Screamo und Post-Hardcore tobt hier der intensive Sturm der Gefühle! Verzweiflung, Wut, Trauer und Resignation. Entsetzen über unsere zum Abnippeln verdammte Welt. Einfach nur wow, man wird direkt mitgerissen von der Wucht und der Intensität! Und das ab der ersten Sekunde, ein Sturm der Gefühle! Die Gitarren fesseln von Beginn an und lassen Dich nicht mehr los, dazu dieses wilde und ungestüme Getrommel und die verzweifelt rausgebrüllten Vocals, eine wahre Freude für alle Screamofans. Warum Isolation vielleicht manchmal besser als Konfrontation ist, kann man mit diesem Ding hier einfach mal locker flockig erfahren!

9/10

Bandcamp / Pike Records


Colored Moth – „Inertia“ (Moment Of Collapse) [Stream]

Moment mal, dieses Release wurde doch bereits in einer der letzten Bandcamp-Runden vorgestellt und abgefeiert! Sind das schon erste Anzeichen von Demenz? Keinesfalls, denn damals gab es das Album nur digital, mittlerweile hat mir die Band nach sympathischer Mailkonversation ihr Meisterwerk auf Vinyl zukommen lassen. Luftsprung! Denn gerade auf Vinyl entfaltet Inertia diese extrem magische und perfekte Dichte, die wahnsinnige Intensität und Spannung der Songs ist hier noch deutlicher und lebendiger zu spüren als beim rein digitalen Genuss. Und genau darum sehe ich die Notwendigkeit, meinen damaligen Bandsalat-Text noch etwas aufzumotzen und zu verfeinern. Denn Inertia ist – wie die bisherigen Releases der Band – schon jetzt ein absoluter Meilenstein in Sachen Post-Hardcore made in Germany. Hartnäckiges Wachrütteln ist hier einfach Pflicht! Das hier ist ein echter Leckerbissen für Leute, die auf 90’s infizierten Post-Hardcore, Noise, Screamo oder Emocore stehen!

Das Coverartwork wirkt geheimnisvoll und aufgrund der kalten Farben etwas düster, ich verbinde damit Wellen, Schallwellen, Impulse oder gebrochenes Licht, das durch eine gefrorene Wasseroberfläche schimmert. Automatisch kommen dabei natürlich Gedanken auf, wie das Artwork in Verbindung mit dem Albumtitel stehen könnte. Inertia bedeutet übersetzt soviel wie Trägheit, eigentlich ein Begriff aus der Physik. Ein Objekt setzt seine aktuelle Bewegung so lange fort, bis irgendeine Kraft eine Änderung der Geschwindigkeit oder der Richtung bewirkt. Zudem beschreibt das Wort auch einen Zustand, in dem auch ich mich oft befinde, gerade aufgrund negativ einprasselnder äußerer Einflüsse, die mich lähmen. Und gibt es dann einen positiven Impuls, wie dieses Album hier, dann krieche ich aus meiner Höhle hinaus und raffe mich auf, zum Leben erweckt. Vom Sound wachgerüttelt muss ich da einfach in die Gänge kommen. Und ja, sobald die A-Seite durchgelaufen ist, wird zum Plattenspieler gerannt, Platte umdrehen! Ach ja, diese befand sich übrigens vor dem Auflegen in einer schlichten, schwarzen Innenhülle. Und dann gibt es da noch ein auf transparentes Papier gedrucktes Textblatt. Sieht klasse aus, außerdem sind die Texte ebenfalls von großer Bedeutung, siehe weiter unten. Hier lässt sich auch nachlesen, dass Nicole aka Luminescent. beim Song New Blueprint Vocals beigesteuert hat.

So, und jetzt kann ich endlich mal die Copy and Paste-Funktion beim eigenen Geschreibsel anwenden, fühle mich dabei aber alles andere als träge. Denn nach etlichen Vinyl-Hörrunden bin ich erfreut, dass dieser damalige erste Eindruck genau das wiederspiegelt, was hier in physischer Form in den Händen liegt und sich tief in die Hörgänge gefressen hat. Hier also mal ein Auszug meines damaligen Beitrags zum Bandsalat. Hätte ich zwar auch verlinken können, aber diese verdammten Klicks kosten unheimlich viel Energie: Dass Colored Moth der absolute Geheimtipp in Sachen Post-Hardcore/Noise/Screamo aus Deutschland ist, könnte mit diesem Release – dem mittlerweile dritten Album der Berliner – bald der Vergangenheit angehören. Drei Alben hintereinander auf sehr hohem Niveau abzuliefern, das muss man erst mal drauf haben. Zehn Songs voller hibbeliger Anspannung sind es diesmal geworden. Und diese kommen gewohnt dicht, druckvoll, verschachtelt, aber immer präzise durchdacht um die Ecke. Die verzweifelt gescreamten Vocals dringen direkt ans Herz, wobei das mächtig groovende Gewitter aus knarzendem Bass und wuchtig gespielten Drums immer wieder von einer einprägsamen Gitarrenmelodie oder einer auftürmenden Noise-Wand begleitet wird. Wahnsinnig intensiv! In den Texten geht es um kritische Sicht auf die Gesellschaft, es werden beispielsweise patriarchale Machtstrukturen und toxische Männlichkeit angeprangert, Entfremdung und Abhängikeit von materiellen Werten sowie Existenzängste sind ebenfalls Themen. Also durchaus auch Food for Thought neben der musikalischen Vielfalt der Songs! Mit knapp 28 Minuten Spielzeit ein weiteres Hammeralbum der DIY-Band! Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, volle Punktzahl!

10/10

Facebook / Bandcamp / Moment Of Collapse


Tape-Duo: Feale & Letterbombs + Portrëit

Feale – „Cryaletti“ (Seven Oaks Records) [Stream]
Kennt ihr das Gefühl, wenn der Endless Summer plötzlich und ohne Vorwarnung abrupt endet und das Thermometer von heute auf morgen um ganze 25 Grad weniger anzeigt? Für zwei Wochen herrscht herbstlich-winterliches Wetter und plötzlich lässt sich doch noch mal der Spätsommer blicken! Genauso ein Gefühl schleicht sich bei den Klängen der Cryaletti-EP der Dresdner Band Feale ein. Mir war die Band vor dem Erhalt des bunt aufgemachten Tapes noch nicht bekannt, zuvor erschien eine erste EP. Das Tape ist der 12. Streich des DIY-Labels Seven Oaks Records. Auch das Artwork bringt mit der Orange und dem Coffee-Maker eine gewisse Urlaubs-und Sommerromantik mit. Im Tapecover finden sich alle Texte und ein handschriftlich eingetragener Downloadcode, sympathisch! Und auch ganz praktisch, wenn der Walkman mal wieder den Geist aufgegeben hat. Mit dem Opener Sun Benedetto geht zugleich auch die Sonne auf. Nach einem kleinen, etwas grungig angehauchten Intro geht es auch schon mit verträumten Gitarren und treibenden Drums melodisch nach vorne, die female Vocals gefallen mir dabei ganz besonders. Da ist insgesamt sehr viel Melancholie zu spüren, die textlich noch unterstrichen wird. Die Mischung aus Midwest-Emo und Punk lässt trotz der schmerzlichen Lyrics die Sonne scheinen, das nennt sich dann wohl bittersweet! Insgesamt fünf Songs gibt es zu hören. Neben Bands wie Tigers Jaw oder Turnover dürften auch Bands wie die Misfits oder Algernon Cadwallader große Einflüsse des Quartetts sein. Bin jedenfalls auf weiteres Material der Band sehr gespannt, das Tape solltet ihr unbedingt mal abchecken!


Letterbombs & Portrëit – „Split“ (Dingleberry Records u.a.) [Name Your Price Download]
Auf diesem Co-Release der Labels Dingleberry Records & Zegema Beach Records gibt’s gleich zwei geile Bands zu hören, die euch mit ihrem Sound ruckzuck den Kopf verdrehen, vorausgesetzt ihr mögt es etwas ruppiger Richtung Screamo & Emoviolence. Letterbombs aus Finnland sind mit vier Songs am Start. Die Gitarren drehen frei, manchmal aber auch schön melodisch, der Sänger kreischt intensiv, die Drums klingen ebenso verrückt zwischen Stop’N’Go und Highspeed-Geknüppel, der Bass knarzt wie Hölle. Gescreamt wird teils in englischer und auch in finnischer Sprache. Portrëit aus Giessen wurden ja bereits mit ihrem tollen 2017er-Demo angepriesen, jetzt gibt es endlich neuen Stoff der Band, die sich übrigens aus Leuten der Bands Faltre und Knife Trade zusammensetzt. Aus den vier eigenen Songs und einer Comadre-Coverversion hört man die langjährige Banderfahrung deutlich raus. Geboten wird intensiver emotive Screamo, der immer wieder mit stürmischen Ausbrüchen für Chaos und Gänsehaut sorgt. Diese höllisch geilen Gitarren und das leidende Geschrei in Kombination mit den unvorhersehbaren Richtungswechseln und einem Drummer, der mit Haut und Haaren mit seinem Drumkit verschmilzt, zaubern mir ein fettes Grinsen ins Gesicht. Hier spürt man die Leidenschaft und das Herzblut!


Kratzen – „Zwei“ (DIY)

Die Kölner Band Kratzen war mir bis auf den Erhalt einer E-Mail-Besprechungsanfrage bisher gänzlich unbekannt. Zwei ist logischerweise das zweite Album des Trios, das Debut-Album ist im Jahr 2020 in DIY-Manier in einer 150er-Vinylauflage erschienen. Und auch bei Zwei schwingt dieser DIY-Grundsatz auf allen Ebenen mit! Auf mein Interesse an der Musik Kratzens kam ein paar Tage später auch schon eine 12inch mit handschriftlichem Briefchen ins Haus geflattert! So muss das! Aber erst mal ein paar Infos zur Band: Kratzen hat sich im Jahr 2017 zuerst als Duo gegründet. Das jetzige Trio setzt sich aus Melanie Graf (Bass, Orgel, Gitarre, Percussion, Gesang, vormals Velochrome), Stefanie Staub (Schlagzeug, Gesang) und Thomas Mersch (Gitarre, Gesang, Bass, Orgel, vormals Monostadt und Salvage Art) zusammen und vor den beiden Alben erschien eine Split 7inch mit der Band Klauen.

Nun denn, Zwei kommt in einer schlichten blauen Papphülle, der Karton ist vorne mit Bandname und Albumtitel handgestempelt, auf der Rückseite ist lediglich eine handschriftliche Nummerierung angebracht. Diesmal wurde die Stückzahl auf 300 angehoben, denn die 150 Exemplare des Debuts und die 55 Nachpressungen sind mittlerweile vergriffen. Ich denke, dass die Nachfrage des zweiten Albums ähnlich stark sein wird. Denn DIY-Vinylfans wissen so einen Aufwand sehr zu schätzen! Handgestempelte Vinyllabels, ein liebevoll gestaltetes Textblatt mit allen Infos zum Release sowie ein stabiles Downloadkärtchen und mit Tesafilm befestigtem Downloadcode rundet das Beiwerk zur Vinylscheibe ab. Und auch bei der Schublade, in die die Band ihre Musik stecken möchte, steckt viel Kreativität: Krautwave also!

Setzt die Nadel in die Rille, dann ist man sofort vom Sound der Band gefangen, die scheinbare Monotonie hypnotisiert erstmal so richtig. Dann umschwebt der pumpende Bass das Gehör, der groovende Takt der Drums bohrt sich immer weiter ins Unterbewusstsein und dann setzen diese eigenwilligen, desöfteren minimalistischen Gitarren und auch der female/male Gesang ein. Und man denkt so, das ist eigentlich alles ganz schön lo-fi, nur um wenig später zu merken, dass da ja plötzlich schon eine gewisse Soundwand hochgezogen wird, wahrscheinlich spielen dabei die immer wieder auftauchenden Orgeltöne eine gewisse Rolle. Gesungen wird übrigens vorwiegend in deutscher Sprache, ein französischsprachiger Song ist ebenfalls mit von der Partie. Bei den Texten kommt sofort dieses Hamburger-Schule-Feeling durch. Die Kreativität, die Leidenschaft und das Herzblut der Band ist an allen Ecken und Enden zu spüren! Stellt euch mal vor, Bands wie Contriva, Die Sterne, Notwist, Fugazi oder Sog würden in ihren Sound wavige, psychedelische, Shoegaze- und Post-Punk-Elemente á la Joy Division, CAN oder Spacemen 3 einbauen, dann kommt das ungefähr hin. Jedenfalls ist Zwei eine dieser Platten, die mit jedem weiteren Durchgang wachsen und sich fast schon magisch in den Gehörgängen ausbreiten. Und das Resultat ist sehr originell und auf Vinyl auf einer Anlage mit basslastigen Lautsprechern ein absolutes Erlebnis! Mir taugt das hier absolut!

9/10

Facebook / Bandcamp


Bandsalat: Anchoress, Azzacov, Bellyacher, Leave, NEXØ, Rome Is Not A Town

Anchoress – „Stay Positive“ (Early Onset Records) [Name Your Price Download]
Im Jahr 2016 war das letzte Lebenszeichen der Jungs aus Vancouver in Form eines Albums. Sechs Jahre später also der Nachfolger. Stay Positive hat neun Songs im Gepäck. Und ich muss sagen, dass der Sound der Band mittlerweile richtig gereift ist. Geboten wird eine Mischung aus Post-Hardcore, Punk, Emo, Screamo und etwas Post-Rock und Grunge. Die Songs klingen wütend und intensiv, die melancholische Seite kommt auch nicht zu kurz. Textlich geht es um die psychische Gesundheit, Kapitalismus und auch der politische Wandel beschäftigt die Band sehr. Und ja, der Albumtitel ist Programm, hier lassen sich viele optimistische Soundscapes entdecken, in das Album kann man richtig eintauchen! Könnte Menschen gefallen, die Zeugs wie La Dispute, Pianos Become The Teeth, Touché Amoré, Title Fight oder Comadre mögen. Alle Daumen nach oben!


Azzacov – „Fragmente“ (Middle-Man Records u.a.) [Name Your Price Download]
Man muss schon genauer hinhören, um zu erkennen, dass hier in deutscher Sprache gekeift und gescreamt wird. Das Trio Azzacov kommt aus Nürnberg und fährt voll das Skramz/Emoviolence-Brett auf. Eine wahre Freude ist das! Hier wird gelitten, was das Zeug hält! Die Gitarren rotieren wie blöde, das Getrommel reicht von arhythmisch irre bis dezent plätschernd, ich liebe das! Geht live sicher ordentlich ab! Politische und persönliche und fast schon poetische mit philosophischen Ansätzen gespickte Lyrics runden das Ganze ab. Fans von Bands wie Danse Macabre, June Paik, Jeromes Dream, Manku Kapak oder Suis La Lune sollten hiermit leuchtende Augen bekommen!


Bellyacher – „Selftitled EP“ (DIY) [Stream]
Irgendwann im Januar 2020 mitten in der Pandemie gegründet, haben die vier älteren Hasen plus die Dame am Mikrofon ihre erste EP aufgenommen. Drei Songs gibt’s zu hören. Und wenn ihr auf den guten alten, melodischen Emo/Indie/Punk/Posthardcore-Sound aus den Neunzigern bis zur Jahrtausendwende stehen solltet, dann ist Bellyacher sicher ein Ohr wert! Stellt euch vor, bei Samiam singt eine Frau, dann habt ihr es so grob. Denn an Samiam erinnert mich das Quintett aus Nordrhein-Westfalen am meisten, es kommen aber auch Bands wie Rocking Horse Winner, Ohio’s Favorite, melodischere Boy Sets Fire oder Jets To Brazil in den Sinn.


Leave – „Selftitled“ (Moburec) [Stream]
Irgendwie werden die Zeiten knapper, um bei Bandcamp ausgiebig zu Stöbern, dennoch ist die Ausbeute bei jeder Entdeckungstour enorm hoch. Neulich stieß ich auf die erste EP von Leave aus Mainz. Sofort vom tief in den Neunzigern verwurzelten Indie-Rock gefangen, konnte ich erst gar nicht glauben, dass hier quasi nur zwei Leute dafür verantwortlich sein sollen. Großartige Melodien, gefühlvoll und melancholisch, hier hört man sehr viel Leidenschaft heraus! Und auch die Punkwurzeln sind nicht von der Hand zu weisen, selbst das wiederholt eingesetzte Saxophon fügt sich super in den Sound ein! Irgendwo zwischen Nada Surf, Pavement und Dinosaur Jr. Wenn ihr also auch dem guten alten Gitarren-Sound der 90’s verfallen seid, könnte das hier ein Leckerbissen für euch sein!


NEXØ – „False Flag“ (Kink Records u.a.) [Name Your Price Download]
Beim Intro denkt man sich noch so, wird bestimmt ein Metal-Brett, doch dann wird man von einem nach vorne gehenden und hibbeligen Motorboot überfahren. Ganz schön energiereich und fast schon ein bisschen oldschoolig kommt die Mischung aus Hardcore und Punk daher, schön dichte Gitarren mit unterschwelligen Melodien, treibende Drums und polternde Basstunes werden mit wütendem Geschrei gespickt. Erinnert mich ein bisschen an alte Refused. Das hier ist vertonte Spielfreude und Leidenschaft! Auch textlich steckt hier viel brauchbares drin, es geht um die Realität, in der nichts mehr echt ist, die Verlogenheit machtgeiler Politiker, Fake News in Sozialen Medien usw. NEXØ kommen übrigens aus Kopenhagen/Dänemark, vor False Flag gab es eine EP und ein Album, das muss ich mir nach dem Abfeiern von False Flag jetzt auch noch auf die Festplatte zippen!


Rome Is Not A Town – „Tender Arms Power Heels“ (Startracks) [Stream]
Das zweite Album der aus Göteborg/Schweden stammenden Band Rome Is Not A Town hat mich ab dem ersten Ton am Wickel! Irgendwo zwischen Post-Punk und Emocore würde ich das hier einordnen, jedenfalls ziemlich intensiv, teils düster aber auch mit reichlich Melancholie an Bord. Die female Vocals klingen sehr resigniert und man spürt auch eine gewisse Kälte, während die instrumentale Begleitung roh und kantig klingt. V.a. die groovende Rhythmusmaschine aus Bass und Schlagzeug sticht hier besonder hervor. Das erinnert dann natürlich an großartige Bands wie Fugazi, Sonic Youth, One Last Wish oder auch Rites Of Spring. Das Artwork sieht im 12inch-Format sicher grandios aus! Neun Songs, kein einziger Ausfall!


Bandsalat: geronimostilton, !Housebroken, Heart Headed, Little Sparkee, Modecenter, Outright

geronimostilton – „Impending Ghosts“ (DIY) [Stream]
Wie geil ist das hier bitte? Voll die Breitseite low-fi-Screamo/Emoviolence vom Feinsten! Mehr Distortion geht eigentlich fast gar nicht mehr! Ich brech ab! Aber bevor ihr jetzt denkt, dass euch da nur abnormaler Krach erwarten wird, muss ich euch enttäuschen. Klar, Krach gibt’s zwar auch zuhauf, aber hier steckt ganz viel Intensität, unterschwellige Melodien und Melancholie drin, das geht richtig unter die Haut! Wahnsinn! Und diese Gitarren, ich bin diesem Sound hier echt verfallen! Aber hört und spürt es selbst!


!Housebroken – „L’altro ieri: distacco“ (DIY) [Stream]
Bei !Housebroken handelt es sich um eine Band aus Turin, bei der es keinen festen Frontmann gibt, neben den verschiedenen Bandmitgliedern singen auch noch andere Leute, unter anderem der Sänger von Radura. Nun, zu hören gibt es wunderbar melancholischen und altmodischen Midwest-Emocore, die Lyrics werden in italienischer und englischer Sprache vorgetragen. Hauptsächlich stehen Herzschmerz-Themen wie Trennung und Entfremdung im Vordergrund, immer den Blick auf die Vergangenheit gerichtet. Die sechs Songs bieten in ihrer Laufzeit von 33 Minuten jedenfalls viel Abwechslung und es kann auch durchaus mal schneller zur Sache kommen, siehe Leech. Neben einzelnen Post-Rock-Verweisen geht es auch ab und an mal mathig zu, die Gitarren schweben jedenfalls schön verträumt durch die Lüfte.


Heart Headed – „Peter Panic“ (DIY) [Stream]
Ganz neu im Jahr 2022 gegründet, hat die Frankfurter Band Heart Headed ihre erste 3-Song-EP veröffentlicht. Wenn man diese hört, dann wird man wirklich mal kurz in die Jahrtausendwenden-Zeit gebeamt, als Bands wie Thrice, Boy Sets Fire, oder Thursday deutsche Bands inspirierten und Zeugs wie beispielsweise Three Minute Poetry, Pale, Ambrose oder Lockjaw hervorbrachte. Angesichts des Sounds würde ich fast vermuten, dass hier Leute musizieren, die mit diesem Sound aufgewachsen sind. Und glaubt man den Worten in der Anfragemail, dann sind die Jungs mit myspace in die Szene eingetaucht. Diese drei Songs machen jedenfalls neugierig, was man von Heart Headed wohl noch zu hören bekommen wird. Ach: schade, dass es die EP nirgends bei Bandcamp gibt, hab sie jedenfalls nicht gefunden. Spotify kann ich eigentlich nicht leiden, aber die drei Songs schafft man ohne lästige Werbeunterbrechung.


Little Sparkee – „Oh! The Tension“ (DIY) [Stream]
Ihre erste EP hat die Band Little Sparkee aus Vancouver, British Columbia (Kanada) am Start. Es klingt zwar teilweise etwas holprig, was für mich aber gerade den Reiz ausmacht. Ich würde den Sound irgendwo zwischen Emo, Punk und Hardcore einordnen, teilweise erinnert mich das hier an Bands wie At The Drive-In, Maggat oder Bear Vs Shark, jedenfalls hat’s ’ne starke Jahrtausendwenden-Nostalgie, zudem gibt’s ’ne Hommage an die Blood Brothers. Sehr sympathisch, da bin ich mal gespannt, was da noch in Zukunft kommen wird.


Modecenter – „Selftitled“ (A-Lo Records) [Stream]
Auf die Wiener Band Modecenter bin ich beim Radiohören gestoßen, ja sowas kann es auch mal geben! Gleich spitzten sich die Öhrchen, als das zwischen Post-Punk, Noise und Post-Hardcore krachige Gebräu aus den Lautsprechern über den Indie-Sender FM4 wummerte. Kraftvoll, pumpender Bass, groovende Drums und eine schöne Schreistimme, damit bekommt man mich ziemlich schnell! Yeah, hier wird man mit zehn Songs voll bedient, wenn man 90’s-Sound á la Fugazi, Flipper, Jezus Lizard, Shellac oder Drive Like Jehu mag. Modecenter hätten mit diesem Sound jedenfalls gut auf Labels wie Amphetamine Reptile, Dischord oder Touch And Go Records gepasst. Müsst ihr unbedingt mal antesten, klingt sehr international!


Outright – „Keep You Warm“ (Reason And Rage Records) [Stream]
Wenn im Winter die Gaskrise für kalte Füße sorgen sollte, dann sollte man sich schnell mal aufwärmen. Vielleicht gelingt es mit Keep You Warm, dem neuen Album der australischen Band Outright. Das Ding hat metallischen Hardcore zu bieten und geht derb nach vorne. Die Dame am Mikro lässt ordentlich Wut und Ärger raus, während die fett klingende Rhythmusmaschine aus sattem Bass und kraftvoll walzenden Drums mitsamt den Gitarren ordentlich Druck macht. Dazwischen gibt es immer mal wieder unterschwellige Melodien und Slayer-artige Gitarrensoli zu entdecken. Insgesamt zehn Songs, dürfte den Walls Of Jericho oder Earth Crisis-Fans unter euch gefallen.


Schelle Vs Little Brother – „Split 12inch“ (Chopped Off Records)

Ist eigentlich schon gefühlte Ewigkeiten her, dass ich mal wieder eine 12inch Vinyl geschickt bekommen habe. Danke hierfür, auch wenn das Ding bereits im Jahr 2020 veröffentlicht wurde. Solange gute Platten auf Vinyl erhältlich sind, sollte man zuschlagen, wenn man das nötige Kleingeld zusammengekratzt hat, denn das hier ist zeitlos gut! Nun denn, die 12inch sieht rein äußerlich schon mal ziemlich geil aus. Auf dem Albumcover gibt es ein linolschnittartiges Kunstwerk zu betrachten, auf dem good old Godzilla gegen King Kong kämpft (checkt mal Brian Reedy an, der hat das Ding gestaltet). Linoldrucke wie dieser sind absolut meins, ich liebe auch den Geruch! In Anlehnung an die chinesischen Schriftzeichen sind im Albumartwork die Songtitel gestaltet, was auch verdammt gut aussieht. Hier steckt nicht nur dem Anschein nach ziemlich viel DIY-Spirit drin!

Ich kannte vorher weder die Band Schelle, noch die Band Little Brother! Mit einem Release gleich zwei dufte Bands kennenzulernen, das rockt ja schon ordentlich! Schelle kommen aus Aachen und machen irgendwas zwischen groovy Post-Hardcore á la Fugazi, hinzu kommen Punk und Noise-Einflüsse, bisschen frühe Turbonegro, Hellacopters und Zeke sind auch noch mit an Bord. Fünf sehr gelungene Songs! Auf Vinyl ein wahrer Genuss: Dieser Bass, die satten Gitarren und das wummernde Schlagzeug. Und Melodien, die sich einbrennen. Einfach mal ziemlich geil!

Little Brother kommen aus Heinsberg/Nordrhein-Westfalen und legen auch ordentlich vor! Sechs Songs voller Leidenschaft und Herzblut erwarten euch! Zu diesem sonnigen Sound geht nur ein Lächeln im Gesicht und selbst wenn Du Dich böse mit dem Skateboard verletzt, alles halb so schlimm mit dem Sound der Band im Ohr! Ich steh auf den melodischen Sound der Jungs, der schräge Gesang holt mich direkt ab! Beim Song Burn tauchen dann auch noch deutsche Lyrics auf, was auch super funktioniert! Geiles Release, Textblatt gibt’s obendrauf! Schön oldschooliger Hardcore-Punk, erinnert an Zeugs wie Neat Mentals oder auch an melodische Minor Threat (vom Gesang her). Unbedingt anchecken und glücklich damit werden!

8/10

Bandcamp / Chopped Off Records


Amid The Old Wounds – „Rebreather 7inch“ (time as a color)

Amid The Old Wounds-Veröffentlichungen sind, wie man anhand des „Covers“ der 7inch deutlich erkennen kann, eine ziemlich emotionsgeladene Herzensangelegenheit, die tief unter die Haut geht. Die Außenhülle der 7inch ist weiß und mit dem Bandnamen besiebdruckt. Das eigentliche Cover, das sich auf den Labels abbildet, zeigt eine zerbrochene Herz-Porzellandose Schrägstrich Schmuckkästchen. Es ist diesselbe Porzellandose, die auch schon die Vignette-7inch zierte. Damals war sie aber noch heil und geschlossen. Jetzt ist sie jedoch zerbrochen und offen! Songtitel wie Rebreather, The Broken Key oder 1121 spoilern zusätzlich eine gewisse tiefemotionsgeladene Herbststimmung, die Vergänglichkeit scheint hier im Allgemeinen eine große Rolle zu spielen. Das Drama im Kopfkino vor Augen, wird die 7inch mit der Dank der Angabe auf den Labels eindeutig identifizierbaren Seite auf den Teller gelegt. Fast traut man sich nicht, die Nadel aufzusetzen und die im Obi-Strip-artigen Stil gefaltete Textpappe in die Hände zu nehmen. Es wirkt alles so zerbrechlich as fuck, im übertragenen Sinne!

Und kaum setzt die Stimme Daniel Beckers und die gefühlvoll gespielte Gitarre ein, dann hat mich das Ding eh schon gefangen! Gänsehautstimmung pur beim Opener Rebreather setzt ab dem ersten Ton ein. Der Länderübergreifende Lockdown hatte, wie wir alle wissen und gespürt haben, auch zahlreiche Auswirkungen auf persönliche Schicksale, Freundschaften und Beziehungen. Dieses in der Luft hängen, nicht wissen, wie das alles weitergehen soll, dieses riesige schwarze Loch der Ungewissheit. Und die Angst! Diese Endzeit wurde im persönlichen Gefühls-Lockdown, den es ja trotz „verordnetem“ Lockdown schon vor Corona gab, verarbeitet. Und trotzdem wird im Song Rebreather auch die kämpferische, optimistische und vorausblickende Fahne in den Wind gehalten. Starker Song, könnte auch mit Band im Rücken deutlich was her machen! Aber schon Wahnsinn, was Daniel nur mit Gitarre und Stimme für Emotionen erschafft! Sehnsucht, Schicksal, die über allem schwebende Schuldfrage, Leid und letztlich das Entkommen aus diesem Gefühlskreislauf ist in diesem Song sehr schön abgebildet.

Auf der B-Seite fetzt das Riff des Openers The Broken Key sofort! Überhaupt klingt Amid The Old Wounds, obwohl nur folkig mit Gitarre ohne Begleitung und „lediglich“ mit Gesang begleitet, ziemlich vollkommen! Hieran ist nichts schnulzig oder gar balladesk, gefühlt rockt das hier sogar! Überraschend ist dieser Song knapp unter einer Minute Spielzeit auch schon vorbei. Es braucht halt nicht immer Schema Intro-Refrain-Mittelteil-Refrain-Outro (ähnlich dem Intro) für einen guten, nach mehreren Durchläufen hängenbleibenden Song. Hier klappt das ins Ohr einnistende Erlebnis bei zwei bis drei Durchläufen ebenso. Und diese Durchläufe sind absolut angenehm zu ertragen. Mit 1121 wird es dann nochmals sehr emotional, vor allem die Zeile I Wish I Was Significant To Someone Significant hat mich selbst an eine dunkle Zeit erinnert, die mich in meinem Leben fast aus der Bahn geworfen hätte. Glücklicherweise hatte ich damals die Musik, echte Freundschaften und auch die eigene Hoffnung auf bessere Zeiten. Und diese drei Werte finden sich absolut im Sound von Amid The Old Wounds und diesem sehr schönen und berührenden DIY-Release wieder! Ach so, sollte man auch noch kurz erwähnen: das DIY-Release erscheint in Zusammenarbeit der Labels time as a color, Dingleberry Records, Slow Down Records und Motorpool Records, abgemischt und aufgenommen wurde wieder von Franz Kindermann/Koenichsound. Absolute Herzensangelegenheit, yeah!

8/10

Facebook / Bandcamp / time as a color


Bandsalat: De Facto Enscripture, Hawak, Love Forty Down, Serpent, Spite House, Wristmeetrazor

De Facto Enscripture – „Sardonic Entropy Nexus“ (Middle Man Records) [Name Your Price Download]
Dieses Debutalbum ist echt mal der Hammer! Edie Quinn von Coma Regalia hat 28 Stücke geschrieben und hat diese an 30 verschiedene Sängerinnen und Sänger geschickt, von welchen letztendlich 26 Texte und Gesang beigesteuert haben. Insgesamt wirken an dem Teil 39 Musiker und Musikerinnen mit, die in der Screamo-Szene allesamt große Namen sind. Ein Mammutprojekt, in dem viel Arbeit, Herzblut und Leidenschaft steckt! Und dazu noch so verdammt intensiv! Müsst ihr unbedingt anchecken und abfeiern, falls ihr das nicht schon längst gemacht habt!


Hawak – „nước“ (Zegema Beach Records) [Name Your Price Download]
Fast wäre mir dieses emotive Screamo-Juwel durch die Lappen gegangen, wenn ich nicht neulich mal wieder den längst fälligen Festplattenputz durchgeführt und dabei den noch unentzippten Ordner der Band aus Kalifornien entdeckt hätte. Wow, was für ein intensives Album das doch ist, und dann auch noch ein Debut! Was nach dem sanften Intro da losbricht, ist fast nicht in Worte zu fassen! Verwinkelte Gitarren, verzweifeltes Geschrei, tightes Drumming und spannungsgeladene Songstrukturen erwarten euch. Dazu ist das Ganze top abgemischt. Das rohe und raue sticht genauso raus wie das saubere und zerbrechliche, enorm druckvoll klingt das! Wer Bands wie Loma Prieta oder Suis La Lune verehrt, dürfte hier eine neue Liebe entdecken!


Love Forty Down – „Don’t Be A Stranger“ (SBÄM Records) [Stream]
Oh yeah, das hier kommt zwar ’nur‘ aus Ulm, die Jungs könnten aber auch locker ’ne Band sein, die man beim The Fest in Gainesville gesehen hat und die durch ihren Auftritt dort als Mega-Geheimtipp in der Szene gehandelt wird. DIY, Spielfreude und Herzblut sind die Zutaten, die das hier so groß und gewaltig machen! Und spätestens beim zweiten Song – German Angst – sind alle Hände oben! Hier bekommen die Jungs gesangliche Unterstützung von Vuki/Hell And Back. Zudem auch textlich noch superstark, das Herz ist am richtigen Fleck! So ’ne geile Hymne! Sieben Songs gibt’s insgesamt zu hören, und die sind so schnell vorbei, dass man anschließend gleich wieder auf Repeat drückt. Neben Vuki gibt’s auch noch Guest Vocals von den Mädels aus Mobina Galore, was auch unheimlich spannend klingt! Melodic Hardcore-Punkrock at it’s best, dazu noch fett abgemischt, so dass jedes Instrument gut zur Geltung kommt. Bass, yeah! Verdammt geiles Ding!


Serpent – „Xoc de Mermats“ (BCore Disc) [Stream]
Aus der spanischen bzw. katalonischen Underground-Szene kommen immer wieder Bands, die man sich unbedingt anhören sollte. So auch Serpent aus Barcelona! Nach ’ner starken Demo, ’nem fetten Debut und einer tollen EP gibt’s nun weiteren Stoff der Band. Fünf Songs gibt’s auf die Ohren. Melodie, Groove und Härte sind hier vereint! Oh yeah, diese melodischen Gitarrenriffs und der gegenspielende Bass! Hört da unbedingt rein!


Spite House – „3 Song Promo“ (New Morality Zine) [Stream]
Und immer wieder stoße ich auf interessante Bands über das New Morality Zine! Diesmal sind es die kanadischen Spite House, die mich vom ersten Ton an in den Bann ziehen! Die Band ist erst kurz zusammen, drei Songs sind hier drauf zu hören und die Band hat schon ein Signal gegeben, dass im Jahr 2022 noch ein Album folgen soll. Darauf bin ich jetzt schon heiß, denn Spite House machen emotionalen und mitreißenden Emo-Core im Stil von Bands wie beispielsweise Samiam, Jawbreaker und Seaweed. So schön!


Wristmeetrazor – „Replica of a Strange Love“ (Prosthetic Records) [Stream]
Gleich bei den ersten Klängen vom dritten Album der Band Wristmeetrazor ist klar, wo die Band ihre musikalischen Vorbilder hat: Poison The Well, Hopesfall, This Day Forward, Underoath und andere Metalcore-Helden aus den guten alten Jahrtausendwenden-Zeiten. Fette Metalriffs, fieses Gekreische, wuchtiges Geballer, maximal abwechslungsreiche Songarrangements und unterschwellige Melodien! Textlich wird’s dann fast schon philosophisch, was will man mehr? Ich feier das Ding hier jedenfalls ab!


Bandsalat: Brutalligators, Damokles, Dead Years, Foxtails, Ruined, Teresa Banks & Cause A Riot

Brutalliagtors – „This House Is Too Big, This House Is Too Small“ (Beth Shalom Records) [Stream]
Wer mal wieder ein richtig ergreifendes Album mit tollen Melodien, traurigen Herzschmerzmomenten und pfiffigen Songarrangements hören möchte, dürfte mit dem Debutalbum der britischen Band Brutalligators wahrlich glücklich werden. Das Quartett ist irgendwo im Dreieck Midwest-Emo, gitarrenverliebtem Indierock und Punk unterwegs, Bands wie Samiam, The Promise Ring, Algernon Cadwallader oder The Get Up Kids fallen mir als Vergleiche ein. Die zehn Stücke strotzen dazu gerade auch textlich vor Trauer, Wut, Schmerz und Verlust. Aber auf jetzt, anhören und sich direkt verlieben!


Damokles – „Nights Come Alive“ (Vinter Records) [Stream]
Bisher veröffentlichte die aus Oslo stammende und im Herbst 2019 gegründete Band Damokles sechs Singles, mit Nights Come Alive ist nun das zehn Songs umfassende Debutalbum der Band erschienen. Die Band scheint voller sprudelnder Energie und Tatendrang zu strotzen, denn momentan arbeiten die fünf Jungs schon am zweiten Album. Dass die Jungs nicht aus dem Nichts kommen, war eh klar. Die Bandmitglieder tummeln sich schon jahrelang in der Osloer Underground-Szene, bisherige Bands waren This Sect, Kite, Dunderbeist, Endtimers, Contrarian und Melkeveien. Die Band schert sich wenig um Genrezugehörigkeit und mischt unter ihren hauptsächlich im 90’s Post-Hardcore/Emocore/Indie-Sound auch Rock, Metal und Post-Punk. Mich erinnert das ein wenig an Bands wie At The Drive-In oder Glassjaw.


Dead Years – „Selftitled“ (My Ruin) [Stream]
Nach ’ner Demo kommt das Bielefelder Trio mit seinem Debutalbum um die Ecke. Die zwei Herren und die Dame waren und sind noch in anderen Bands unterwegs, Ruins, Pointed, Mayak, Gloom Sleeper, Patsy O’Hara und Shoyu Squad wären da zu nennen. Nun, Dead Years spielen eine melancholische und treibende Mischung aus Punkrock, Post-Punk und etwas Hardcore, die Spielfreude ist hier deutlich zu hören. Der Sound ist knackig und etwas räudig, mal wieder die Tonmeisterei. Durch die male/female Vocals fühle ich mich an Bands wie frühe Monochrome oder Hysterese erinnert.


Foxtails – „Fawn“ (Skeletal Lightning) [Stream]
Auf dem mittlerweile vierten Longplayer der Screamo-Band aus Connecticut geht es wieder reichlich emotional zur Sache, lyrisch und soundtechnisch wird gelitten, was das Zeug hält. Vertonte Angst und Qual klangen selten so lebendig wie in diesen zwölf Songs. Der Gesang von Megan Cadena-Fernandez reicht von resignierten Spoken Words über leidendes Heulen bis hin zu verzweifeltem Geschrei. Zudem ist die Band vom Trio zum Quartett gewachsen, seit 2021 ist neben Drums, Bass und Gitarre auch eine Geige mit an Bord, welche das Drama noch größer erscheinen lässt. In die vielschichtigen und abwechslungsreichen Songarrangements kann man richtig eintauchen, knapp vierzig Minuten dauert das Kopfkino.


Ruined – „Everything Is“ (DIY) [Stream]
Die Schweizer Band Ruined startete irgendwann im Jahr 2019 als Soloprojekt, mittlerweile ist das One-Man-Band-Projekt zum Quartett angewachsen. Und das, was man auf dem 13 Songs umfassenden Debutalbum zu hören bekommt, läuft mir ziemlich gut rein. Man spürt beim emo-lastigen Sound deutlich den HC/Punk-Background der Bandmitglieder. Hier schwappt vom ersten Ton an die Spielfreude aus den Lautsprechern. Rasant und melodisch geht es zur Sache, dabei freut man sich immer wieder, wenn der Gesang zwischen clean und energisch pendelt. Als Einflüsse werden Turnover, Title Fight oder Basement genannt, ich sehe hier aber auch Parallelen zu Bands wie Lifetime, Hell & Back oder Audio Karate.


Teresa Banks & Cause A Riot – „Split EP“ (Shield Recordings) [Stream]
Hier habt ihr die Möglichkeit, mit einem Tonträger zwei fantastische finnische Bands zu entdecken, die beide ziemlich viel Pfeffer und Melodie im Gepäck haben. Das Quintett Teresa Banks kommt aus Helsinki und ist irgendwo zwischen melodischem Skatepunk und Melodycore unterwegs, dabei wird immer schön das Gaspedal gedrückt. Mehrstimmige Chöre runden das Ganze ab. Cause A Riot aus Järvenpää schlagen in die gleiche Kerbe, sind aber ein bisschen hardcorelastiger. Auch hier ist viel Melodie mit an Bord, Fans von Bands wie Good Riddance, Strike Anywhere oder As Friends Rust sollten hier mal ein Ohr riskieren.


Bandsalat: Dying Wish, Johnny Football Hero, Kaonashi, Raccoon City, Really From, This Too Will Pass

Dying Wish – „Fragments of a Bitter Memory“ (Sharp Tone) [Stream]
Auf die kalifornische Band Dying Wish bin ich irgendwann mal in der konzertlosen Zeit über hate5six aufmerksam geworden. Ganz schön bissig, dachte ich mir damals. Und wie’s der Zufall will, bin ich beim Bandcampen auf das Debutalbum der Band gestoßen. Und das ballert ordentlich! Die Frau am Mikro hat diesen fiesen Hass in ihrer Stimme, den man ihr zu jeder Zeit absolut abnimmt! Die Gitarren sind schön metallig, die guten alten Slayer lassen desöfteren grüßen. Blastbeats, Deathmetal-Riffs und Mega-Mosh-Parts mit wuchtigen Doublebass-Drums stampfen und walzen alles nieder! Walls Of Jericho, Killswitch Engage oder aber auch ClearXCut dienen als Referenzen. Laut aufdrehen und abgehen!


Johnny Football Hero – „Complacency“ (DIY) [Name Your Price Download]
Huch, was ist das bitteschön für eine wundervolle EP? Das Trio Johnny Football Hero kommt aus Philadelphia, Pennsylvania und macht einen fantastischen Mischmasch aus Midwest-Emo, gitarrenorientiertem fuzzy Shredder-Grunge, Post-Hardcore und Twinkle-Emo und klingt dabei sehr nostalgisch und melancholisch, aber auch sensationell einfallsreich. Schön kommen neben den fuzzy Gitarren auch die mehrstimmigen Vocal-Chöre. Gefühlvoll und glasklar bei den ruhigen Passagen, druckvoll und stürmisch bei den ruppigen Parts. Irgendwo zwischen SDRE, Joshua, Thursday, Algernon Cadwallader und den Couch Potatoes. Gleich noch die Debut-EP auf die Festplatte gezippt und ab geht die Post! Ich bin Fan!


Kaonashi – „Dear Lemon House, You Ruined Me: Senior Year“ (Equal Vision) [Stream]
Irgendwie war ich beim Bandcamp-Ausflug immer vom blutigen Coverartwork mit den gerupften Federn abgeschreckt, so dass ich nie den Play Button drückte und eigentlich eher zufällig mal reinhörte. Hab eigentlich Death-Metal erwartet, aber wenn erstmal der Play-Button gedrückt ist, dann gibt es kein Zurück mehr. Man wird in den Strudel eingezogen. Das Quintett kommt aus Philadelphia und mischt die Genres Post-Hardcore, Math, Metal, Screamo und etliches mehr. Das Resultat: hyperventilierende Vocals paaren sich mit psychotischem Sound, dabei klingt das alles darüber hinaus ziemlich geil, was auch an den RATM-mäßigen groovigen Parts und den melodischen Einschüben liegt. Intensiv anhören und vielleicht lieber mal dranbleiben! Geht nach einer sperrigen Abneigungsphase wirklich richtig gut ab!


Raccoon City – „For Nobody, Nowhere“ (Dog Knights Productions) [Stream]
Da taucht ’ne echt mal phänomenale Platte in etlichen End-Jahreslisten auf. Das hier haben eh alle auf dem Schirm, dachte ich. Im Freundeskreis dann ungläubige Gesichter anlässlich eines geposteten Videos von einer im Freundeskreis total unbekannter Band. Irgendwie wollte ich dieses herzzerreißende Album-Juwel viel früher über den Klee loben, aber da hat mein Feature-System auf ganzer Linie versagt. Emotional bis in die Haarspitze aufgeladen, melancholisch bis zum Anschlag! Friedlich, ruhig und traurig geht es los, brachial, lebhaft, chaotisch und immer mit 100 Volt auf der Batterie geht es weiter!


Really From – „Selftitled“ (Topshelf Records) [Stream]
Irgendwann im Herbst bin ich beim Bandcamp-Browsen auf die Band Really From aus Boston, Massachusetts und ihr selbstbetiteltes Album gestoßen. Was da aus den Kopfhörern an meine Ohren drang, nahm mich sofort in Beschlag. Auch wenn es sich ein bisschen verrückt anhört, die Band macht eine Mischung aus Jazz, Emo, Indie, Math und Punk. Was unter einen Hut gebracht jedoch erstaunlich rund klingt! Die etwas sperrigen Songarrangements muss man sich langsam erarbeiten, dabei hilft die warme Gesangsstimme der Sängerin. American Football, Joan Of Arc und Fugazi dürften jedenfalls große Einflüsse sein!


This Too Will Pass – „Effects On Perception“ (DIY) [Stream]
Nach fünf Jahren releastechnischer Pause und einem Besetzungswechsel am Bass gibt es neuen Stoff aus dem Hause This Too Will Pass aus Hamburg. Es sind zwar nur drei Songs, aber die reißen mich genauso mit, wie der bisherige Output der Hamburger. Schade, lifeisafunnything hätte da sicher eine schnuckelige 7inch draus gemacht, so muss man sich halt erstmal digital vergnügen. Hab die Hoffnung allerdings aufgegeben, dass sich in der von der Vinylkrise geplagten Labelszene irgendein DIY-Label findet, das aufopferungsbereit Vinyls von Bands wie This Too Will Pass pressen würde. Verzweifelt klingt das hier, ohne jede Hoffnung, das ganz große Drama! Exzellenter Post-Hardcore mit Screamo-Einlagen, Herzblut und Spielfreude permanent mit an Bord!