Bandsalat: Convince, Elm Tree Circle, Gouge Away, Ich bin Vbik, Jiyuna, Karina Kvist, Farbenflucht, Laura Jane Grace And The Devouring Mothers, Satelles

Convince – „Eden“ (Enrage Records) [Stream]
Die Band aus Moskau/Russland hat nun in den letzten Jahren schon zwei Mal Stopp bei mir um die Ecke im Jugendhaus Weingarten gemacht, und beide Male haben die Jungs den totalen Abriss hingelegt. Wahnsinn! Und dass sie überhaupt den weiten Weg hierher und auch noch viel weiter geschafft haben, das haben sie dem abgefuckten Tourbus zu verdanken, mit welchem schon viele russischen Bands durch die Gegend getuckert sind. Das Ding ist so berühmt, dass es auf den Namen Gazelle Of Death getauft wurde und es sogar einen Comic zu der Karre gibt, eine Film-Doku ist ebenfalls in der Mache. Jedenfalls bolzt die 2009 gegründete Band auch auf dem neuen Longplayer alles weg. Ihr bekommt eine schöne Walze mit einer ordentlichen Schippe Dreck geliefert. Da dürfte jedem Neo-Crustie und D-Beat-Fan die Augen leuchten. Zwischendurch gibt es auch noch schönes Black-Metal-Gehacke und Blackened Hardcore-Einflüsse, dabei bleiben die Gitarren immer schön melodisch. Die in russischer Sprache gegrunzten Vocals haben ebenso düstere Inhalte, auf Bandcamp lassen sich die Lyrics in der englischen Übersetzung nachlesen. Beim Song Der Tanz der Todesschwadron werden sogar ein paar Zeilen in deutscher Sprache gekeift. Also, falls die Band wieder auf Tour kommen sollte, dann lohnt sich absolut ein Besuch einer Show. Ich hoffe, dass die Gazelle Of Death auch bei der nächsten Tour bei uns im Dorf aufkreuzt!


Elm Tree Circle – „The Good Life“ (Krod Records) [Stream]
Ziemlich amerikanisch klingen Elm Tree Circle aus Iserlohn auf ihrem Debutalbum. Das vierzehn Songs starke Ding dockt auf Anhieb am Gehörgang an und hält Dich im Verlauf des Albums bei der Stange. Melancholische Gitarren treffen auf ebenso emotionalen Gesang, dabei geht es in den Texten um Herzensangelegenheiten, Liebe, Trennung, Schmerz und Wut. Bitte, lasst euch dadurch nicht abschrecken, denn Elm Tree Circle treten dabei nicht in den Schmalztopf, sondern bringen das Ganze mit viel Spielfreude und Leidenschaft rüber, so dass die Punkrock-Kante noch deutlich erkennbar ist. Das macht sich auch in den kurzen Songlängen bemerkbar. Wenn ihr auf Bands wie Modern Baseball, Citizen oder Tigers Jaw könnt, dann solltet ihr hier mal ein Ohr riskieren!


Gouge Away – „Burnt Sugar“ (Deathwish) [Stream]
Also, ich hatte die Band eigentlich etwas rasender in Erinnerung. Zumindest auf ihrem Debutalbum ,Dies pfefferten die drei Jungs und das Mädel am Mikro ein schnelles Hardcore-Brett nach dem anderen vor den Latz. Keine Angst, die Band hat durch das Drosseln des Tempos aber keinesfalls an Wucht, Angepisstheit und Wahnsinn verloren. Eher im Gegenteil! Bass und Schlagzeug bilden ein unvorhersehbares rhythmisches Grundgerüst, die Gitarren rotieren wie verrückt und Sängerin Christina Michelle fackelt auch nicht lange und keift ihren ganzen Ärger raus. Was dabei rauskommt, ist ein hochexplosiver Hardcore-Batzen, der dazu noch roh und räudig klingt und mit massig Noise, Grunge, Indie und Punk gewürzt ist. Muss man sich anhören, da kommt man nicht dran vorbei. Mal wieder grandios von Jack Shirley gemastert.


Ich bin Vbik – „Warten auf das letzte Jahr“ (DIY) [Stream]
Auf das Debutalbum dieser Band aus Koblenz bin ich mal wieder beim Bandcamp-Surfen gestoßen. Was unter „Vbik“ zu verstehen ist? Ich hab es nicht rausgefunden. Das Übersetzungsprogramm meint, dass dies russisch wäre und mit Wicking ins Deutsche übersetzt wird. Das Wort hab ich noch nie gehört. Ich bin Wicking? Ergibt irgendwie alles keinen Sinn. Anhand der deutschen Texte hab ich auch nix rausgefunden. Die Texte lesen sich jedenfalls sehr persönlich, hier geht es um das menschliche Leben mit all seinen melancholischen Begleiterscheinungen. Die Musik dazu ist dann passend zu den Texten ebenso intensiv. Zwischen krachigen Post-Hardcore, Screamo und Punk passen auch immer wieder ruhigere Post-Rock-Klänge, die die Melancholie und Verzweiflung noch unterstreichen. Die Band selbst gibt als Referenzen Turbostaat und Alexisonfire an, Turbostaat lässt sich meiner Meinung nach aber nirgends raushören, vielleicht sind da die deutschen und sehr guten Lyrics gemeint. Ich würde eher noch Fjort als Vergleich bringen. Für ein selbstreleastes Album ist das Niveau jedenfalls schon ziemlich hoch, gerade im Bezug auf das Songwriting kommt da bei den zehn Songs keinerlei Langeweile auf, obwohl manche Songs epische Songlängen haben. Einziger Kritikpunkt ist vielleicht die etwas lasche Produktion, mit einem Tacken mehr Schmackes wäre da noch einiges mehr rauszuholen. Ich bin Vbik muss man also im Auge behalten!


Jiyuna – „This Desolate Veil“ (IFB Records) [Stream]
Dieses Release hat bereits über ein viertel Jahrundert auf dem Buckel und erschien damals nur als holzvertäfelte CD, seit Kurzem gibt es den Leckerbissen auch auf Vinyl. Jiyuna kamen aus Florida und existierten ca. elf Jahre und machten intensiven, sehr emotionalen Screamo und waren von Bands wie Funeral Diner, Envy oder Reversal of Man beeinflusst. Tja, und das kann man auch deutlich hören. Die Gitarren und der eigenwillige Bass ergeben zusammen mit den dynamischen Drums und dem verzweifelten Schreigesang ein oldschooliges Feeling ab, dass es eine wahre Freude ist. Dazu noch die raue Produktion und ihr macht direkt eine Zeitreise zur Jahrtausendwende! Wer auf Bands wie Instil, Serene und eben die bereits genannten abfährt, dürfte auch Gefallen an Jiyuna finden!


Karina Kvist & Farbenflucht – „Split EP“ (DIY) [Name Your Price Download]
Hier bin ich vor einiger Zeit mal beim Bandcamp-Surfen drauf gestoßen, leider verschwand das abgelegte Lesezeichen zwecks geplanter kleiner Rezi im völlig unübersichtlichen Lesezeichenordner. Neulich dann glücklicherweise doch noch beim PC-Großputz drübergestolpert. Nun, mittlerweile ist diese Split ja schon einige Zeit erhältlich und einige von euch werden das Ding womöglich sogar bereits auf Vinyl besitzen, aber egal! Denn bei diesem Release sitzt das Herz am richtigen Fleck, zudem ist hier zeitlos gute Musik drin! Ich schreibe diese Zeilen anhand der digitalen Version, auf Vinyl ist diese Split sicher noch um einiges eindrucksvoller, da es sich um ein astreines DIY-Release handelt. Über Karina Kvists 2016er EP konntet ihr bereits an anderer Stelle etwas lesen. Die Band aus Bamberg hat vier Songs im Angebot, davon werden zwei in deutscher und zwei in englischer Sprache vorgetragen. Mit dem Song Kreis bekommt man sofort dieses Glitzern in die Augen: der Song beginnt mit einem wunderbaren Emocore-Bass, dann setzen fast gleichzeitig Gitarre und leidender Gesang ein. Das wechselseitige Geschrei steht dem Song gut zu Gesicht, das hier ist intensiver emotive Screamo, da denkt man gleich an Bands wie z.B. Manku Kapak. Beim zweiten Song kommen dann sogar noch hallige Delay-Post-Rock-Gitarren dazu, das laut/leise-Schema sorgt ebenfalls für reichlich Gänsehaut. Auch die nachfolgenden Songs überzeugen voll und ganz, Karina Kvist sollte man im Auge behalten! Bei Farbenflucht handelt es sich um eine Band aus Halle (Saale). Geboten wird deutschsprachiger emotive Screamo, der auch ein paar Knüppelparts mit an Bord hat. Gefällt außerordentlich gut, was die vier Jungs da machen. Die drei Songs preschen gut nach vorne, es gibt aber immer wieder Verschnaufpausen mit schönen Rückkopplungen und wabernden Gitarren. Diese Split müsst ihr euch unbedingt anhören!


Laura Jane Grace And The Devouring Mothers – „Bought To Rot“ (Bloodshot Records) [Stream]
Mein erster Gedanke war: ach nee, bitte nicht noch eine weitere Frontperson einer erfolgreichen Punkband – im diesem Fall Laura Jane Grace von Against Me – mit einer lahmen Soloplatte, womöglich noch mit Brechreiz erzeugenden Country-Verweisen. Nun, letzteres lässt sich wohl nicht ganz vermeiden, dennoch ist Bought To Rot alles andere als lahm ausgefallen. Anhand des witzigen Albumartworks mit eingebundener Social Media-Konversation lässt sich bereits vermuten, dass sich Laura Jane Grace zumindest optisch etwas anderes als das typische Punk-Layout ihrer Hauptband vorstellte. Auch musikalisch und textlich werden andere Wege eingeschlagen, deshalb ist das Ganze ja auch keine Against Me-Platte, obwohl es manchmal stark danach klingt. Dass mein erster Gedanke völlig neben der Spur lag, wird gleich beim Opener China Beach klar, denn dieser eröffnet das Album mit Radau und fetzigen Gitarren. Die Backing-Band The Devouring Mothers setzt sich übrigens aus Against Me Schlagzeuger Atom Willard und dem langjährigen Against Me-Produzenten Marc Jacob Hudson zusammen. Die 14 Songs sind wohl alle auf den Roadtrips der Band im Tourbus, im Hotel und teilweise auch zuhause in Chicago entstanden. Gerade, wenn man unterwegs ist, ist man seinen Gedanken gnadenlos ausgesetzt und hat Zeit, in sich zu kehren. Liegt der Schwerpunkt der Texte von Against Me eher in anprangerndem politischem Aktivismus, so lesen sich diese Texte um einiges milder. Auffallend ist hier diese schonungslos ehrliche, sehr intime und persönliche Note, die Texte wirken so als ob durch das ‚von-der-Seele-schreiben‘ etwas abgestreift wurde, ähnlich der gehäuteten Schlangenhülle auf dem Backcover. Die Gitarren haben diesen rotzigen Indierock-Klang drauf, der Rock-Charakter steht im Vordergrund. Wer gern tiefgehende Lyrik in Kombination mit rockig-bluesigem Indie und einem Schuss Punk mag, der ist hier goldrichtig. Und mit Reality Bites ist dann auch noch eine astreine Punk-Hymne mit von der Partie.


Satelles – „Some Got Saved“ (Pongo Pongo Collective) [Stream]
Yep, das hier ist mal wieder genau der Sound, den ich um die Jahrtausendwende herum stark abgefeiert habe. Satelles kommen aus Budapest/Ungarn und haben mich bereits in der Vergangenheit mit ihren Releases begeistern können. Some Got Saved handelt vom Leben der post-sowjetischen Generation nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Vom Sound her erinnert das stark an Bands wie Newborn oder Bridge To Solace, die Jungs kommen ja auch aus demselben Umfeld. Schön melodisch wird hier runtergebrezelt was das Zeug hält. So muss melodischer Hardcore klingen, immer mit diesem melancholischen Unterton in den Gitarrenriffs. Wenn ihr Bands wie eben Newborn, Bridge To Solace oder den ersten beiden Stretch Arm Strong-Releases nachtrauert und Kapellen wie Shai Hulud verehrt, dann solltet ihr bei den Klängen der Band Satelles breit grinsend die Arme in die Höhe strecken. Geiles Ding, kann man in Endlosschleife packen!


 

Crowning & Swallows Nest – „Split“ (Dingleberry Records, Time As A Color u.a)

Wenn Schlichtheit bildlich dargestellt werden sollte, dann wäre diese 7inch sicher ein gutes Beispiel dafür. Natürlich nur rein äußerlich gesehen. Und das auch nur ohne jegliches Hintergrundwissen, was letztendlich zu diesem Artwork samt spärlicher Aufmachung geführt hat. Denn da steckt bekanntlich entweder gar nichts (wir hatten gerade dieses eine Foto auf der Festplatte, ein anderes hatten wir einfach nicht zur Hand) bis hin zur unglaublichen Story (ein Freund von uns erstickte fast an dieser Schnake, er hustete wie verrückt und auf einmal lag da dieses eklige Insekt vor uns auf dem Tisch. Irgendjemand hat das dann fotografiert und liebevoll die üblen Kotzflecken vom Original wegretuschiert. Und weil gerade niemand ’ne andere Coveridee am Start hatte, waren alle so yeah) dahinter. Nun, die offensichtlich umgekommene und künstlerisch in Szene gesetzte Schnake wird die wahre Geschichte hinter dem Cover auch nicht mehr ausplaudern können, soviel ist sicher.

Okay, kommen wir lieber mal zum Scheibchen selber, das in meinem Fall ungewöhnlicherweise mit unbedruckten, blanken Labels auf dem Plattenteller landet. Crowning ist eine ziemlich neue Band aus Chicago, die aus der Asche der Band Pregnancy Pact hervorgegangen ist. Bisher ist eine EP der vier Jungs und der Frau am Bass erschienen. Und ich verspreche euch, nachdem ihr diese drei Songs hier gehört habt, werdet ihr auch die EP gierig auf eure Festplatte zippen. Nach einer kurzen Rückkopplung geht es direkt mit chaotischem Screamo im Stil von Bands wie Loma Prieta oder Dangers los. Die Gitarren spielen Dich schwindlig, die Drums sind unberechenbar und wechseln spielerisch von rasend schnell zu walzenden Midtempo-Moshparts. Und dann der Bass, hört mal nur den Anfang vom Song Old References, zu dem wurde übrigens auch noch ein abgefahrenes Video mit Hunden abgedreht. Ich liebe dieses Zusammenspiel der melancholisch gespielten Instrumente, dazu der verzweifelte Schreigesang und die immer spürbare Energie. Nach dem letzten Song Nerves setzt man wie in Trance die Nadel an den Anfang zurück, gerade auch deshalb, weil die drei Songs nur eine Gesamtspielzeit von etwas über viereinhalb Minuten haben. Wahnsinn, diese Band sollte man im Auge behalten.

Auf der B-Seite sind Swallows Nest mit dem Song A Subtle Knife for New Doors vertreten. Die wohl relativ neue Band aus Dunedin/Neuseeland hat einige Mitglieder an Bord, die man bereits aus Bands wie Machine Rex, Yung Nat$, мятеж, The World That Summer und Gali Ma kennt. Nun, Swallows Nest gehen die Sache etwas entschleunigter an und lassen sich innerhalb des über vier Minuten dauernden Stücks genügend Zeit. Die Gitarren schwurbeln und drehen sich langsam und doomig vor, der wechselseitige Frau/Mann-Gesang bringt Abwechslung in die Sache. Nach der Hälfte des Songs zieht das Tempo ein wenig an und es bricht ein bisschen Chaos aus, trotzdem schlittert die Band im letzten Drittel wieder in dieses groovig doomige und verdammt heavy klingende Massaker. Schon anhand der am Release beteiligten Labels (Dingleberry Records, Time As A Color, Zegema Beach Records und IFB Records) erkennt man, dass hier Qualität drin steckt. Checkt das Scheibchen unbedingt mal an!

8/10

Bandcamp / Dingleberry Records / Time As A Color


 

Splitstorm: Aureole Of Ash & Jøtnarr 7inch, .Gif From God & Vein 7inch, Eaglehaslanded & Left To Starve 12inch

Aureole Of Ash & Jøtnarr – „Split 7inch“ (Dingleberry Records u.a.)
Na, bei diesem Coverartwork ist es unschwer zu erraten, was die beiden Bands wohl für ’nen Sound fabrizieren. Grindcore, Powerviolence, Emocrust, Powergrind yeah! Die 7inch erscheint in Zusammenarbeit der Labels Dingleberry Records, React With Protest und ifb records. So ’nen Sound höre ich ja mit Vorliebe live, umringt von Nieten und Spikes, das gibt immer so ein schönes Gefühl in den Bauch, da beamt man sich gerne in Zeiten zurück, als Bands wie ABC Diabolo, Concrete Sox oder Chronical Diarrhoea die Juzes auf den Dörfern zum Brodeln brachten. Jedenfalls ist es für mich eine kleine Herausforderung, die Vinylseiten aufgrund der blanken Labels den richtigen Bands zuzuordnen. Aufgrund der Anzahl der Songs gelingt das dann doch, Aureole Of Ash bolzen nämlich vier Songs runter, während es Jøtnarr gerade mal auf zwei Stücke bringen. Aber beginnen wir mit Aureole Of Ash. Dieses Trio stammt aus Münster und die Sängerin klingt wie Mille Petrozza von Kreator zu Pleasure To Kill-Zeiten. Diese Ähnlichkeit ist mir jetzt aber nur wegen der ebenfalls an die Pleasure To Kill-Ära erinnernde Gitarrenarbeit vom Opener aufgefallen. Denn insgesamt fahren die Münsteraner ein schön sattes Powergrind-Brett, das keine Verschnaufpausen lässt. Die paar Rückkopplungspausen zählen nicht wirklich! Hier wird gehackt, eine wahre Freude! Textlich wird auf die Festung Europa abgehasst, das kapitalistische System und Religion erfahren auch die unbändige Wut des Trios. Ach ja, die vier Songs sind eigentlich remasterte Demoaufnahmen. Jøtnarr kommen aus Colchester/UK und klingen etwas, nun ja, sperriger. Hier dürften neben Neocrust und Grindcore auch Einflüsse aus Sludge und Blackmetal dabei sein. Nichtsdestrotrotz überzeugen die zwei Stücke mit einer sagenhaften Dichte. Hier wird wie wahnsinnig die Keule geschwungen, ziemlich fett. Nach ein paar Runden hat man die Songs dann trotz der Sperrigkeit auf dem Schirm und würde sich diese Wucht auch gern mal live reinziehen. Die zwei Songs erschienen wohl bereits als Tape und CD im Jahr 2013, aber mir taugt so ein Sound auf Vinyl natürlich tausendmal mehr.
Stream / Dingleberry Records


.Gif From God & Vein – „Split 7inch“ (Dingleberry Records)
Dieses kleine Scheibchen sieht rein äußerlich schon ganz schön mysteriös aus, man vermutet zuerst ein Industrial-Release, bis man entdeckt, dass sich hier zwei Bands die Ehre geben. Zum einen sind das Dotgif Fromgod, bisher eher geläufig als .Gif From God, zum anderen ist das die Band Vein. Jedenfalls tut man sich aufgrund des Coverartworks etwas schwer, dies auf Anhieb zu erkennen. Also einfach mal Scheibchen rauskramen und auf den Plattenteller klatschen, die Plattenlabels sprechen eine deutlichere Sprache, hier erkennt man sofort, mit welcher Band man es zu tun hat. Übrigens flattert aus der Hülle noch ein kleines Zettelchen raus, auf dem man erfährt, dass es sich um ein Co-Release der Labels Dingleberry Records, Zegema Beach Records, Longrail Records, Structures//Agony und Contrition Records handelt. Nun, den Anfang machen .Gif From God, die mit einer auf dem Plattenlabel aufgedruckten Kreissäge gleich mal vorwarnen, was man gleich zu hören bekommt. Die Band aus Richmond/Virginia verschaffte sich mit ihrem ersten offziellen Release .​.​.​Defragmented​.​.​.​Reformatted schon reichlich Aufmerksamkeit, es hagelte Vergleiche mit Orchid, Converge, Jerome’s Dream oder Combatwoundedveteran. Und in der Tat, die zwei dargebotenen Songs haben eine unglaubliche Power, die der der genannten Bands nicht unähnlich ist. Die Gitarren sägen und kreiseln, der Schlagzeuger kann alles zwischen Highspeed, Clapping und arhythmischem Chaos, beim Gesang wird ebenfalls gewütet und gerotzt. Störgeräusche und Elektronikspielereien machen das Ganze etwas spooky, die Texte tun ihr übriges. Leider liegt kein Textblatt bei, aber auf Bandcamp sind die Lyrics verfügbar (auch die von Vein). Knapp über fünf Minuten Spielzeit, totaler Abriss! Vein aus Boston schlagen musikalisch in die gleiche Kerbe, was man unschwer an der auf der B-Seite aufgedruckten Keule (ist das Lucille?) unter dem Bandschriftzug erkennt. Die Jungs treiben ja auch schon seit ein paar Jährchen ihr Unwesen, nach zwei EP’s gibt es hier vier Songs zu hören, die übrigens auch noch als eigenständige 7inch unter dem Titel Self Destruct beim Label Closed Casket Activities erschienen sind. Vein klingen schön frickelig und erinnern dabei an Bands wie The Locust, Botch oder auch neueren Bands wie Code Orange Kids. Schon witzig, beide Bands sind voll in diesem 90er-chuggachugga-Genre verwurzelt, das man zu dieser Zeit als HC-Kid eher dem Metalcore zuordnete. Heutzutage fühlt es sich aber gerade wieder umgekehrt an, wahrscheinlich gerade auch, weil beide Bands einen spürbaren Punk/HC-Background haben. Schöne Walze, solltet ihr euch mal reinpfeifen!
Stream / Dingleberry Records


Eaglehaslanded & Left To Starve – „Split 12inch“ (Dingleberry u.a.)
Auf diesem feinen DIY-Release teilen sich Eaglehaslanded aus St. Petersburg/Russland und Left To Starve aus Karlovac/Kroatien ein 250 Gramm schweres, schwarzes Vinylscheibchen. Das Cover besteht aus einem schwarzem, halb gefalteten Karton, der auf der Frontseite mit silbernen Blumen (Silberdisteln?) und auf dem Backcover mit den Bandnamen und den jeweiligen Songtiteln ebenfalls in silber besiebdruckt ist. Im Inneren findet sich ein handliches Textblatt, die kroatischen Lyrics der Band Left To Starve liegen praktischerweise in der englischen Übersetzung vor. Am Release beteiligt sind neben Dingleberry Records die Labels Mosh Potatoes, Mad Schnauzer, HC4Losers und Summercide. Eaglehaslanded eröffnen die A-Seite mit nervigem Nintendo-Gedudel, als Intro ist das für meine Ohren gerade noch erträglich. Entschädigung erhält man im direkt darauffolgenden Song. Hier covern die Jungs einen Song der Band Phoenix Bodies und bleiben dabei ziemlich nahe am Original. Bevor es mit einer weiteren Coverversion weitergeht, malträtieren Fabrikhallen-Störgeräusche die Ohren. Dafür fetzt das Pixies-Cover vom Song Something Against You umso besser durch, das hat was Ministry-mäßiges, v.a. die Gitarren rotieren hier ordentlich. Das folgende Füllmaterial stört dann ausnahmsweise mal nicht und leitet perfekt in das stürmische Judgement Day über. Zieht man die ganzen Interludes ab, bekommt man hier also drei geile Songs geboten. Left To Starve kannte ich bisher nicht, die Band ist ziemlich düster unterwegs. Die drei Songs werden von kläffendem und tiefergelegten Growl-Gegrunze begleitet, so dass man gar nicht wahrnimmt, dass die Jungs kroatische Texte haben. Die englische Übersetzung zeigt, dass die Textinhalte ebenfalls dunkel und abgründig sind. Klingt sehr heavy und ist musikalisch irgendwo zwischen Grind, Crust, Sludge, Hardcore, Punk und Screamo einzuordnen. So, aber jetzt muß ich mal wieder die Surfer Rosa von den Pixies anhören, lange nicht mehr gehört.
Stream Eaglehaslanded / Stream Left To Starve


 

мятеж & Kelut – „Split 12inch“ (Dingleberry Records u.a.)

Das hier sieht wieder mal nach einem astreinen DIY-Release aus: zwei Bands teilen sich ’ne Scheibe, eine der Bands ist mir schon ein paar mal auf diversen anderen Split-Scheiben untergekommen, die andere war mir bisher nicht bekannt. Dazu sind auf dem Backcover einige Logos von einschlägigen DIY-Qualitätslabels aufgedruckt, die am Release beteiligt sind. Neben Dingleberry Records sind das Zegema Beach Records, IFB Records, Dead Tank, Dead Punx Records und Friendly Otter. Auf Front-und Backcover ist in schöner schwarz-weiß-Optik der Kontrast zwischen Industrialisierung (Zahnrad) und der modernen Zivilisation (Wolkenkratzer) dargestellt. Das lässt viel Spielraum für Interpretationen offen.

Jedenfalls bin ich ziemlich überrascht, als die ersten Klänge der A-Seite ertönen. Wie geil, ein auf das Label gestempeltes Herzchen markiert die A-Seite, die B-Seite ist logischerweise mit zwei Herzchen markiert. Nun, мятеж traten bisher sehr brachial auf, daher reibe ich erstmal ungläubig die Augen, nachdem die warmen Klänge des Intros meine Ohren streicheln. Sehr melancholisch drehen sich die Gitarren wie ein Mantra ins Gehör. Die spirituelle Yoga-Atmosphäre nimmt jedoch mit dem zweiten Song ein jähes Ende, denn hier wird gebolzt (Drum-Computer, fast Industrial-Style…Ministry lassen grüßen), was das Zeug hält. Dazu gesellt sich fieses Wutgeschrei. Plötzlich wird es wieder ruhiger, spoken words und gesampelte Vocalfetzen dringen aus dem Off an die Ohren. Irgendwie klingt das nach einer wunderbaren, apokalyptischen Soundlandschaft. Das hier gefällt mir um Längen besser, als das, was die Band bisher fabriziert hat. Auch das nachfolgende The Dark Ages 2.0 hat eine dichte Atmosphäre. Und im letzten Stück wird dieses chaotische Screamo-Geblaste mit Spoken Words und lieblichen Post-Rock-Klängen – sogar mit Piano – kombiniert, wow!

Bei Kelut wirken wohl Leute der Band Yusuke mit und laut Aussage vom Label wird das hier das einzige Output der Band aus Peoria/Illinois bleiben, aktuell ist den Jungs wohl ein Gitarrist abgekommen. Die sechs Jungs fabrizieren auf der B-Seite jedenfalls das absolute Screamo-Brett, jeder Song ist mit manischem Doppel-Dreifach-Geschrei ausgestattet. Die ellenlangen Songtitel in italienischer Sprache deuten bereits darauf hin, dass die Jungs nicht mehr alle Tassen im Schrank haben können. Krass chaotisch kreisen die Gitarren, neben den Highspeed-Passagen lockern aber immer wieder schön melodische Zwischenparts mit zauberhaften Gitarren die Sache etwas auf. Auf dem beiliegenden Textblatt ist zu erkennen, dass sowohl auf Englisch als auch auf Italienisch gebrüllt wird, eine Übersetzung der Italienischen Texte ist ebenfalls vorhanden, vorwiegend werden Themen wie Angst, die verkommene Gesellschaft oder persönliche Probleme behandelt. Solltet ihr auf Zeugs wie eben Yusuke, Saetia oder Orchid abfahren, dann werdet ihr das hier lieben!

8/10

Bandcamp / Dingleberry Records


 

Bandsalat: Autarch, Landbridge, Clowns, Dakhma, Down Love, It’s Not Not, Long Distance Runner, Shallov, Yöu

Autarch & Landbridge – „Split“ (IFB Records) [Name Your Price Download]
Autarch kommen aus North Carolina und zerlegen nach einem Midtempo-Intro direkt die Bude. Kann man eigentlich mit wenigen Worten beschreiben: rasend schnell, aber dennoch schön melodisch nach vorne gehender Emocrust mit keifendem Sänger und rotziger Kante, walzende Einschübe und Klimperparts inklusive. 3 Songs, 17 Minuten Spielzeit, gefällt mir super! Landbridge kommen aus Florida und schlagen in die gleiche Kerbe und die vier Songs bringen es auf eine Spielzeit von 18 Minuten. Verdammt intensiv gespielte Neo-Crust-Gitarren treffen auf Crashbeckenlastiges Schlagzeug. Hier sticht der Doppelgesang (male/female Vocals) heraus. Fans von Bands wie From Ashes Rise oder Tragedy sollten dieses Release unbedingt mal anchecken!


Clowns – „Lucid Again“ (This Charming Man Records) [Stream]
Verdammte Hacke! Diese Band aus Australien ist bisher völlig unerklärlich an mir vorbeigezogen. Kann ich gar nicht glauben, denn die neun Songs sind dermaßen geil! Und trotzdem hält sich die Mundpropaganda in Grenzen. Mal sehen, wie lange. Messerscharfe Gitarren verbünden sich mit wildem Getrommel, der Sänger ist ’ne richtige Frontsau. Den Sound der Australier kann man eigentlich gar nicht so gut beschreiben…Völlig losgelöst irgendwie! Stellt euch einfach mal eine Band vor, die das Beste aus Bon Jovi, Nirvana, Guns ’n’Roses, Kid Dynamite, Billy Talent, Lifetime und frühen Death By Stereo rausholt und das alles mit sehr viel wumms und Freude vorträgt. Rotzige Riffs, melodische Moves und sagenhafte Solis sorgen für reichlich Abwechslung. Unglaublich! Diese Band könnte richtig groß werden! Checkt das unbedingt an!


Dakhma – „Suna Kulto“ (IFB Records/Halo Of Flies) [Name Your Price Download]
Auf den bisherigen Releases der Band aus Michigan hielten sich die Songlängen in Grenzen, Suna Kulto besteht jedoch gerade mal aus zwei Songs, die jeweils an der 20-Minuten-Grenze schrubben. Das Stück East beginnt mit schönen Post-Rock-Klängen, irgendwie erinnert mich dieses Intro vom Aufbau und den Gitarren her an Bands wie We Never Learned To Live oder Earth Moves, gerade bei den „bedächtigeren“ und melancholischen Passagen, die das vorwiegend heftige Crust/Screamo/Blackmetal-Geknüppel etwas auflockern. Teilweise haben die Drums irgendwas beruhigendes an sich und klingen einlullend wie eine Dampflock, die mit Hochgeschwindigkeit über ein verrostetes Schienengleis durch die Nacht rattert. Das gespenstische Gekreische von Sängerin Claire setzt dem Ganzen dann noch die Krone auf und trotz des rasenden Tempos klingt das Ganze schön atmosphärisch mit unterschwelligen Melodien. Horcht mal rein, es lohnt sich!


Down Love – „Trust“ (Boss Tuneage) [Stream]
Down Love kommen aus Kingston Upon Thames, das ist ein Stadtteil von London. Die vier Jungs klingen aber sehr amerikanisch und machen mitreißenden Emocore mit hohem Punkrockfaktor und einigen Hardcore-Verweisen. Erinnert an alte Helden wie Brand New Unit, Hot Water Music, Samiam, Jawbreaker oder Bad Trip. Ihr bekommt elf kurzweilige Songs geboten, die die richtige Mischung zwischen Emotionalität, Power, Melodie und Intensität ausloten. Zuckersüße Gitarren und treibendes Schlagzeug, tolle Melodien und ein Sänger, der sich nicht scheut, auch mal kraftvoll ins Mikro zu jauchzen. Gefällt mir sehr gut!


It’s Not Not – „Fool The Wise“ (BCore) [Stream]
Die Mucke der katalanischen Band It’s Not Not konnte mich einst nicht so richtig packen. Irgendwie taugte mir das Disco-Punk-Zeugs der Band nicht so, damals vergötterte ich eher die Sachen, die die Bandmitglieder in ihren bisherigen Bands (Dies Irae, Tokyo Sex Destruction, Standstill und The Unfinished Sympathy) so fabrizierten. Deshalb war ich positiv überrascht, als die ersten Töne des neuen Albums meine Kopfhörer fluteten. Neun Jahre sind seit der letzten Veröffentlichung verstrichen. Da hat sich einiges getan, denn mittlerweile hören sich die Katalanier mehr nach Q And Not U, The Van Pelt oder diversen Dischord-Bands an. Sehr schönes Album, das hol ich mir irgendwann auf Vinyl!


Long Distance Runner – „No Value“ (DIY) [Stream]
Immer diese Bandcamp-Entdeckungen! Long Distance Runner kommen aus Neuseeland, dem Land der Hobbits. Jaja, es gibt Leute, die das Auenland tatsächlich mit der Stadt Auckland verwechseln. Jedenfalls handelt es sich bei Long Distance Runner um eine ziemlich junge Band, No Value ist das erste Release der Band. Die Bandmitglieder sind wohl noch in anderen Bands aktiv, was man auf diesen sechs Songs auch hören kann. An Spielfreude und Fingerfertigkeit mangelt es den Jungs jedenfalls nicht. Geboten wird mitreißender Screamo/Post-Hardcore mit schneidenden Gitarren, viel Crashbecken und leidendem Geschrei. Wenn ihr auf das Zeug von Touché Amore oder La Dispute könnt, dann solltet ihr mal ein Öhrchen riskieren.


Shallov – „Concrete & Glass“ (Ingot – Andrejco Records) [Name Your Price Download]
Shallov kommen aus Bratislava/Slowakei und machen eine Mischung aus Screamo, Emo und etwas Post-Rock. Insgesamt vier Songs sind auf der zweiten Veröffentlichung der drei Jungs enthalten, mit einer Spielzeit von 33 Minuten und Songlängen über 7 Minuten kann man sich ungefähr vorstellen, wo die Reise hingeht. Auf der einen Seite kommen hoch emotionale Passagen mit leidendem Gesang daher, dazwischen stellen sich melancholische Parts, die etwas trostlos und düster erscheinen. Die musikalische Stimmung ist durch das Coverartwork jedenfalls genau getroffen. Hört da unbedingt rein oder zippt euch die vier Songs zum Name Your Price Download direkt auf die Festplatte.


Yöu – „We Sing The Blues​.​.​.“ (Deny Records) [Name Your Price Download]
Oh yeah, es gibt immer wieder Bands, die aus dem Nichts zu kommen scheinen, von denen man niemals was mitbekommen hätte, wenn es dumm gelaufen wäre. Über Yöu bin ich glücklicherweise mal wieder beim ausgiebigen Bandcamp-Surfen gestolpert. Jaja, das Cover in Verbindung mit den Schlagworten emotive Post-Hardcore und Screamo verlockten mich sofort. Und ab dem ersten Ton gibt es kein Halten mehr. Geboten wird sieben Mal mitreißender, intensiver Post-Hardcore mit tollen Gitarren und hammergeilen Bassläufen und natürlich mit durchdringendem, emotionsgeladenen Gesang. Das Trio ist näher am 90’s Emo dran als am Screamo, zudem gefällt die rotzige Punkkante. Für Fans von 1000 Travels Of Jawaharlal, Furtive Forrest, Yaphet Kotto oder Kidcrash ist das ein Fest. Die Band kommt übrigens aus Skopje/Mazedonien. Ich bin begeistert, das würd ich gerne auf Vinyl haben!


 

Dingleberry-12inch-Special: Barque, Féroces, Redgloves

Barque – „Coffin Cutters“ (Dingleberry Records u.a.)
Ich persönlich hätte das französische Wort Barque mit „Bellen“ übersetzt, aber mein Übersetzungsprogramm belehrt mich eines besseren. Barque heißt natürlich nichts anderes als Barke. Ich bin ja auch ein Depp. Wenn man in einer Konditorei in Frankreich Schaumgebäck kaufen möchte, dann sollte man das auch nicht als Baiser bzw. „baisée“ bestellen, sondern lieber das Wort „la meringue“ verwenden. Sonst kann das gleich ganz schön peinlich werden. Aber Momentchen, was bitteschön soll denn ein/eine Barke sein? Birke wär ja noch einfach, aber Barke? Weiß das jemand von euch Kreuzworträtsel-Detektiven? Also, ich stand völlig im Dunkeln, auch wenn die Band Barque aus Lille/Frankreich die Farbe schwarz zu vergöttern scheint, bringt selbst das durchsichtig und hell schimmernde Vinyl keine Antwort. Okay, ich spanne euch nicht länger auf die Folter, falls das Wort in eurem Wortschatz ebenfalls bisher nicht enthalten war. Bevor ihr das jetzt alle googelt und dadurch die Energie von 100 Glühbirnen verbrauchen würdet, kommt hier die grüne und energiesparende Lösung: Was Barke bedeutet  weiß man natürlich nur, wenn der Vater Matrose, Schiffer, Pirat oder Kapitän ist oder so. Eine Barke ist ein Boot ohne Mast. Also, so ein Ding, dass man mit Paddeln in die richtige Richtung lenken muss. Keine Fähre, denn die haben ja auch keine Masten! Und ja, jetzt macht das alles einen Sinn: das Bandfoto auf Facebook (insgesamt vier Typen, zwei davon sitzen in einem zum Boot umfunktionierten Einkaufswagen, da fließt hundertpro das Wasser rein), die Meerespflanzen auf dem Frontcover, das durchsichtige Vinyl, das bildhaft für das Wasser um die Barke steht. Und der Typ am Mikro, der gerade am Ertrinken ist, und auf sich durch heftiges Schreien aufmerksam machen will. Also, jetzt, wo Du weißt, was eine Barke ist,  solltest Du Dir folgendes vorstellen: Du sitzt gerade in einem Boot ohne Mast (Barke) und ahnst noch nicht, dass in weniger als einer Minute ein Tsunami auf Dich zurasen wird. Sorry für den Vergleich, aber mit Tsunamis muss man immer rechnen. Die fünf Songs, die auf dieser 12inch enthalten sind, die walzen jedenfalls ordentlich. Hektisches Geknüppel trifft auf messerscharfe, etwas runtergestimmte  Gitarrenriffs, Blackened Hardcore trifft auf Crust, Dissonanz trifft auf Härte. Natürlich spiegelt sich diese finstere Grundstimmung auch in den Texten wider. Freunde von Bands wie Younger Us, Oathbreaker, Painted Wolves oder Oaken Heart sollten mal ein Öhrchen riskieren. So, noch kurz Luft holen für die Labels: Dingleberry Records, 59SRS, Rakkerpak records, Mosh Potatoes, Rubaiyat Records, Rip Roaring Shit Storm Records, Icore Produzioni, Cheap Talks Records, Insonnia Lunare Records, Longrail Records, Eastrain rec, IFB records.
Facebook / Bandcamp / Dingleberry Records


Féroces – „Juliette“ (Dingleberry Records u.a.)
Das Motto der Band aus Besançon/Frankreich liest sich schonmal sehr aufschlussreich: Personne ne Chante, Personne ne Danse. Okay, das ist ja mal ’ne ehrliche Ansage. Den Sound der drei Franzosen könnte ich mir live sehr gut mit Licht- oder Dia-Show begleitet vorstellen. Keine Bewegung im Publikum, aber offene Münder. Ihr ahnt es bereits, Féroces machen auf ihrer ersten EP eine Art sphärischen Post-Rock, der das Zeug dazu hat, die Hörer und Hörerinnen zu hypnotisieren. Die Franzosen gehen dabei rein instrumental zur Sache, häufig werden Spoken Word-Samples eingespeist, die zusammen mit den ausgefeilten Songarrangements so eine gewisse mystische bis erotische Wirkung transportieren. Überwiegend kommt dabei eine weibliche Stimme in französischer Sprache zum Einsatz, die von Trauer und Verzweiflung zerfressen scheint, manchmal im Dialog mit einer männlichen Stimme. Keine Ahnung, um was es in den Dialogen oder Monologen geht, dazu reicht mein lausiges Französisch nicht aus. Hin und wieder klingt es gespenstisch, das machen gerade auch die Keyboard-Klangteppiche und das Klavier aus. Die fünf Songs dauern insgesamt so an die 27 Minuten. Da man kein Textblatt braucht, drehte die Platte bei gedimmten Licht einige Runden auf meinem neuen Plattenspieler, so dass bereits nach wenigen Minuten eine magische Stimmung aufkam, was mitunter auch an dem edlen blauen Vinyl liegt, das von der schwachen Plattenspieler-Beleuchtung angestrahlt aussieht, wie das Licht in der blauen Stunde. Die komplette A-Seite lang hab ich versucht, im Halbdunkel die fünf Gesichter auf dem Cover zu einem verschmelzen zu lassen. Ich hab’s nicht geschafft. Manchmal, wenn man besoffen ist und anfängt, doppelt zu sehen, dann kriegt man das ja noch einigermaßen hin, wenn man sich nur anstrengt. Ich glaube, mit vier Gesichtern würde es klappen, aber durch das fünfte hat man absolut keine Chance. Ach so, noch ein paar musikalischen Vergleiche: Féroces haben sicher einige Mogwai, From Monument To Masses und Maserati-Platten im Schrank stehen, da bin ich mir sicher. Die Scheibe erscheint in Zusammenarbeit der Labels Dingleberry Records, Impure Muzik, Uproar For Veneration, Desertion Records und Cube-Studio.
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Redgloves – „Night Gap“ (Dingleberry Records)
Soliden Punkrock mit melodischen Grundtönen und dezentem Emo-Einschlag gibt’s von der französischen Band Redgloves auf die Ohren. Gleich acht Labels sind an dem Release beteiligt (Vouhvoue, GPS Prod, Impure Muzik, Emergence Records, Dingleberry Records, Dangerhouse Skylab, Some Produkt, Shot Down). Die Band setzt sich aus vier Herren zusammen, die wie die oben besprochene Band Féroces aus Besançon kommen. Die Jungs sind auch schon seit 2012 unterwegs, nach zwei 7inches kommt nun mit Night Gap das Debutalbum. Insgesamt zehn Eigenkompositionen und ein The Marked Men-Cover sind zu hören. Das, was die Band aus dem Osten Frankreichs da fabriziert, gefällt mir hauptsächlich wegen der verspielten und gefühlvoll gezockten Gitarren. Nehmt nur mal die Gitarrenmelodie bei Story, die sich direkt wie eine verschachtelte und spannende Geschichte in meine Gehörgänge zwirbelt. Ab dem zweiten Durchlauf macht das Album richtig Laune, denn mit jeder weiteren Runde wissen die Songs mit aller Wucht vorzudringen. Da entdeckt man dann auch eine gewisse dissonante Ader und etwas Noise wie beim Stück Love Reaction, die aber von der zweiten, melodisch gespielten Gitarre in Schach gehalten wird. Klar, dass mehrstimmige Chöre auch nicht fehlen dürfen. Bisweilen erinnert mich die Band an die großartigen Brand New Unit oder an The Marshes, die Grazer Punks von Remedy oder die slowenische Band Real Life Version, die zwar oftmals schneller unterwegs sind, kommen ebenfalls in den Sinn. Zudem merkt man einigen Stücken auch an, dass ein gewisser Hardcore-Background zweifelsohne vorhanden ist. Yeah, diese Platte hat alles, was ein gutes Album ausmacht, v.a. klingt das hier eher altmodisch und nach Zeugs, das tief in den Neunzigern verwurzelt ist. Ich weiß nicht, was es ist, aber irgendwie hatte ich beim Hören so Bands wie Bad Trip, Dag Nasty oder Lunchbox vor Augen. Auch wenn Redgloves  gar nicht so klingen, wie die eben erwähnten Bands, lässt sich eine gewisse Nähe zu diesen nicht abstreiten. Ach ja, auf dem Textblatt kann man neben den lesenswerten Texten auch Fotos aus den Kindheitstagen der vier Bandmitglieder entdecken. Süß!
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Old Soul – „Blue Heron 12inch“ (Dingleberry Records u.a.)

Nach den letzten beiden Split-Scheiben wird es nun mal wieder Zeit für ein Solo-Release des Sextetts aus Michigan. Und das ist wohl auch leider das letzte Lebenszeichen der Band, die Jungs haben auf dem diesjährigen Fluff womöglich ihre letzte Show gespielt. Schade.

Nun, rein optisch ist das Artwork schon mal ein richtiger Hingucker, auch die beiliegenden, mit farbenfroher Malerei verzierten großformatigen Poster-Blätter sind total schön anzusehen, zudem erfreuen sich die geschundenen Augen an der großen Schriftgröße. Auf einem Papierbogen sind die Texte der vier Songs und sonstige Infos zur Platte abgedruckt, auf dem anderen Bogen könnt ihr die Fabel Dance Of The Great Blue Heron lesen. Die Geschichte über den Blaureiher zieht sich durch das ganze Album wie ein roter Faden hindurch, vom geheimnisvollen Artwork bis hin zu den bildhaften Lyrics. Da kann man wohl von einer Konzeptplatte sprechen.

Auch musikalisch werdet ihr auf eine intensive epische Reise durch eine geheimnisvolle, mystische Fabel-Welt mitgenommen. Die atmosphärische Mischung aus Post-Hardcore, Screamo, verträumtem Post-Rock, düsterem Black-Metal und etwas Shoegaze ist stimmig und spannend aufgebaut, so dass auch bei den langgezogenen Instrumentalparts niemals Langeweile aufkommt. Hypnotisierend schrauben sich diese Parts mit jedem weiteren Durchlauf ins Gehör. Die vier Songs erreichen eine Spiellänge von knapp 28 Minuten, wirken aber niemals unnötig langgezogen. Gekonnt werden Midtempo-Parts mit Highspeed-Blackmetal kombiniert, dazwischen kommen atmosphärische Dreamo-Passagen zum Zug, höllisch gut. Für den kommenden Herbst könnte diese Platte ein treuer Begleiter werden. Wenn ihr auf Bands wie Ostraca, City Of Caterpillar, New Day Rising oder Deafheaven steht, dann solltet ihr diese Platte hier unbedingt anchecken!

Das Ding erscheint in Zusammenarbeit der Labels Dingleberry Records, Maniyax Records, Zegema Beach Records, IFB Records und Mosh Potatoes.

8/10

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People’s Temple Project & мятеж – „Split 7inch“ (Dingleberry Records u.a.)

Auch wenn M vor P kommt, legte ich zuerst die People’s Temple Project-Seite behutsam auf den Plattenteller. Bevor ich aber zur Musik dieser Band komme, die ich bisher noch nicht kannte, muss ich noch ein paar Worte zum Bandnamen verlieren. Googelt man diesen, dann erscheinen diese unbegreiflichen Bilder, die im Zusammenhang mit der Peoples Temple-Sekte  stehen und bei denen man sofort bemerkt, dass diese Bilder absolut nicht im Rahmen eines Flashmobs entstanden sind, zumal sie aus einer Zeit stammen, als es Flashmobs noch gar nicht gab. Keine Ahnung, ob sich die Band aus Long Island/New York nach der seltsamen Selbstmord-Sekte benannt hat, aber vermutlich ist das schon der Fall. Im Jahr 1997 z.B. schockten Integrity auf ihrem Album Seasons In The Size Of Days  mit einem Stück namens Burning Flesh Children To Mist, das vertonte Passagen dieses kollektiven Selbstmords präsentierte, außerdem beschäftigten sich schon zahlreiche Musiker mit dem Thema, darunter z.B. auch NOFX. Massenselbstmorde sind zwar abseits des Begreifbaren, aber gerade  solche morbiden Ereignisse zeigen, zu welchen nicht nachvollziehbaren Taten der Mensch im religiösen Wahn fähig ist. Und da ist absolut keine verdammte Religion ausgenommen, wie wir wissen.  Aber zurück zur  7inch, denn auch das Cover spielt mit religiöser Symbolik. Schade deshalb, dass die drei Songs ohne Songtitel auskommen müssen und auf dem beiliegenden Textblatt lediglich Infos und Lyrics der Band  мятеж abgedruckt sind, denn die Textinhalte von PTP hätten mich jetzt schon interessiert. Dafür wird man aber vom Sound des Trios regelrecht ausgepeitscht. Die drei Songs pfeffern eine emotionale Mischung aus Skramz, Screamo,  und ’ne Schippe Punk vor’n Latz, die mich absolut mitreißt. Die Gitarren schrammeln größtenteils, der Schlagzeuger gibt ordentlich Holz und der Sänger leidet, als ob er zuvor jahrelang in einem Kerker gefangen gewesen wäre. Aber hin und wieder kommen verträumte, fast schon Shoegaze-mäßige Melodiebögen ins Bild, die dem Sound neben einer geheimnisvollen Mystik auch das gewisse etwas mitgeben, um sich aus der Masse zahlreicher Skramz-Bands herauszuheben. Zusammen mit dem mehrstimmigen Gekreische ist die Gänsehaut bei einer Floorshow der Band vorprogrammiert. Fans von Funeral Diner, Battle Of Wolf 359, Tristan Tzara oder Saetia sollten das unbedingt mal anchecken, falls noch nicht geschehen.

мятеж sind aus Portland/USA und Hamilton/Kanada und sie bezeichnen sich als kollektives Projekt. Nun, bei мятеж wirken eigentlich nur zwei Leute mit: zum einen ist da Dave von Zegema Beach Records, der den Gesang zu den zwei Songs beisteuert, zum anderen ist da Chris, den man von Bands wie Yaphet Kotto (wollte ich schon seit Ewigkeiten mal wieder hören), Jenny Piccolo oder Makara her kennt und welcher für alles andere verantwortlich ist. Vermutlich holt man sich dann ein paar befreundete Gastmusiker mit an Bord, wenn man mal auf Tour geht, denn zu zweit werden das die Jungs live niemals hinbekommen, es sei denn, sie haben so ’nen Gefährten wie Atom And His Package, was ich allerdings bezweifle. Wie dem auch sei, während die People’s Temple Project-Seite sofort bei mir eingeschlagen hatte, dauerte es bei мятеж ein Weilchen, bis die Lunte zündete.  Aber das ist das Glück bei 7inches, denn man setzt der Faulheit halber lieber wieder die Nadel an den Anfang,  als dass man sich die Mühe macht, das Ding umzudrehen. Und siehe da, beide Songs wachsen bei jedem Durchlauf ein wenig mehr, v.a. das sphärische, ambientmäßige Stück Awake/End  bohrt sich immer weiter in mein Herz, passend zum rotierenden Textblatt, das ganz schön schwierig zu lesen ist, aber gerade dadurch optisch hypnotisiert. Solche klassischen DIY-Releases mochte ich schon in den Neunzigern! Das Ding ist übrigens als Co-Release erschienen, hier mal die beteiligten Labels: Zegema Beach Records, Akashita Corp., IFB Records, Dingleberry Records, Friendly Otter Records und Upwind Productions.

8/10

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