Alpaca & Kalte Sonne – „Split 12inch“ (Dingleberry Records u.a.) [Stream]
Diese Split 12inch ist mal wieder mit so einem Albumartwork ausgestattet, das mich zusammen mit den Bandschriftzügen absolut nicht anspricht, auf den ersten Blick würde ich sagen, dass hier zwei Gothic-Metal-Bands drauf vertreten sind. Nun, Alpaca kommen wohl aus Shanghai, setzen sich aber aus vier Typen, die aus vier verschiedenen Ländern (Kanada, Serbien, Taiwan und Peru) stammen, zusammen. Seit 2015 ist die Band unterwegs, seither wurden schon fleißig Sachen veröffentlicht. Neben einer Split-EP, zwei EPs und einem Album gibt es nun eine weitere Split 12inch, zudem hat sich die Band in Shanghais Subkulturszene schon einen guten Namen gemacht. Als die Nadel aufsetzt, atme ich erstmal auf! Kein Gothic Metal! Nein, Alpaca haben sich eher dem doomigen Sludge verschrieben, Einflüsse von Post-Metal, Black-Metal und Southern Blues werden auch verarbeitet. Runtergestimmte Gitarren, knarzender Bass, schleppender, extrem langsamer Sound und Gesang zwischen Theatralik und Gegrowle. Die A-Seite besteht eigentlich aus dem 12-minütigen Song Drown, der in drei Abschnitte unterteilt ist. Wobei mir persönlich der zweite Abschnitt am besten zusagt, hier kommt dieses bluesige ganz schön zur Geltung, das würde ganz gut in eine Bar passen. Im dritten und letzten Abschnitt wird das Tempo ein bisschen flotter, sie können also auch anders. Auf der B-Seite sind dann Kalte Sonne aus Lugo/Spanien zu hören, ihr Song Mareira dauert auch fast zwölf Minuten. Kalte Sonne machen einen freundlicheren Sound, geht so in Richtung Post-Metal und Post-Rock und kommt gänzlich ohne Gesang aus. Am Sound von Kalte Sonne gefallen mir v.a. die flirrenden Gitarren, die sehr verspielt und melodisch klingen, dazu ist das alles natürlich super abgemischt. Der Song besteht auch aus mehreren Abschnitten. Die Reise beginnt ruhig und leise, die Gitarren lullen Dich mit ihrem loopartigen und immer wiederkehrenden Riff anfangs ein, bis nach und nach Spannung aufgebaut wird und das Ganze etwas flächiger und dichter mit delayartigen Tremolo-Gitarren und langsam steigerndem Schlagzeug in die nächste Runde geht. Das hat dann schon etwas magisches, fast traumhaftes! Über Kopfhörer kann man jedenfalls tief im Sound von Kalte Sonne eintauchen! Dann, ab der zweiten Hälfte doch noch ein abrupter Richtungswechsel, der sich aber trotzdem ins Gesamtbild einfügt, so dass alles in sich stimmig bleibt. Auch hier zieht im letzten Drittel das Tempo an und so wie ich mich kenne, wird die Kalte Sonne-Seite öfters den Weg auf den Plattenteller finden! Beteiligte Labels: Dingleberry Records, Nooirax und Violence In The Veins.
Gaura Devi – „Selftitled“ (Dingleberry Records u.a.) [Name Your Price Download]
Aus Castellón De La Plana, Spanien, kommt diese neue Band, die sich nach der bereits verstorbenen Chipko-Aktivistin Gaura Devi benannt hat und irgendwann Ende 2016 gegründet wurde. Gaura Devi war die Anführerin einer Frauenbewegung in Indien, die gegen die industriell bedingte Abholzung der heimischen Wälder im Himalaya vorging. Die Abholzungen führten zur Beeinträchtigung des Ökosystems, Überschwemmungen und Bodenerosion waren die Folge. Das Albumartwork der 12inch dürfte demzufolge unmittelbar mit solchen Umweltereignissen in Folge massiver Abholzung in Zusammenhang stehen, zudem ist auf dem Backcover ein abgeholzter Baumstumpf zu sehen. Ob etwas im Textblatt zur Herkunft des Bandnamens erklärt wird, kann ich nicht sagen, denn sowohl die Lyrics als auch die restlichen abgedruckten Sachen sind in Spanisch. Nun, zumindest habe ich anhand einer Internetübersetzung rausgefunden, dass die Texte neben persönlichen Themen auch politische bzw. gesellschaftskritische Inhalte haben. Die A-Seite beginnt sehr emotional und leise, steigert sich langsam, eine gewisse Spannung baut sich auf…und plötzlich findet man sich in einem midtempolastigen Screamo-Part mit leidenschaftlich verzweifeltem Geschrei wieder. Das Sextett hat gleich zwei Sänger am Start, das ist live sicher ganz nett anzusehen. Die Gitarren spielen schön kreisend, manchmal wird es ganz schön dissonant, dennoch können auch melodische Untertöne entdeckt werden. Der fast achtminütige Opener dreht sich jedenfalls schön mäandernd in die Gehörgänge, gegen Ende kommen dann noch Spoken Words und Tremolo-Gitarren zum Einsatz. Im Verlauf der insgesamt vier Songs kommen viele Einflüsse der Band an die Oberfläche, manche Parts sind sehr punkig, andere wiederum sind im Post-Hardcore zu verorten, Hardcore, Neocrust und Screamo sind auch stets präsent. Gerade der letzte Song El infierno que nos traes zeigt ganz eindrucksvoll, in welcher Bandbreite die Jungs unterwegs sind, hier kommen obendrein noch heulende Gitarren und ’ne fette Noise-Kante mit dazu. Jedenfalls zeigt die rohe Energie der Aufnahme, dass hier alle Beteiligten mit Herzblut und Leidenschaft dabei sind. Und auch die vielen am Release beteiligten Labels sprechen eine unmissverständliche Sprache, mit von der Partie sind: Dingleberry Records, Andalucia Über Alles, Frontal Distribution, Tim Tam Records, Ojalä Me Muera Records, Voice Of The Unheard, Mërda Distro, DIT und La Agonia De Vivir. Live dürfte das sicher der totale Abriss sein!
People’s Temple Project & Sleeper Wave – „Split 12inch“ (Dingleberry Records u.a.) [Name Your Price Download]
Ich mag ja solche Albumcover, denen man die Musikrichtung überhaupt nicht ansieht. Bei der Split 12inch von People’s Temple Project und Sleeper Wave könnte man annehmen, dass man hier eine Jazzplatte aus den Fünzigern oder gar eine Schallplatte mit Meditations-Übungen und Klangschalenklängen vor sich hätte. Aus dem Inneren purzelt noch ein schickes Textblatt raus, hier gibt es aber nur die Texte der Band Sleeper Wave zu lesen. Nun, sobald die Nadel auf’s Vinyl trifft, ertönt auch tatsächlich so etwas wie meditative New Age-Musik, zudem ist eine Stimme zu vernehmen, die sich tief ins Unterbewußtsein frisst. Und kaum ist dieses Intro überstanden, findet man sich buchstäblich in einer riesigen Klangschale wieder! Allerdings habt ihr das Ding direkt an der Rübe und irgendjemand schlägt erbarmungslos mit ’nem riesigen Vorschlaghammer drauf! Tja, so kann man sich mit Albumcovern irren! In diesem speziellen Meditations-Workshop bekommt ihr unter der Leitung von Meister People’s Temple Project insgesamt vier Seminare für die reinigende Reise ins Ich mit auf den Weg! Das erste Seminar prügelt euch erstmal ein wenig Vernunft ein, zudem zwirbeln euch die Gitarren schwindlig, das kann bis zur absoluten Extase führen! People’s Temple Project preschen in gewohnter Manier mit ihrem intensiven emotive Screamo nach vorne, die dargebotenen Seminare dürften für alle Lebenslagen Lösungen bereitstellen. Seminar 2 dient z.B. zur Unterstützung der Stressbewältigung, hier kommen meditative und ruhige Passagen zum Einsatz. Zur Steigerung der Konzentration ist Seminar 3 genau das richtige, der langsame, fast hypnotische und spannungssteigernde Aufbau ist äußerst ansprechend! Im 4.Seminar wird dann nochmals die Keule geschwungen, die katharsische Wirkung ist enorm. Diesen Workshop von People’s Temple Project aus New York solltet ihr euch auf gar keinen Fall durch die Lappen gehen lassen! Sleeper Wave kommen aus Wilbraham, einem kleinen Städtchen in Massachusetts. Bisher war mir das Trio völlig unbekannt. Die Band macht eine ziemlich harte Mischung aus Post-Hardcore, Emo, Screamo, Hardcore und einem Schuss Punk. Insgesamt drei Songs sind auf der B-Seite zu hören. Der Sound von Sleeper Wave kommt völlig unberechenbar um die Ecke. Im einen Moment gibt es vertrackte Parts auf die Ohren, dann klimpert eine Gitarre oder eine Bassline dazwischen und im nächsten Augenblick gibt’s volle Lotte auf die Zwölf. Hat irgendwie was von Free-Jazz gepaart mit Screamo. Auf der einen Seite klingt das dann sehr sperrig und undurchschaubar, auf der anderen Seite macht aber gerade das den Reiz des Sounds aus. So wie es scheint, sind hier gleich mehrere Sänger am Start. Ich meine, zwei verschiedene Schrei-Stimmen herauszuhören. Keine leichte Kost, dennoch sehr spannend! Wenn ihr auf Zeugs wie Kidcrash, Eyelet oder Off Minor steht, dann könntet ihr euch mit dem Sound von Sleeper Wave anfreunden. Diese Split 12inch gefällt jedenfalls ziemlich gut, wenn auch bei mir persönlich in Zukunft eher die People’s Temple Project-Seite oben liegen wird. Das Ding ist übrigens als Co-Release der Labels Dingleberry Records, IFB Records, Akashita Corp und Zegema Beach Records erschienen.
Plotz – „RAM XXI“ (Dingleberry Records) [Stream]
Hinter der relativ neuen Band Plotz stecken die zwei Dresdner Daniel Wedekind und Oliver Moses, zudem sind Jonathan Nido und Louis Jucker (beide kennt man von der Schweizer Band Coilguns/ex-The Ocean) mit dabei. Die Debutaufnahmen der Jungs ist in einer 100er-Auflage als einseitig gepresste 12inch auf Dingleberry Records erschienen. Hab ein bisschen recherchiert, welche Bedeutung hinter dem Bandnamen stecken könnte. Also, zum einen gibt es in der deutschen Umgangssprache den Begriff „plotzen“, den man im Zusammenhang mit vom Baum runterfallenden Äpfeln benutzt. Die Äpfel machen beim Fallen so ein Geräusch, das man einfach nur mit „plotzen“ beschreiben kann. Zum anderen gibt es im amerikanischen Englisch das Verb „plotz“. Das benutzt man, wenn man von Emotionen überwältigt ist und z.B. vor Wut, Aufregung oder Entzückung schier platzt. Beide Deutungen des Worts gehen ja in eine ähnliche Richtung, reife Äpfel platzen ja auch gerne beim Aufprall auf den Boden. Die Theorie mit den zu Boden fallenden Äpfeln gefällt mir auch gerade deshalb so gut, weil der Schafbock auf dem Albumcover gerade so gierig dreinblickt. Vermutlich hat er bereits den gerade herunterplotzenden Apfel im Visier, den er unmittelbar nach dem Schnappschuss auch schon genüßlich verspeist. Und irgendwie passt der Bandname im Bezug auf die Musik unter dieser Betrachtung auch ganz hervorragend, denn Plotz machen knackigen Post-Hardcore, mit welchem man ein paar runtergefallene Äpfel locker zermanschen könnte. Ziemlich heavy und groovig türmen sich die Gitarren des Openers auf, dazu gesellen sich brutal herausgeschriene Vocals und eine gewisse Math/Metalcore-Kante. Mit dem zweiten Song The Patriot ändert sich dieser Brutalo-Sound aber schlagartig in etwas, das v.a. durch den vertrackten Rhythmus aus Schlagzeug und Bassläufen sowie den reverblastigen Gitarren so besonders wird. Irgendwie spooky, zwischen Post-Hardcore, Post-Rock und Math. Mit Homeworks wird es nach einem Botch-ähnlichen Auftakt dann erstmals etwas melodischer, wenn auch nur unterschwellig. Der Song schließt mit einem ziemlich Rock’n’Roll mäßigen Riffmonster. Auch die nachfolgenden Songs Phoenix Pt.1 und Phoenix Pt.2 haben melodische Riffs an Bord, aber zugleich setzen sie sich aus vielschichtigen Parts zusammen, die aber zusammengewürfelt sehr komplex klingen. Ach ja, was ein bisschen schade ist: ein Textblatt sucht man leider vergebens. Wenn ihr auf so Math-Zeugs wie Botch, Coilguns oder auch Converge stehen solltet, dann könnte Plotz auch was für euch sein.