Highlights des Jahres 2016

2016-best-of-2016Ups, schon wieder ein Jahr rum? Ja, ich gehöre zu der Sorte Mensch, die das erst mitbekommt, wenn draußen die ersten Silvester-Böller gezündet werden und schon die ersten Promi-Toten 2017 auf Facebook gepostet werden. Und das, obwohl einige meiner Schreiber-Kollegen und Kolleginnen bereits Ende November erste Best-Of-Listen unter die Leute ballern. Spätestens dann werde ich nervös und spiele mit dem Gedanken, dass ich dieses Jahr gar kein Best-Of mache. Aber irgendwie kitzelt es mich dann doch und ärgere ich mich wegen der Nichteinhaltung des guten Vorsatzes des aktuellen Jahres, ein paar liebgewonnene Platten schon während des Jahres auf eine Liste zu schreiben. An diesem Punkt angekommen, setzt meine Zwangsneurose ein: Sicher gibt es die ein oder andere tolle Platte, die mir durch die Lappen gegangen ist. Oder zu wenig gehört habe, um sie lieb zu gewinnen. Z.B. das tolle Touché Amore-Album, aber das führt ja eh jede Bestenliste an. Kann also unter den Tisch fallen? Genauso das durchaus gelungene American Football-Album, das ich auch noch besprechen wollte, aber nicht mehr dazu gekommen bin. Menschliches Versagen! Ganz zu schweigen von den zwischen-den-Jahren-Veröffentlichungen, die ebenfalls auf der Strecke bleiben. In der 2016-er Liste sind deshalb auch Sachen drin, die schon 2015 erschienen sind. So eine Best-Of-Liste ist eigentlich niemals vollständig, weil es da draußen eben so viel unentdeckte Releases gibt, die das Zeug zum Album des Jahres haben. Ja, das beste Album des Jahres könnte wirklich von ein paar Losern stammen, die ihr heute morgen im Bus oder in der U-Bahn vom Sitz gescheucht habt, um selbst einen Platz zu bekommen. Aber bevor ich euch jetzt mit blödem Zeug nerve, gibt es hier die wahrscheinlich unvollständigste Best-Of-Liste im gesamten Internetz. Ohne Touché Amore und American Football. Dafür aber mit dem ein oder anderen Release aus 2015.

Nun, dieses Jahres-End-Ding ist auch immer eine schöne Gelegenheit, um all den netten Menschen Danke zu sagen, die diese Seite hier durch ihre Unterstützung am Laufen halten. Mein unendlicher Dank geht an dieser Stelle natürlich in erster Linie raus an euch Leserinnen und Leser. Tausend Küsse auch an alle Labels, die Bands und die Promo-Menschen, die Vinyl, CD’s, Tapes, Zines, Shirts, Digital-Downloads & sonstiges abgefahrenes Zeugs rumgeschickt haben. Ihr seid wahnsinnig! Dicke Props natürlich auch an meine Schreiber-Kollegen und Kolleginnen. Und ja, 2016 hatte neben den vielen musikalischen Highlights auch genügend Scheiße im Gepäck. Wie schon die Cro-Mags einst treffend prophezeiten: World Peace Can’t Be Done. In diesem Sinne: Macht euch keine Sorgen, 2017 wird schon irgendwie laufen, wenn ihr nur lieb zueinander seid! Weiterlesen

PSSGS – „II“ (DIY)

Bereits im Januar 2015 aufgenommen, schlummerte die Aufnahme vermeintlich ein ganzes Jahr vor sich hin. Vermeintlich deshalb, weil die Aufnahme in dieser Zeit alles andere als ruhte. Wie ein guter Wein reifte sie: es wurden Knöpfchen gedreht, abgemischt, gemastert und feingestimmt, zudem gab es Überlegungen, wie man die Sache denn nun letztendlich releasen sollte. Der ursprüngliche Plan, die Songs als einseitig bespielte und farbige 12inch zu veröffentlichen wurde genauso zurückgestellt, wie die Idee eines 12-seitigen Buches, was in unserer von Kostenfragen geprägten Zeit nur mehr als verständlich ist. Vermutlich dürfte die Entscheidung, die Songs erstmal nur digital zu releasen und das Feedback für weitere Optionen abzuwarten, auch gefallen sein, weil einer der beiden Gitarristen und Sänger unlängst die Band verlassen hat und ein würdiger Nachfolger erst noch gefunden werden muss. Und gerade dieses Abwägen und sich Gedanken machen gibt diesen Songs das nötige Gewicht, um ein digital-only Release mit noch aufmerksameren Ohren wahrzunehmen, zumal mir das in Holz eingemantelte Debut-Tape der Band aus Darmstadt musikalisch wie optisch so gut gefällt, dass es mir an einem gut sichtbaren Ehrenplatz täglich ins Auge sticht.

Nun, obwohl ich die zwei Songs des zweiten Releases der Band schon seit einigen Tagen im Ohr hatte, schlich sich beim erstmaligen Betrachten des Video-Teasers, der mit den Anfangsklängen des Songs A Choir/A Home unterlegt ist, eine üppige Gänsehaut über den Rücken. Und das nicht nur, weil ich in einem netten Austausch per Mail erfahren hatte, dass das Video bei eisigen Temperaturen im Wald entstanden ist, an einem klirrend kalten Tag, der das Zeug dazu hatte, kleine Kinderzehen in Nullkommanichts abfrieren zu lassen. Dass es an diesem Tag so kalt war, konnte ich am eigenen Leib spüren, weil ich selbst mit meinen Kindern draußen beim Schlittenfahren war. Naja, bevor ich euch mit Erzählungen von Wetterereignissen nerve, komme ich lieber mal wieder zu den zwei Songs, die so schnell wie ein unvorhersehbares Gewitter auch schon wieder vorbei sind und Dich nach mehr lechzend mit weit geöffnetem Mund im Regen stehen lassen, während Du anschließend beim erneuten Anhören von einer warmen und lauen Windbrise sanft trocken gestreichelt wirst.

Wie schon bei den Songs auf dem Debut scheint so etwas wie ein unsichtbares Band zwischen meiner für Endorphinausschüttungen zuständigen Gehirnregion und der Musik von PSSGS zu existieren. Bereits der Beginn des fast sechseinhalbminütigen A Choir/A Home  hat es dermaßen in sich, dass man regelrecht zerfließt, sobald der zerbrechliche Gesang einsetzt, der dem Song das nötige Quäntchen Melancholie beisteuert und gleichzeitig eine gewisse Resignation mitschwingen lässt. Sanft gespielte Gitarren und gegenspielende Basstöne bilden ein solides Grundgerüst, die fast schon glasklar pumpenden Drums stehen dabei im direkten Kontrast zu diesen harmonischen Klängen. Toll produziert, muss ich sagen. Laut Presseinfo beschäftigen sich die Lyrics mit dem existentiellen und philosophischen Wesen in Bezug auf Musik und Kunst. Und hier meine ich, textlich ebensolche Gegensätze wie bei der musikalischen Untermalung zu erkennen. Wobei wir schon wieder beim Thema wären, denn Kunst und Musik lebt ja von der unterschiedlichen Wahrnehmung ihrer Betrachter und den weiträumigen Interpretationsmöglichkeiten…Überhaupt steckt hinter II  eine Art Konzept, die doppelte Struktur mit unterschiedlichen Blickwinkeln spiegelt sich textlich als auch musikalisch wider. So handelt der zweite Song An Appearance/A Division von der Überforderung und Entfremdung in sozialen Interaktionen. Im Gegensatz zu A Choir/A Home, bei welchem man immer auf irgendeine Steigerung hofft, aber dennoch vergeblich auf einen Tempowechsel wartet, schraubt sich dieser Song bedingt durch die sich wiederholenden, fast trotzig und launisch vorgetragenen Textpassagen langsam immer höher, bis es dann  etwas schneller wird und der lang ersehnte Ausbruch bevorsteht. Was mir an beiden Songs ziemlich gut gefällt: sie sind absolut zeitlos und scheinen sich auch nach  mehrmaligem Hörgenuss nicht abzunutzen. Diese zwei Songs kann man problemlos mehrere Stunden am Stück in Dauerschleife hören, ohne dass auch nur ein Fünkchen Langeweile aufkommt. Und das macht man auch unweigerlich, da man dieses kurzweilige Vergnügen gerne verlängern möchte. Würde mich nicht wundern, wenn da nicht bald schon ein Vinylangebot von irgendeinem Label gemacht wird, denn diese zwei Songs schreien danach, als 12inch released zu werden. Und vielleicht haben die Jungs ja bei ihren Dreharbeiten im eisigen Wald ein paar Bäume gefällt, um neues Verpackungsmaterial für eine Holzschatulle zu sammeln. Wenn ihr um die Jahrtausendwende herum hängen geblieben seid und emotionalem Post-Hardcore mit Herz und Köpfchen etwas abgewinnen könnt, dann werdet ihr PSSGS im Allgemeinen und II im speziellen lieben!

9/10

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