Dingleberry-12inch-Special: Barque, Féroces, Redgloves

Barque – „Coffin Cutters“ (Dingleberry Records u.a.)
Ich persönlich hätte das französische Wort Barque mit „Bellen“ übersetzt, aber mein Übersetzungsprogramm belehrt mich eines besseren. Barque heißt natürlich nichts anderes als Barke. Ich bin ja auch ein Depp. Wenn man in einer Konditorei in Frankreich Schaumgebäck kaufen möchte, dann sollte man das auch nicht als Baiser bzw. „baisée“ bestellen, sondern lieber das Wort „la meringue“ verwenden. Sonst kann das gleich ganz schön peinlich werden. Aber Momentchen, was bitteschön soll denn ein/eine Barke sein? Birke wär ja noch einfach, aber Barke? Weiß das jemand von euch Kreuzworträtsel-Detektiven? Also, ich stand völlig im Dunkeln, auch wenn die Band Barque aus Lille/Frankreich die Farbe schwarz zu vergöttern scheint, bringt selbst das durchsichtig und hell schimmernde Vinyl keine Antwort. Okay, ich spanne euch nicht länger auf die Folter, falls das Wort in eurem Wortschatz ebenfalls bisher nicht enthalten war. Bevor ihr das jetzt alle googelt und dadurch die Energie von 100 Glühbirnen verbrauchen würdet, kommt hier die grüne und energiesparende Lösung: Was Barke bedeutet  weiß man natürlich nur, wenn der Vater Matrose, Schiffer, Pirat oder Kapitän ist oder so. Eine Barke ist ein Boot ohne Mast. Also, so ein Ding, dass man mit Paddeln in die richtige Richtung lenken muss. Keine Fähre, denn die haben ja auch keine Masten! Und ja, jetzt macht das alles einen Sinn: das Bandfoto auf Facebook (insgesamt vier Typen, zwei davon sitzen in einem zum Boot umfunktionierten Einkaufswagen, da fließt hundertpro das Wasser rein), die Meerespflanzen auf dem Frontcover, das durchsichtige Vinyl, das bildhaft für das Wasser um die Barke steht. Und der Typ am Mikro, der gerade am Ertrinken ist, und auf sich durch heftiges Schreien aufmerksam machen will. Also, jetzt, wo Du weißt, was eine Barke ist,  solltest Du Dir folgendes vorstellen: Du sitzt gerade in einem Boot ohne Mast (Barke) und ahnst noch nicht, dass in weniger als einer Minute ein Tsunami auf Dich zurasen wird. Sorry für den Vergleich, aber mit Tsunamis muss man immer rechnen. Die fünf Songs, die auf dieser 12inch enthalten sind, die walzen jedenfalls ordentlich. Hektisches Geknüppel trifft auf messerscharfe, etwas runtergestimmte  Gitarrenriffs, Blackened Hardcore trifft auf Crust, Dissonanz trifft auf Härte. Natürlich spiegelt sich diese finstere Grundstimmung auch in den Texten wider. Freunde von Bands wie Younger Us, Oathbreaker, Painted Wolves oder Oaken Heart sollten mal ein Öhrchen riskieren. So, noch kurz Luft holen für die Labels: Dingleberry Records, 59SRS, Rakkerpak records, Mosh Potatoes, Rubaiyat Records, Rip Roaring Shit Storm Records, Icore Produzioni, Cheap Talks Records, Insonnia Lunare Records, Longrail Records, Eastrain rec, IFB records.
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Féroces – „Juliette“ (Dingleberry Records u.a.)
Das Motto der Band aus Besançon/Frankreich liest sich schonmal sehr aufschlussreich: Personne ne Chante, Personne ne Danse. Okay, das ist ja mal ’ne ehrliche Ansage. Den Sound der drei Franzosen könnte ich mir live sehr gut mit Licht- oder Dia-Show begleitet vorstellen. Keine Bewegung im Publikum, aber offene Münder. Ihr ahnt es bereits, Féroces machen auf ihrer ersten EP eine Art sphärischen Post-Rock, der das Zeug dazu hat, die Hörer und Hörerinnen zu hypnotisieren. Die Franzosen gehen dabei rein instrumental zur Sache, häufig werden Spoken Word-Samples eingespeist, die zusammen mit den ausgefeilten Songarrangements so eine gewisse mystische bis erotische Wirkung transportieren. Überwiegend kommt dabei eine weibliche Stimme in französischer Sprache zum Einsatz, die von Trauer und Verzweiflung zerfressen scheint, manchmal im Dialog mit einer männlichen Stimme. Keine Ahnung, um was es in den Dialogen oder Monologen geht, dazu reicht mein lausiges Französisch nicht aus. Hin und wieder klingt es gespenstisch, das machen gerade auch die Keyboard-Klangteppiche und das Klavier aus. Die fünf Songs dauern insgesamt so an die 27 Minuten. Da man kein Textblatt braucht, drehte die Platte bei gedimmten Licht einige Runden auf meinem neuen Plattenspieler, so dass bereits nach wenigen Minuten eine magische Stimmung aufkam, was mitunter auch an dem edlen blauen Vinyl liegt, das von der schwachen Plattenspieler-Beleuchtung angestrahlt aussieht, wie das Licht in der blauen Stunde. Die komplette A-Seite lang hab ich versucht, im Halbdunkel die fünf Gesichter auf dem Cover zu einem verschmelzen zu lassen. Ich hab’s nicht geschafft. Manchmal, wenn man besoffen ist und anfängt, doppelt zu sehen, dann kriegt man das ja noch einigermaßen hin, wenn man sich nur anstrengt. Ich glaube, mit vier Gesichtern würde es klappen, aber durch das fünfte hat man absolut keine Chance. Ach so, noch ein paar musikalischen Vergleiche: Féroces haben sicher einige Mogwai, From Monument To Masses und Maserati-Platten im Schrank stehen, da bin ich mir sicher. Die Scheibe erscheint in Zusammenarbeit der Labels Dingleberry Records, Impure Muzik, Uproar For Veneration, Desertion Records und Cube-Studio.
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Redgloves – „Night Gap“ (Dingleberry Records)
Soliden Punkrock mit melodischen Grundtönen und dezentem Emo-Einschlag gibt’s von der französischen Band Redgloves auf die Ohren. Gleich acht Labels sind an dem Release beteiligt (Vouhvoue, GPS Prod, Impure Muzik, Emergence Records, Dingleberry Records, Dangerhouse Skylab, Some Produkt, Shot Down). Die Band setzt sich aus vier Herren zusammen, die wie die oben besprochene Band Féroces aus Besançon kommen. Die Jungs sind auch schon seit 2012 unterwegs, nach zwei 7inches kommt nun mit Night Gap das Debutalbum. Insgesamt zehn Eigenkompositionen und ein The Marked Men-Cover sind zu hören. Das, was die Band aus dem Osten Frankreichs da fabriziert, gefällt mir hauptsächlich wegen der verspielten und gefühlvoll gezockten Gitarren. Nehmt nur mal die Gitarrenmelodie bei Story, die sich direkt wie eine verschachtelte und spannende Geschichte in meine Gehörgänge zwirbelt. Ab dem zweiten Durchlauf macht das Album richtig Laune, denn mit jeder weiteren Runde wissen die Songs mit aller Wucht vorzudringen. Da entdeckt man dann auch eine gewisse dissonante Ader und etwas Noise wie beim Stück Love Reaction, die aber von der zweiten, melodisch gespielten Gitarre in Schach gehalten wird. Klar, dass mehrstimmige Chöre auch nicht fehlen dürfen. Bisweilen erinnert mich die Band an die großartigen Brand New Unit oder an The Marshes, die Grazer Punks von Remedy oder die slowenische Band Real Life Version, die zwar oftmals schneller unterwegs sind, kommen ebenfalls in den Sinn. Zudem merkt man einigen Stücken auch an, dass ein gewisser Hardcore-Background zweifelsohne vorhanden ist. Yeah, diese Platte hat alles, was ein gutes Album ausmacht, v.a. klingt das hier eher altmodisch und nach Zeugs, das tief in den Neunzigern verwurzelt ist. Ich weiß nicht, was es ist, aber irgendwie hatte ich beim Hören so Bands wie Bad Trip, Dag Nasty oder Lunchbox vor Augen. Auch wenn Redgloves  gar nicht so klingen, wie die eben erwähnten Bands, lässt sich eine gewisse Nähe zu diesen nicht abstreiten. Ach ja, auf dem Textblatt kann man neben den lesenswerten Texten auch Fotos aus den Kindheitstagen der vier Bandmitglieder entdecken. Süß!
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