Da die komplette Tour bereits lange im Vorfeld ausverkauft war, war es wieder mal von Vorteil, dass das Hintertürchen über die Gästeliste so super funktionierte. Nochmals vielen Dank an dieser Stelle, dass auch noch ein Platz für meine Liebste mit drin war! Für das Konzert in Ulm wollten wir es mal wieder richtig krachen lassen, weshalb wir uns in unmittelbarer Clubnähe sogar voll nobel eine Nacht im Hotel leisteten. Eigentlich bin ich auf die Leoniden-Songs ja gar nicht so gut zu sprechen, weil es einfach so verdammte Ohrwürmer sind, die mich v.a. nachts wach halten und dadurch in den Wahnsinn treiben. Tja, sleep is the cousin of death, sagt mir eine innere Stimme! Alter Jammerlappen, entgegnet die andere innere Stimme! Dass sich die Songs der Band so gut im Hirn eingenistet haben, liegt unter anderem auch am eigenen Nachwuchs. Im Kreise der Familie verging in den letzten Monaten kein Tag, an dem nicht irgendein Leoniden-Song abgespielt, vor sich hingepfiffen oder auch -ganz beliebt- im Kinder-Kauderwelsch-Englisch vor sich hingeträllert wurde. Selbst wenn man auf dem Balkon sitzend den Vögeln lauschen will, während die Kinder draußen auf der Gasse spielen, vernimmt man Kindergesang, der die ganze Nachbarschaft unterhält. Sind sie drin, quengeln sie so lang, bis sie ein YouTube-Video oder einen Livemitschnitt der Band sehen dürfen. Kurz und gut: auf die Leoniden können sich im Kreis der Familie alle einigen, wir sind alle riesige Fans.
Der Gig in Ulm fand im ehemals als Rotlichtbar/Bordell genutzten Cabaret Eden statt, einem kleinen Club, bei dem schon die original belassene Inneneinrichtung aus den Sechzigern einzigartig ist. Ganz schön schräg, man spürt permanent den verruchten Charme, der durch die nostalgische Ästhetik hervorgehoben wird. Das geht schon am Eingang los, die Tür ist mit einem Sichtfenster ausgestattet und das Schild an der Tür prophezeit, dass ‚Einlass nur in gepflegter Kleidung‘ gewährt wird. Faszinierend!
Schlau wie wir waren, platzierten wir unser Auto schon mittags direkt vor dem Club, so dass wir uns die Warterei in der Schlange mit dem ein oder anderen Kaltgetränk verkürzen konnten, ’ne Garderobe für unsere Jacken hatten und Proviant für den Fußmarsch zum Hotel bunkern konnten. Witzigerweise kam gerade in dem Moment, als wir mittags das Auto parkten, der Sprinter der Leoniden um die Ecke. Lennart saß am Steuer und eine sichtlich gutgelaunte Band ließ die Vorfreude auf einen schönen Konzertabend wachsen. Wir freuten uns wie kleine Teenie-Fans und hätten unbemerkt ein paar Paparazzi-Fotos schießen können, zogen es aber vor, erstmal ein bisschen in Ulm bummeln zu gehen.
Nun, abends im Club wurden wir trotz fehlender Abendgarderobe vom netten Türsteher durchgewunken. Obwohl sich schon eine riesige Schlange vor dem Club gebildet hatte, tröpfelten die Gäste nur langsam ein, da aufgrund Kartenkontrolle immer nur Vierer-Gruppen eingelassen wurden. Die Leoniden saßen jedenfalls schon gesammelt und gechillt am Round-Table und wir belegten gleich rechts vor der Bühne einen Platz. Apropos Platz: bei dieser räumlichen Enge auf der Bühne fragte man sich schon, wie zum Teufel da fünf Menschen samt umfangreichen Equipment Platz haben sollten, so dass sich diese auch noch in der Art bewegen können, wie es die Leoniden zu tun pflegen.
Dazu aber später mehr, denn zuerst war erstmal der Auftritt der Hamburger Formation Monako an der Reihe. Und deren Equipment bestand hauptsächlich aus ’ner Menge an Kabeln und Effektgeräten, die fünf Jungs standen ziemlich beengt auf der Bühne. Die Band macht einen verträumten Mix aus Post-Rock, Indie und Pop, eher von der ruhigen und melancholischen Sorte. Von der Stimmung her passte das ziemlich gut zur Einrichtung der Rotlicht-Bar. Alle Bandmitglieder waren so dermaßen in ihren Sound vertieft, dass sie fast zu schweben anfingen und ihr Instrument enorm zärtlich und mit viel Gefühl bearbeiteten. Die Musik des Quintetts dockt jedenfalls ziemlich schnell am Ohr an, gerade Songs wie HHXTML und das äußerst melancholische Stay Close haben einen hohen Wiedererkennungswert. Auch wenn die Jungs auf der Bühne sehr in sich gekehrt rüberkamen, war dies ein ausdrucksstarker und intensiver Auftritt.
Nachdem Monako ihr Set beendet hatten, kam man in den Genuss einer Umbaupause, wie man sie selten sieht. Die Tontechniker der Leoniden verstehen ihr Handwerk, soviel ist sicher! Hier saß wieder jeder Handgriff, hier gab es keine herumliegenden Kabel, über die man hätte stolpern können. Und auch die Umbaupausenmusik war vom Feinsten. Neben mir bekanntem Zeugs von Minus The Bear und Joan As Police Woman entdeckte ich unter den Songs dank Smartphone-Songerkennung auch mir unbekannte Perlen wie Crumb und Tom Misch. Und ruckzuck verwandelte sich die Bühne dann doch noch in einen fast schon geräumigen Platz, auf dem sich jedes Leoniden-Mitglied exzessiv bewegen konnte.
Direkt vom ersten Song an strahlte die Band eine Energie ab, die in nullkommanichts auf das Publikum übertrat. Was Gitarrist Lennart da in diesen ersten Minuten für eine wilde Show ablieferte, schaffen manche Gitarristen nicht mal bei ihrem allerletzten Konzert. Wahnsinn, dieser Typ scheint live richtig auszuticken. Innerhalb eines Songs waren da gefühlt 80 mal ’ne Hocke mit anschließendem Hüpfer zu sehen, einmal steckte er sich das Mikro in den Mund, die niedrige Decke wurde abwechselnd mit der Gitarre und dem Mikroständer konfrontiert, so dass sogar Teile davon herunterbröselten. Dass er sich beim Gitarre-um-sich-schleudern nicht selbst strangulierte oder irgendeinen seiner Bandkumpels ausknockte, grenzte fast schon an ein Wunder. Auch der Rest der Band ging völlig steil, hier spürte man direkt, wie viel Bock die Jungs auf ihren Sound haben. Jakob übernahm die Rolle des souveränen Frontmanns, zwischen den schweißtreibenden Songs witzelte er publikumseinbezogen rum, so dass sofort ein unsichtbares und unzertrennbares Band zwischen Publikum und Band entstand. So fröhliche und an der eigenen Musik Spaß-habende Menschen sieht man selten. Djamin hüpfte, tanzte und grinste an einer Tour, Bassist JP steppte ebenfalls durch die Gegend, nur Schlagzeuger Felix war etwas versteckt hinter seiner Bude. Das bewegungsfreudige Publikum mit hohem Frauenanteil sang textsicher mit, es herrschte eine unglaublich tolle Atmosphäre.
Alle schwitzten bereits nach dem ersten Song wie verrückt. Vermutlich waren wir die Einzigen im ganzen Saal, die trotz der schweißtreibenden Action ein bisschen froren, da wir uns direkt unter einer Klimaanlage befanden, die eiskalten Wind in den verschwitzten Nacken blies. Dann halt doch lieber die Kapuzenjacke anziehen, als hinterher mit steifem Nacken vor sich hinzujammern, man ist halt doch nicht mehr der Jüngste. Jakob machte derweil ein paar Ausflüge ins Publikum, die Stimmung wurde von Song zu Song noch besser. Als er bei einem Ausflug auch noch unbeabsichtigt die Discokugel von der Decke kickte, war kein Halten mehr. Die humorvolle Art, mit diesem Fauxpas umzugehen, heizte die Meute nur noch mehr an, aus sich rauszugehen. Tja, und dann hab ich mich doch tatsächlich an diesem Abend zum Affen gemacht. Werden Smartphone-Filmer bei Konzerten von mir mit verächtlichen und mitleidigen Blicken gestraft, zückte ich diesmal peinlich berührt selbst eins, um ein paar Songs mitzufilmen, einzig und allein, um den Kindern eine Freude zu machen.
Erste Crowdsurfer machten die Runde, alle hatten eine super Zeit, jeder einzelne Song wurde vom Publikum abgefeiert. Die Publikumslieblinge unter den Songs stachen v.a. durch lautstarke Mitsingchöre heraus, neben 1990 rastete das Publikum am meisten zu den Songs Nevermind, People, River, Why und Kids aus, um mal nur einige zu nennen. Eigentlich bestand das ganze Set aus reinen Hits. Siebzehn Songs und zwei Jams mit obligatorischem Kuhglockenausflug ins Publikum später kam es dann mit dem Song Sisters und einem Konfettiregen zum Finale einer grandiosen Live-Show, nach der wir als Andenken sogar noch unbedingt die Setlist klauen mussten. Nach der Show mal kurz das Handy gecheckt: zig Nachrichten vom Babysitter drauf, eines der Kinder am krank werden…Husten, Fieber, das ganze Programm…nun, in der Nacht konnten wir kaum mehr heim fahren, was uns aber nicht am Absacker im Hotel hinderte. Dennoch folgten in der Nacht noch einige Telefonate mit dem besorgten Babysitter. Klar, dass wir am nächsten Morgen den geplanten Einkaufsbummel stornierten und uns, nachdem wir nach 1,5 Stunden Schlaf um 4:30 Uhr durch das lautstarke Gekreische einer Hundertschaft an Krähen geweckt wurden, irgendwann im Laufe des Vormittags aufbrachen, erst das Auto vom Club abholten und zuhause angekommen, die Genesung des kranken Kindes mit dem mitgefilmten Material vom Leoniden-Konzert vorantrieben. Scheint sich gut zur Unterstützung des Immunsystems zu eignen, denn von der Krankheit war zwei Tage später nichts mehr zu spüren, so dass gleich -auch aufgrund der frühlingshaften Temperaturen- die Idee entstand, den Leoniden auch in Konstanz einen Besuch abzustatten…und wie das Konzert in Konstanz war, könnt ihr bald in der Fortsetzung lesen…
Leoniden Homepage / Monako Bandcamp