Bandsalat: Augen, Dream Nails, Greet Death, Krimi, Reflection, Renàra, Tolls, The Yaupon Holly

Augen – „Winter“ (DIY) [Name Your Price Download]
Neulich bei Bandcamp hängengeblieben: Augen kommen aus Köln und klingen auf ihrer aktuellen EP aber eher nach Bremen in den späten Neunzigern. Erstaunlich oldschoolig geht das Quartett zur Sache und erinnert mit seinem derbem Bremer-Schule-Hardcore und den deutschen Texten natürlich an Bands wie Loxiran, Carol, ACME, Systral, Metöke oder Lebensreform. Roh und ungeschliffen kommt der Sound um die Ecke, das heisere Geschrei und die scharfen Gitarren erzeugen zusammen mit den wuchtig gedreschten Drums und ein paar Rückkopplungen eine schöne Angst-und Verzweiflungs-Atmosphäre. Hört da mal unbedingt rein, wenn ihr oben genannten Bands was abgewinnen könnt!


Dream Nails – „Selftitled“ (Alcopop! Records) [Stream]
Nach ein paar Single- und EP-Veröffentlichungen legen die Londoner Mädels von Dream Nails endlich ihr Debütalbum vor. Und wie man es von den Damen gewohnt ist, wird es auf der einen Seite schön schrill und schroff, auf der anderen Seite bohren sich aber die catchy Songs tief ins Gehör. Der Bass fuzzt wie blöde, dazu gesellen sich catchy Hooklines, kraftvoll gespielte Drums und lässige Chewing-Gum-Vocals. Natürlich fehlt es auch auf diesem Release nicht an queer-feministischen Inhalten, zudem wird gegen kapitalistische Ausbeutung, Dating Apps, den Umgang mit Opfern seelischer, körperlicher und sexueller Gewalt und andere Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft gewettert. Die ernsten Themen sind mit reichlich Ironie und Witz gewürzt, zudem bekommt man die Songs nach ein paar Durchläufen wirklich kaum mehr aus den Ohren. Zieht man die fünf Spoken-Word-Tracks ab, dann bleiben insgesamt zehn Gassenhauer zurück, die jede Party in Gang bringen können! Zwischen poppigem Punk und etwas Post-Punk klingt der Sound der Mädels nach ’ner Mischung aus Le Tigre, Colour Me Wednesday, X-Ray-Spex, Orchards und Diet Cig. Mal sind die Damen hibbelig und aufgedreht unterwegs, dann gibt es zwischendurch aber auch durchaus wütende Ausbrüche zu hören, unterm Strich bleibt es aber hitlastig ohne Ende. Das Album macht jedenfalls tierisch gute Laune, hört einfach mal Songs wie z.B. Text Me Back, People Are Like Cities oder das mit einem groovigen Rage Against The Machine-Riff ausgestattete Payback an, dann werdet ihr leuchtende Augen bekommen!


Greet Death – „New Hell“ (Deathwish) [Stream]
Wenn ihr eure Herbstdepression noch ein bisschen in den Sommer retten wollt, dann empfehle ich wärmstens das zweite Album der Band Greet Death. Die Band aus Michigan verzaubert mit ihrem stark verzerrten Sound, der auf der einen Seite trostlos und düster rüberkommt und dabei noch tiefe Melancholie verbreitet. Hört nur mal den Song Do You Feel Nothing? an, der erklärt alles. Wenn ihr euch schon immer vorgestellt habt, wie Citizen mit stark verzerrten Gitarren klingen würden, dann solltet ihr unbedingt Greet Death antesten. Die Mischung aus langsamem Shoegaze mit Emo, Grunge, Slo-Mo-Post-Hardcore und Rock erinnert mich nämlich nicht selten an die Band aus Ohio, auch Zeugs wie HRVRD oder Sore Eyelids klingen ähnlich atmosphärisch, allerdings bei weitem nicht so distortionlastig. Irgendwie bitter, aber wunderschön!


Krimi – „Selftitled“ (DIY) [Name Your Price Download]
Ohne Krimi deht die Mimi nie ins Bett! Haha! Bin mir sicher, dass kein einziges Review über irgendwelche Releases der Band aus Bielefeld ohne diesen bescheuerten Satz auskommem werden wird! Aber eigentlich ist das ja egal, denn diese fünf Songs hindern Dich sowieso daran, ins Bett zu gehen! Deutschpunk trifft auf Hardcorepunk, basslastig, Sturm nach vorne, melodisch wie Hölle und irgendwie hat das Ganze was von As Friends Rust. Undbedingt mal antesten!


Reflection – „Different Paths“ (DIY) [Name Your Price Download]
Aus irgendeinem Kaff in der Nähe von Belgrad stammt die serbische Band Reflection, auf die ich neulich beim Stöbern in Bandcamp aufmerksam wurde. Die Jungs machen schönen melodischen Hardcore, Post-Hardcore und Screamo-Einflüsse sind ebenfalls vorhanden. Mir gefällt v.a. die abgefuckt leidende Stimme des Sängers, die ziemlich viel Emotion und Schmerz in sich trägt. Dazu kommt massig Spielfreude, geile Gitarrenriffs, nach vorne gehende Drums und schön gegenspielende Basslines. Auch die Message stimmt, natürlich gibt es gesellschaftskritische Inhalte, Dinge werden hinterfragt, man gibt nicht kampflos auf. Neun Songs sind es zusammen mit dem Intro, und die machen absolut Bock, die Band irgendwann mal live zu erleben. Die Band sticht irgendwie aus der Masse an Melodic Hardcore-Bands heraus, testet die Jungs ruhig mal an!


Renàra – „Selftitled“ (dischi decenti) [Stream]
Hach, diese 5-Song-EP macht richtig Laune auf den Sommer! Renàra kommen aus dem Badeort Massa in Italien und das hier ist das erste Lebenszeichen des Quartetts. Und weil das Ding schon so in sich stimmig ist, kann auch gleich noch erwähnt werden, dass die Jungs natürlich keine lausigen Anfänger sind. Zuvor spielten die Mitglieder in Bands wie z.B. June Miller, Do Nascimiento und Son, dementsprechend ist es kaum verwunderlich, dass Renàra auch in Richtung Emo unterwegs sind. Und zwar in richtig schmissigem Flip-Flop-Twinkle-Emo, der gern auch mal knarzend und punkig um die Ecke linst und sich auch mal für einen Ausflug in die Neunziger durchringen kann. Auch die Herzschmerz-Fraktion wird gefüttert, dazu bringen die italienischen Texte einen gewissen Exoten-Bonus. Sehr schön!


Tolls – „Past Selves“ (DIY) [Name Your Price Download]
Es sind zwar nur zwei eigene Songs und eine Jimmy Eat World-Coverversion, aber dieses Release hat definitiv mehr Pfeffer im Arsch als so manch ganzes Album! Klangen die Songs auf dem Demo noch ein bisschen schwach in Punkto Aufnahmequalität, ist hier eine deutliche Verbesserung zu hören. Laut aufdrehen bitte, dann beamt ihr euch direkt in den Proberaum des Trios aus Eugene/Oregon. Bei geschlossenen Augen meine ich echt, den Wind der Crash-Becken und den Druck der Drums in der Baseballkappe zu spüren. Tolls gehen ihren Sound mit ganz viel Leidenschaft und Spielfreude an. Wer emotive Screamo mag, kommt hier jedenfalls voll auf seine Kosten! Unbedingt mal anchecken und anschließend im Auge behalten!


The Yaupon Holly – „Selftitled“ (DIY) [Stream]
Beim Bandcamp-Ausflug neulich entdeckt: the Yaupon Holly aus Gainesville. Nach ein paar Hörrunden wollte ich etwas mehr über die Band in Erfahrung bringen, aber das Internet gibt keinerlei Informationen her, nicht mal ’ne Social Media-Seite gibt’s. Wahrscheinlich bin ich auch zu doof, ich bekomme nur Ergebnisse über Stechpalmen-Gewächse auf den Schirm. Egal, die fünf Songs dürften alle Leute bedienen, die diesen 90’s-US-Emocore der rauen Sorte mögen, der mit Elementen aus Post-Hardcore und Punk angereichert ist und stark düster und verzweifelt klingt. Ein bisschen Ebullition, ein bisschen Gravity, ein bisschen Planes Mistaken For Stars. Schönes Artwork!