Farewell Signs – „Dead Body Language“ (Modern Illusion Records u.a.)

Kaum auf die Besprechungsanfrage mit Aussicht auf ein Vinylbemusterungsexemplar mit starkem Interesse geantwortet, kam auch schon ein paar Tage später das gute Stück ins Haus geflattert. Die 12inch ist auf den Labels Modern Illusion Records aus Ulm (ganz in meiner Nähe) und Passion Means Struggle aus Plauen erschienen. Und die Labels samt Band haben sich für das Debutalbum der Band aus Süddeutschland richtig ins Zeug gelegt und haben in das Ding ihr ganzes Herzblut reingepumpt, DIY to the maxx! Das dystopische Albumartwork wurde von Gitarrist Martin Hofmann entworfen. Passend zum Albumtitel starren zwei Skelette in militärischer Uniform auf einen Funkturm. Vielleicht findet sich in den Texten ein Hinweis, was es damit auf sich hat. Das Albumcover ist auf starken Karton gedruckt, aus dem Inneren purzelt ein Downloadkärtchen, ein paar Aufkleber und ein schön gefaltetes Textblatt, in dem alle Lyrics und Live-Photos der Bandmitglieder abgedruckt sind. Zudem erfährt man hier auch, dass die Band von der Aufnahme bis zum Mastering alles größtenteils selbst in die Hand genommen hat, ein paar unterstützende Hände aus der Unity waren aber auch mit von der Partie. Die 12inch selbst rutscht schön sanft aus der gefütterten Innenhülle. Und da kommt schon das nächste wow! Mein Exemplar kommt in marbled grey und sieht auf dem Plattenteller richtig klasse aus. Es gibt aber auch noch Exemplare in marbled green oder marbled blue.

Es ist immer wieder schön, wenn man in neuen Bands Leute sieht, die sich schon jahrelang in der Szene tummeln und deren frühere Bands mit ihren Releases immer noch in der eigenen Musiksammlung einen festen Platz haben, die man damals sogar live erlebt hat, tatsächlich alle drei! Ich spreche von den Bands Driving The Salt, Red Tape Parade und Brigdes Left Burning, denn aus diesen Bands wirken bei der bayerischen Band Farewell Signs Ex-Bandmembers mit. Und dieser Spirit, den diese Bands damals mit ihrem Sound Anfang der Nuller herum versprüht haben, ist immer noch ein fester Bestandteil bei Farewell Signs. Hier kann man aus jedem Ton die Spielfreude, die Leidenschaft und das Herzblut hören und spüren. Aber von vorn: Farewell Signs haben sich im Jahr 2022 gegründet und die elf Songs des Debutalbums wurden zwischen April 2022 bis Mai 2023 häppchenweise in Form von drei digitalen EPs releast (1. EP Dead, 2. EP Body, 3. EP Language). Wenn man mal das Artwork der drei EPs betrachtet, bemerkt man, dass alle Motive aus modernen Kommunikationsmitteln bestehen. Die zwei auf dem Albumcover miteinander quatschenden Skelette sehen zwar auf einen Funkmast, befinden sich aber in einer idyllischen Umgebung. Dazu später mehr!

Die A-Seite beginnt leise, es baut sich langsam Spannung auf, Gitarre, Bass und Drums kommen immer mehr in Fahrt, dazu ein Sänger, der sich die Angst und den Frust von der Seele schreit, dabei auch ziemlich viel Emotion mit reinpackt. Der Song wirkt wie ein schleppendes Intro, denn die nachfolgenden Stücke gehen straighter nach vorn. Hier gibt es eine explosive Mischug aus Hardcore, Melodic Hardcore, Modern Hardcore, Punk, Metalcore und Rock auf die Ohren. Die Songarrangements sind stimmig und man ist definitiv am Kopfnicken, wenn man das Album gerade hört, zwischendurch schnellt auch mal eine Faust unkontrolliert in die Höhe. Mal wird Gas gegeben, dann mosht es derbe und im Midtempo (While They Betray), dann geht es rasant und treibend zur Sache (The Match, The Spark), hier und da ein Breakdown, dort ein paar Chöre oder ein grooviger Abgeh-Part, also sprich richtig abwechslungsreich und stimmig. Und natürlich auch richtig emotional! Immer wieder dringt ein melodisches Gitarrenriff oder ein catchy Refrain an die Oberfläche, Death Ceremony z.B., ein ziemlich geiler Song, bei dem ich schon die empor gestreckten Fäuste im Pit vor mir sehe! Die Meute dreht durch! Und auch die B-Seite bringt einen Hammersong nach dem nächsten. Die Jungs brennen echt lichterloh! Überhaupt ist der Band eine tolle Symbiose aus dem Spirit der Nuller und modernem Soundgewand gelungen! Die Produktion hört sich schön fett an! Musikalische Vorbilder sind sicherlich Bands wie die frühen Ignite, Comeback Kid, Just Went Black oder Day Of Contempt.

Ach ja, und jetzt noch schnell zu den ebenfalls durchdachten Lyrics, die schön tiefgründig gehen. Neben gesellschaftlichen Missständen in einer immer roher werdenden Welt kommen auch Alltagsängste zur Sprache, Entfremdung, der von kapitalistisch orientierten Konzernen diktierte Alltagstrott, der uns zu seelenlosen Zombies macht und die wichtige Bedeutung von Freundschaft und Zusammenhalt sind ebenfalls Themen. Ein wesentliches Problem unserer Gesellschaft wird auch thematisiert, und da kommen wir wieder auf den Albumtitel und das Albumartwork zurück und hören den Groschen fallen: all das oben genannte Leid könnte sich verbessern, wenn nicht so viel negative Kommunikation in modernen Medien stattfinden würde. Man denke da nur an die vielen Troll- und Hass-Kommentare in irgendwelchen Social Media-Kanälen, an belanglose Sprachnachrichten mit nicht relevantem Inhalt. Oder auch Chats mit etlichen Tipp- und Grammatikfehlern und verschwundenen Satzzeichen, KI-Autokorrektur-Unsinn ist ebenfalls eine Plage. Hier also mein Interpretationsversuch des Albumcovers: die fehlende Fähigkeit der „echten“ Kommunikation von Angesicht zu Angesicht steht im Kontrast zur modernen, seelenlosen Kommunikation, die uns immer mehr in den Abgrund treibt. Starkes Debut, wahrscheinlich nicht nur für mich eines der besten Hardcorealben aus Deutschland im Jahr 2023! Müsst ihr unbedingt anchecken!

10/10

Facebook / Bandcamp / Modern Illusion Records


Bandsalat: Closedown, Excide, If I Die First, Mouthing, Overo, Asthenia, Solace., The Fall Of Troy, Wake The Dead

Closedown – „Bask In The Dancing Light“ (Middle Man Records) [Stream]
Was mit einem astreinen The Cure-Gitarrenriff beginnt, verwandelt sich binnen einem Bruchteil einer Sekunde in ein rasendes und chaotisches Gemisch aus Screamo und Post-Hardcore. Boah, ich brech ab! Das packt mich direkt! Die Gitarren pendeln zwischen melancholisch, brachial und dissonant, die Drums wirbeln ordentlich Staub auf und der bzw. die Sänger gurgeln sich die Seele aus dem Leib, Verzweiflung und Leiden hört man hier deutlich raus. Zwischendrin gibt’s ruhigere Passagen, wieder mit The Cure-Bässen und Gitarren, auch ein bisschen meditativ. Kurz bevor man Lust verspürt, Yoga-Übungen zu machen, wird es aber wieder brachial und intensiv. Sehr spannende Sache, diese vier Songs!


Excide – „Actualize​/​Radiation Reel“ (New Morality Zine) [Name Your Price Download]
Nach einer supergeilen 3-Song-EP im Januar diesen Jahres schiebt die Band aus South Carolina zwei weitere Songs hinterher. Schön groovy geht es hier in Richtung der Neunziger, als Bands wie Snapcase, Quicksand oder Bad Trip diesen groovigen Post-Hardcore populär machten. Die zwei Songs machen zusammen mit den drei Songs der Debut-EP jedenfalls tierisch Lust auf ein ganzes Album! Müsst ihr unbedingt abgreifen!


If I Die First – „My Poison Arms“ (DIY) [Name Your Price Download]
Wenn man diese EP hier hört, wird man direkt in seelige Myspace-Zeiten kurz vor der Jahrtausendwende zurückgebeamt! Die Band If I Die First klingt dazu richtig frisch und man kann förmlich die Emo-Scheitel rumschleudern sehen! Die musikalischen Vorbilder sind hier eindeutig Bands wie Underoath und Saosin. Wenn man übrigens ein bisschen im Netz gräbt, dann findet man heraus, dass sich in der Band eine Menge Promis tummeln. So setzt sich das Sextett aus Leuten zusammen, die man von Bands wie From First To Last und Ghostname kennt. Und dann gibt’s da noch so ’nen Autotune-Emo-Rap-Typen namens Lil Lotus, der sogar schon mal was auf Epitaph veröffentlichen durfte. Bei Autotune-Vocals krieg ich Brechreiz, Gesichts-Tattoos sind auch irgendwie irre. Das, was Lil Lotus hier abliefert, nehme ich dem Typen eher ab. Aber wahrscheinlich wurde hier im Studio auch noch reichlich höher gepitcht, die Schreistimme kommt im Kontrast dazu deutlich besser rüber. Falls es die Band nach der Pandemie irgendwie schaffen sollte, hier in der Gegend aufzutreten, dann stehe ich wahrscheinlich mit tausend kreischenden Mädels in der ersten Reihe. Fast so wie damals, nur weniger Kajal und mehr Gesichtstattoos.


Mouthing – „Selftitled“ (The Ghost Is Clear Records) [Name Your Price Download]
Sieben Songs in fünfzehn Minuten, da bleibt nicht viel Zeit! Dementsprechend rasend sind Mouthing aus Houston, Texas unterwegs. Krachig und noisiger Screamo mit female Kreisch-Vocals, so könnte man den Sound der Band in etwa beschreiben. Dazu lassen sich Parallelen zu Black Metal, Grind, Crust und Industrial erkennen. Die Apokalypse lässt grüßen, hier bekommt man 100 Prozent Wut, Verzweiflung und Auswegslosigkeit zu spüren. Die einzig melodische Gitarre lässt sich beim Song Disorder Of Atoms vernehmen, aber auch da nur ganz entfernt und mit extrem abgehärtetem Gehör. Neben der 12inch auf The Ghost Is Clear Records gibt es übrigens auch Tapes über Zegema Beach Records.


Overo & Asthenia – „Split 7inch“ (Middle Man Records u.a.) [Name Your Price Downloads]
Eigentlich war dieses Release als Aufhänger für eine gemeinsame Japan-Tour der beiden befreundeten Bands gedacht, aber Dank der Pandemie gab es jetzt eine Planänderung. Dass die Split überhaupt erscheinen konnte, ist nur den Labels zu verdanken, die gemeinsam das Release ermöglichten. Insgesamt acht quer über die Erde verteilten Labels darf man deshalb lieb haben: Middle Man Records, Forge, Count Your Lucky Stars, Pundonor, strictly no capital letters, Lilac Sky, Polar Summer und Scully Records. Nun, Overo wurde von Mitgliedern der Bands Football, etc. und Perfect Future im Jahr 2018 ins Leben gerufen. Die Band hat sich mit Haut und Haaren dem 90’s Emocore verschrieben. Die zwei zu hörenden Stücke klingen wahnsinnig intensiv und kitzeln die Emotionen zwischen lauten und leisen Passagen nur so raus! Der wechselseitige Frau/Mann-Doppelgesang setzt dem Ganzen noch die Krone auf! Schade, dass es nur zwei Songs sind, davon könnte ich locker mehr vertragen. Aber die Entschädigung folgt mit den zwei folgenden Songs der Band Asthenia, die ja leider ihre Stücke nur tröpfchenweise unter das Emo-Volk bringt. Was war das für eine Überraschung, als mir Sänger Hiroshi Sasagawa als Dank für ein Review einst die Four Songs 10inch (die ich wie einen Goldschatz hüte) zugeschickt hat, wohlgemerkt aus Japan! Die zwei Songs der Split lassen mich logischerweise auch nach mehr lechzen. Auch wenn die Texte in japanischer Sprache vorgetragen werden, kann man hören, dass die Nerven blank liegen und Verzweiflung in der Luft liegt. Die zwei Stücke klingen jedenfalls nicht weniger intensiv und emotional wie die ihrer Split-Partner. Sollte ich irgendwann in den Genuss kommen, dieses tolle Emo/Screamo-Release zu besitzen, dann würde ich schwer vom Plattenspieler wieder wegkommen, weil ich ständig mit dem Umdrehen der 7inch beschäftigt wäre. Ein tolles Release, das man problemlos in Dauerrotation genießen kann, ohne dass je Langeweile aufkommen würde. Fans von Bands wie Yaphet Kotto, Daitro, Don Martin Three, Moss Icon oder diverser Gravity Records Releases werden das hier innig lieben!


Solace. – „I’ll Be Fine“ (Trost Records) [Stream]
Es war einmal die Band From Mountains To Stars aus Aarau in der Schweiz. Nach den für eine Band üblichen Lineup-Wechseln fühlte es sich wohl nicht mehr nach der ursprünglichen Ausgangssituation an, so dass sich ein kaum bemerkbarer Namenswechsel anbot. Solace mit Punkt am Wortende. Wahrscheinlich kam eines Tages irgendjemand aus der Band in den Proberaum und sagte: Ab heute heißen wir Solace. Punkt! Ende der Durchsage! Irgendwie eigentlich auch egal, alles Nebensache. Denn die Musik der Schweizer kann sich sehen bzw. hören lassen. Bisschen Post-Hardcore, etwas Screamo und eine kleine Portion Melodic Hardcore, alles gut ineinandergeflochten. Eine druckvolle Produktion, melancholische Passagen und nach vorne preschende Abgeh-Parts runden das Ganze ab. Für ein Debutalbum mit neun Songs mangelt es auch keineswegs an Abwechslung. Ich mag die Gitarren, die einerseits sehr verspielt und melancholisch klingen, dann aber auch wieder krass Powerchords abliefern. Hier sind Leute am Start, die mit Haut und Haaren in ihrem Sound aufgehen. Müsst ihr mal unbedingt anchecken!


The Fall Of Troy – „Mukiltearth“ (Big Scary Monsters) [Stream]
Auf diesem neuen Album der Achterbahn-Band The Fall Of Troy passiert etwas Verrücktes! Hier treffen Vergangenheit und Gegenwart auf einem Tonträger zusammen. Die Songs der ersten Hälfte des Albums sind Relikte aus der Anfangszeit der Band, damals waren die Jungs noch unter dem Namen The Thirty Years War unterwegs. Natürlich wurden die Songs neu eingespielt. Und diese erste Hälfte versprüht so viel Energie, Frische und Spielfreude, natürlich schwingt auch massig Nostalgie-Bonus mit. Die Gitarren flirren, der Bass knödelt, die Drums takten präzise, es wird gescreamt und gesungen. Und immer schafft es die Band, mir ein Grinsen in die Fresse zu zaubern, indem sie diese gewisse Hookline rausballert. Auf der einen Seite emotive as fuck, auf der anderen Seite melodisch und hart! Die zweite Hälfte des Albums spiegelt die Gegenwart wider. Nachdem die Bandmitglieder in 15 Jahren einige dunkle Täler durchqueren mussten, klingen die neu geschriebenen Stücke um einiges angepisster, wütender und düsterer. Durch das Riffing bei den neuen Stücken groovt es etwas mehr, zudem braucht es ein bisschen länger, bis die Songs hängen bleiben. Mir persönlich gefällt die Vergangenheit zwar etwas besser, aber die Gegenwart ist keineswegs zu verachten! Bleibt zu hoffen, dass es mit der Band-Achterbahnfahrt in Zukunft etwas weniger turbulent wird!


Wake The Dead – „Still Burning“ (Engineer Records) [Name Your Price Download]
Der Bandname ist bei den Franzosen Programm! Ob sich die Jungs nach dem gleichnamigen Album der Band Comeback Kid benannt haben, wird man wahrscheinlich in jedem zweiten Review lesen. Naja, passt ja auch irgendwie, denn das Quintett ist im Modern Hardcore unterwegs und macht ziemlich flotten und wütenden Hardcore mit melodischen Untertönen, da kommen natürlich Bands wie Landscapes, More Than Life, Defeater, Counterparts und eben Comeback Kid in den Sinn. Und auch beim dritten Album reißen die Jungs Mauern ein und schaffen es, bei mir mit ihrem energiegeladenen Sound Gehör zu finden! Oh Mann, da hört man die Kraft und die Spielfreude deutlich raus. Die Band sitzt bestimmt momentan hibbelig zuhause und wartet nur darauf, dass die Pandemie bald vorbei ist und man wieder on the road gehen kann, um diese Energie auf Live-Shows freizusetzen. Schön abwechslungsreich geht es obendrein zu, der Sound ist gewürzt mit Gangshouts, Beatdowns, permanenten Rhythmuswechseln und verzweifeltem Geschrei. Ein starkes und kurzweiliges Album!


 

Bandsalat: Between Bodies, Be Well, Diaz Brothers, Jamie Lenman, Lakes, Neànder, Pacifist, Winds Of Promise

Between Bodies – „On Fences“ (KROD Records) [Name Your Price Download]
Ordnung und Übersicht zu behalten, ist manchmal gar nicht so einfach in diesen schnelllebigen Zeiten. Wenn man deshalb mal wieder Jahres-Festplattenputz macht und dabei die ganzen gesetzten Lesezeichen durchackert, dann stößt man doch immer wieder auf Zeugs, auf das man eigentlich schon vor längerem hinweisen wollte. Die Kölner Band Between Bodies z.B. veröffentlichte im Dezember letzten Jahres eine tolle EP mit sechs Songs, die allen Emo-Punks die Äuglein leuchten lassen. Mir kamen beim Lauschen der Songs Bands wie Pale, By A Thread, Samiam, Flyswatter, Audio Karate oder Gameface in den Sinn. Auf der einen Seite dieses arschtretende Tempo, auf der anderen Seite diese melancholische Grundstimmung und darüber hinaus Melodien, die sich tief im Hirn einnisten. Und natürlich berührend und nachdenklich machende Lyrics, die mit klarer Stimme von Herzen vorgetragen werden. Ja, genau so muss energiegeladene und herzergreifende Gitarrenmusik abgehen! Lustig auch: vergleicht mal das EP-Cover mit dem Cover der ebenfalls in dieser Bandsalat-Runde besprochenen EP von Pacifist…

Be Well – „The Weight And The Cost“ (End Hits Records) [Stream]
Wenn sich Ex-Mitglieder von Battery, Darkest Hour, Bane und Fairweather zu einer neuen Band zusammenschließen und mit Brian McTernan auch noch gleichzeitig ein Produzent einiger wegweisenden Genre-Alben mit von der Partie ist, dann darf man schon mal hohe Erwartungen haben, was dabei raus kommt. Und ja, die hohen Erwartungen werden absolut befriedigt! Be Well haben ein intensives Album mit elf Songs abgeliefert, das sowohl musikalisch als auch mit textlichem Inhalt überzeugen kann. Hauptsätzlich werden persönliche Erfahrungen verarbeitet und letztendlich zeigt sich, dass es für die mentale Gesundheit Gift ist, alles in sich hineinzufressen und sich zu isolieren. Seine Ängste, Sorgen und Gefühle offen zu legen, kann viel mehr helfen! Und bei Brian McTernan merkt man, dass er diese Erfahrungen mit Haut und Haaren erlebt hat, die Vocals sind sehr emotional und überzeugend. Insgesamt herrscht neben der melancholischen Stimmung eine hohe Portion an Energie. Die Gitarren hauen ein Hammerchord nach dem anderen raus, dazu gesellen sich treibende Drums und gegenspielender knackiger Bass, natürlich setzt die eindringliche Stimme von Brian McTernan dem Ganzen die Krone auf. Es gibt so viel Melodie und hymnische Refrains (z.B. im Final-Stück Confessional) zu entdecken, im Prinzip wird man bereits nach dem ersten Durchlauf süchtig nach dem Sound von Be Well. Ich feier’s ab!


Diaz Brothers – „Selftitled“ (Boss Tuneage Records) [Stream]
Ich flippe aus! Wahnsinn! Das hier müsst ihr euch echt anhören, falls noch nicht bekannt. Die Band Diaz Brothers ist tief in der UK-Punkszene verwurzelt. Trotz relativ hohem Altersdurchschnitt klingt die Band wie ein frischer Wirbelwind voller Emotionen! Die Band hat sich nach dem Tod von Leatherface-Gitarrist Dickie Hammonds gegründet, mitunter sind hier Leute am Start, die man von etlichen Bands her kennt. Bisschen Name-Dropping an dieser Stelle kann nicht schaden, ich beschränke mich dabei auf ein paar der bekannteren: HDQ, Shutdown, Red Alert, Angelic Upstarts, Tied Down, Loudmouth, 36 Strategies und The Jones. Die zehn Songs haben so viel Durchschlagskraft, Wucht, Melancholie, Charisma, Spielfreude, Melodie und Energie im Gepäck, ich bin absolut begeistert und komm aus dem Grinsen nicht mehr raus! In die melancholisch gezockten Gitarren könnte man sich förmlich reinlegen! Der gegenspielende Bass und die kraftvoll gespielten Drums runden das Ganze ab und der einfühlsame Gesang klingt irgendwie so vertraut und intensiv, als würde man sich schon jahrlelang kennen. Dazu ist der Sound auch noch fett abgemischt. Fans von emotionalem Punk-Core á la HDQ, Samiam, Snuff, Leatherface oder Down By Law werden vor diesem Album niederknien!


Jamie Lenman – „King Of Clubs“ (Big Scary Monsters) [Stream]
Nach dem Coveralbum mit den eigenwilligen Coverversionen kommt der Ex-Frontmann von Reuben wieder mit eigenen Kompositionen um die Ecke. King Of Clubs besteht in seiner digitalen Form aus sieben Songs. Wer sich das Mini-Album in physischer Form zulegt, bekommt akustische Versionen der Songs als Belohnung mit dazu. Neben dem Digipack aus reiner Pappe ist das Ding als 12inch erschienen. Das dunkle Artwork lässt erst beim genaueren Hinschauen eine Art Kreuz-König aus der Dunkelheit hervortreten. Im Inneren wird das Kartenspielthema weitergeführt, denn da ist Jamie Lenman als Kreuz-Ass-König mit seiner Gitarre als Zepter abgebildet. Der Opener legt direkt mit fetten, groovenden Gitarren und wütendem Schreigesang los. The Future Is Dead klingt wie eine Mischung aus Refused und Body Count, was mitunter auch an den Guest-Vocals vom Londoner Hip-Hopper Illaman liegt. Auch im weiteren Verlauf überwiegen die wütenden und teils dissonanten Gitarren, der brachial und groovende Soundteppich aus Gitarre, fuzzy Bass und kraftvoll gespielten Drums geht dazu auch noch gut ins Ohr. Denn trotz der wütenden Grundstimmung schleichen sich immer wieder melodische Momente ein. Neben Post-Hardcore, Punk, Noise und Sludge sind auch Industrial-Einflüsse á la Ministry oder Nine Inch Nails zu vernehmen. I Don’t Wanna Be Your Friend ist z.B. ein richtig fieser und dreckiger kleiner Hardcore-Punk-Fetzer mit grungig verzerrten Gitarren und geiler Message an all die Pisser, die die Welt nicht braucht. Das Mini-Album endet mit dem instrumentalen Titelsong King Of Clubs, das sich stets steigernd den Weg breitwalzt. Und wer sich die physische Version zulegt, kann sich anhand der akustischen Versionen ein Bild machen, wie kreativ, experimentell und vielseitig Jamie Lenman unterwegs ist. Da kommen auch mal Töpfe, Pfannen, Trompeten, Handclaps, elektronische Spielereien und Posaunen zum Einsatz. Die Unplugged-Songs sind eine schöne Beigabe, die verzerrten Versionen werden aber zumindest bei mir in Zukunft häufiger ihre Runde drehen. Sehr starkes Mini-Album!


Lakes – „This World Of Ours, It Takes Apart“ (Know Hope Records) [Stream]
Ein Glockenspiel, Emo-Twinkle-Gitarren, eine Trompete, weiblicher und männlicher harmonischer Gesang kombiniert mit melancholischem Emo-Rock, kann das funktionieren? Oh ja, es kann. Schade eigentlich, dass es nur zwei Songs auf der neuen EP der Band Lakes aus Watford, UK sind, ich könnte locker mehr vertragen. Das Sextett organisiert und produziert seine Musik, Videos und Gigs selbst, DIY wird hier groß geschrieben. Als Einflüsse sind ganz klar Midwest-Emo-Bands erkennbar. Wenn ihr euch eine Mischung aus American Football, Algernon Cadwallader, Minus The Bear, Snowing und Appleseed Cast vorstellen könnt, dann solltet ihr hier mal rein hören.


Neànder – „Eremit“ (Through Love Rec.) [Stream]
Das vielgelobte Debutalbum ist noch gar nicht so lange her, da legt die Berliner Band Neànder nach anderthalb Jahren gleich das zweite Album nach. Ja, man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist! Und Neànder machen das konsequent und präzise auf den Punkt! Der rein instrumentale Sound hat auf den ersten Höreindruck ein bisschen an Tempo verloren, die Heavyness und Schwere wird dadurch aber keineswegs weniger, im Gegenteil! Mir erscheint es, dass alles noch intensiver und dichter wirkt. Die Soundscapes verflechten sich während der vierzigminütigen Spielzeit immer mehr ineinander, was natürlich insgesamt betrachtet extrem atmosphärisch und episch klingt. Zwischen den Pfeilern Doom, Black Metal, Sludge und Ambient treten die Musiker ihren Pfad weiter aus, schauen auch mal hoffnungsvoll über den Tellerrand, auch wenn größtenteils düstere Finsternis und tiefste Melancholie herrscht. Passend zum Albumtitel Eremit ist auf dem Albumfront- und Backcover jeweils ein einsamer Typ in der Landschaft abgebildet, sehnsuchtsvoll in die Landschaft bzw. auf’s Meer blickend. Und genauso in sich gekehrt wirkt die Musik des Quartetts, dessen Mitglieder natürlich auch schon vor Neànder in Bands wie z.B. And, Patsy O’Hara, Earth Ship oder Casper in Erscheinung getreten sind. Anhand der ausgetüftelten Soundarrangements merkt man, dass die Jungs eine genaue Vorstellung hatten, wie das am Ende alles klingen soll. Obwohl Instrumental-Mucke nicht gerade mein Steckenpferd ist sage ich: Äußerst gelungene Mission, Alter!


Pacifist – „Greyscale Dreams“ (DIY) [Name Your Price Download]
Dieses Release erschien zwar schon letztes Jahr im Juni, leider stieß ich da erst neulich beim Bandcamp-Ausflug drauf und weil es so hammermäßig gut ist, muss ich da einfach was drüber schreiben. Pacifist kommen aus Mumbai in Indien und klingen eigentlich sehr nach 90’s-US-Hardcore bzw. Post-Hardcore. Auf der EP sind vier mitreißende Stücke zu hören, die ab dem ersten Ton aufhorchen lassen. Sauber gespielte Gitarren, teils höllisch groovend und dann wieder mit melancholischer Unternote, treffen auf Druck machende Drums und verzweifeltes Geschrei. Bei all der Power gibt es aber immer wieder unterschwellige Melodien zu vernehmen. Soundtechnisch dürften Bands wie Snapcase, By The Grace Of God, At The Drive-In, Inside Out oder Glassjaw Pate gestanden haben. In den Texten geht es um Alltagsängste und mentale Gesundheit in der heutigen trostlosen und düsteren Welt. Das Leben in der riesigen Metropole Mumbai gibt dem Quartett jedenfalls genügend Stoff für verzweifelte Endzeitstimmungsgefühle. Hört da unbedingt mal rein, Pacifist muss man im Auge behalten! Lustig auch: vergleicht mal das EP-Cover mit dem Cover der ebenfalls in dieser Bandsalat-Runde besprochenen EP von Between Bodies…


Winds Of Promise – „Cut. Heal. Scar“ (Coretex Records) [Stream]
Oh Yeah! Neuer Stoff in Sachen OC-Hardcore! Nach dem 2018er Debut kommt die Band mit ihrem zweiten Album um die Ecke. Und irgendwie ist das noch geiler als das Debut geworden, obwohl ein bisschen Tempo rausgenommen wurde! Die US-Hardcorelegenden Joe D. Foster, Patrick Longrie und Joe Nelson (Unity, Uniform Choice, Ignite, Triggerman u.a.) haben es immer noch raus, mitreißende Musik zu schaffen. An die Gitarrenriffs von Joe D. Foster lasse ich nichts Schlechtes kommen! Ich liebe alle Bands, bei denen er die Gitarre schwingt bzw. geschwungen hat abgöttisch. Gerade die ersten Ignite-Sachen mit Joe Nelson, der ja auch bei Winds Of Promise singt, sind einfach zeitlos geil! Gut, dass er das sinkende Schiff Ignite rechtzeitig verlassen hat und auch nie müde wird, uns mit Speak 714, The Killing Flame, Last Light, Blood Days oder eben Winds Of Promise permanent seine unerbittliche Spielfreude zu beweisen. Wenn ihr dem Sound von Bands wie 411, No For An Answer, Embrace, frühen Dag Nasty oder eben den ersten Ignite-Sachen nachtrauert, dann bitte hier entlang!


 

Bandsalat: Among Familiar Faces, AUA, Coriky, Deadly Habit, Hard Strike, Leitkegel, Owen, Pabst

Among Familiar Faces – „Blank“ (DIY) [Stream]
Auf Among Familiar Faces aus Wolfsburg bin ich neulich bei Bandcamp gestoßen. Die aktuelle EP des Quintetts umfasst fünf Songs, die man zwischen den Pfeilern Melodic Hardcore, Post-Hardcore und Screamo einordnen kann. Sauber und emotive gespielte Gitarren treffen auf wuchtige Drums und leidend herausgekreischte Vocals, dabei steht die Melodie und das Drama im Vordergrund. Die Songarrangements sind jedenfalls passend aufeinander abgestimmt, hier wurde die Balance zwischen bitter, heftig und gefühlvoll gut getroffen. Die Vorbilder sind mit Bands wie Counterparts, More Than Life, Touché Amore und Landscape schnell zu verorten, Among Familiar Faces sind aber keine reine und herzlose Kopie dieser Bands. Dem Sound der Jungs merkt man das Herzblut, die Leidenschaft und die Spielfreude an, zudem suhlt man sich mit Haut und Haaren in Verzweiflung. Die Textinhalte strotzen nur so vor Verlustängsten, Auswegslosigkeit und anderen Themen aus der mentalen Befindlichkeit. Also, mir gefällt das ganz schön gut, Among Familiar Faces werde ich lieber mal im Auge behalten!


AUA – „I Don’t Want It Darker“ (Crazysane Records) [Stream]
Bei AUA handelt es sich um ein Duo, das sich aus zwei Mitgliedern der Instrumental-Band Radare zusammensetzt. Die acht Songs des Debutalbums gefallen mir ziemlich gut. Grob kann man das, was die zwei Jungs da machen, in Richtung Lo-Fi-Indietronic einordnen. Mal wabert eine Surf-Gitarre durch die Lüfte, mal kommen Synthies zum Einsatz, elektronische Beats, hypnotisch wirkende Loop–Sounds und andere Soundspielereien sind ebenfalls mit von der Partie. Dann ist da noch diese warme Stimme, die gleich so vertraut klingt. Hört euch mal nur den Song Coke Diet an, das ist doch ein richtig kleiner Hit! Und auch beim Rest kann man sich entspannt zurücklehnen und dem ausgetüftelten Sound des Duos lauschen und tief eintauchen. Auf Vinyl kommt das sicher nochmals einen Ticken intensiver um die Ecke. Wenn ihr neben dem ganzen Krach, den ihr sonst so hört auch auf Zeugs wie Caribou, Air oder Autolux steht, dann lohnt es sich, AUA mal anzuchecken!


Coriky – „Selftitled“ (Dischord) [Stream]
Mit Coriky ist das in etwa so wie mit einem sehr guten Wein. Nach fünfjähriger Reifungszeit ist nun endlich der erwünschte Reifungsprozess abgeschlossen und das Debutalbum der Band aus Washington D.C. erschienen. Und weil reifer Wein nicht besser wird, sollte man mit dem Trinken nicht länger warten! Hört da also unbedingt rein, wenn ihr das nicht eh schon längst aus eigenen Stücken gemacht habt. Das Trio, das sich aus Ian MacKaye, Joe Lally und Amy Farina zusammensetzt, hat elf abwechslungsreiche Stücke eingespielt, die bei mir seit Tagen in Dauerrotation laufen und bereits jetzt andeuten, dass das Ding das Zeug zum Meilenstein hat. Dass alle drei gleichberechtigt singen, macht die Geschichte noch abwechslungsreicher. Die hypnotisch wirkende Rhythmus-Symbiose aus laid back gespielten Drums und faszinierenden Bassmelodien bildet das Grundgerüst, dazu kommen tolle Gitarren und natürlich die mehr als vertrauten Stimmen der Bandmitglieder, verkopfte Lyrics verstehen sich von selbst. Insgesamt gesehen, ist Coriky eine ruhige Angelegenheit, auch wenn hier und da mal ein paar Soundausbrüche zu vernehmen sind. Die Einflüsse aus Punk, Hardcore, Emo und Post-Hardcore sind schon noch am Rand wahrzunehmen, dennoch würde ich das hier musikalisch eher irgendwo zwischen Indie, Jazz und Rock einordnen. Könnte mir vorstellen, dass es ein aufwühlendes Erlebnis wäre, Coriky in einer schummrig beleuchteten Bar live zu erleben. Fans von Fugazi können hier blind zugreifen, wer auf Karate steht, liegt ebenfalls nicht falsch.


Deadly Habit – „The Rule Of Ignorance“ (DIY) [Stream]
Pfiffigen Hardcore-Punk gibt es von Deadly Habit aus Berlin auf die Ohren. Insgesamt drei Songs gibt es auf The Rule Of Ignorance zu hören. Und die machen echt mal Lust auf mehr. Obwohl die Band auch schon wieder sechs Jahre auf dem Buckel hat, bin ich erst neulich beim Bandcamp-Ausflug auf die Jungs gestoßen und eigentlich sofort hängen geblieben. Auf der einen Seite klingen die Songs schön melodisch, auf der anderen Seite geht es aber auch kämpferisch und mit erhobener Faust flott nach vorne. Da schwappt die Spielfreude direkt aus den Lautsprechern! Wer auf Bands wie Strike Anywhere, Good Riddance, Miozän oder Great Collapse steht, sollte hier unbedingt mal reinhören.


Hard Strike – „The Conflict“ (Backbite Records) [Name Your Price Download]
Die Geschichte von Hard Strike ist schnell erzählt: zwei langjährige Freunde, die bisher bei Bands wie z.B. Baffdecks, Bone Idles, Blank und Null Art spielten, gründeten im Jahr 2019 die Band Hard Strike, Standort Köln. Nachdem zwei Songs geschrieben waren, wurden weitere Freunde kontaktiert. So fand man mit einem weiteren Bandmitglied der Bone Idles einen Schlagzeuger, zudem konnte ein Basser aufgetrieben werden, der bisher bei Punch und I Recover tätig war/ist. Außerdem konnte als zweiter Gitarrist kein geringerer als Ken Olden (Battery, Damnation A.D., Better Than A Thousand) gewonnen werden. Diese vier ersten Songs legen jedenfalls schon mal mit ordentlich Power los, die Gitarren klingen beim Opener sehr nach Joe D. Foster (Killing Flame, Ignite, Speak 714). Die Aufnahmen sind schön rotzig gehalten und haben ordentlich wumms, dazu kommt ein Sänger der sich wie ein wild gewordener Köter im Mikrofon verbeißt, erinnert ein wenig an den Nerve Agents-Sänger auf deren ersten Sachen. Ja, so geht oldschool-HC! Der Sound klingt ebenso kämpferisch wie die Texte! Ich hab jetzt schon den Moshpit vor Augen, auch wenn das mit Sicherheit noch ein Weilchen dauern wird, bis man wieder auf Vollkontakt gehen kann! Bis dahin wird halt das Wohnzimmer zum Moshpit. Lautstärkepegel nach oben und die Bude zerlegen, das klappt mit Hard Strike hervorragend!


Leitkegel – „Bis zum Ende“ (lala Schallplatten) [Stream]
Da legen Leitkegel aber mal blitzschnell nach. Das Album Wir sind für Dich da erschien Ende des letzten Jahres, nun war die Band für ein Wochenende im Februar – noch vor dem ganzen Lockdown-Gedöns – in den lala und Echolux Studios, um diese drei Songs einzuspielen. Und ja, die Jungs halten das hohe Niveau des Albums, textlich wie musikalisch liegt alles im grünen Bereich. Beim Song Bis zum Ende wirkt dann auch noch der Sänger der Erfurter Band Cortamaro mit. Jedenfalls beweisen Leitkegel innerhalb von drei Songs, dass sie sowohl leise als auch krachig und natürlich auch sprachlich einiges zu bieten haben. Die EP erscheint erstmal nur digital, einseitig bespieltes Vinyl in Form einer 12inch soll im November nachgeschoben werden.


Owen – „The Avalanche“ (Big Scary Monsters) [Stream]
Der perfekte Soundtrack für ein verregnetes Herbstwochenende mit Lockdown-Stimmung kommt dieses Mal von Mike Kinsella und dessen Soloprojekt Owen. Neun Songs haben den Weg auf ein Album geschafft, das vor Melancholie nur so überläuft. Kinsellas warme Stimme, verspielte Gitarren, kleinere Lo-Fi-Soundspielereien, trauriges Pianogeklimper, verträumte Glockenspiele und atmosphärisch eingesetzte Streicher werden eigentlich sehr harmonisch miteinander kombiniert. Bisher kam mir der Sound Owens weitaus sperriger vor, bei The Avalanche klingt alles insgesamt sehr viel flüssiger und offener als bei den bisherigen Releases. Neben der Musik sind es auch die Texte, die zur düsteren Trauerstimmung beitragen, hier werden schmerzvolle Gefühlsmomente -hervorgerufen durch eine zerbrochene Ehe – verarbeitet. Der traurige Höhepunkt wird dann mit dem Song Mom And Dad erreicht. Intimer kann es eigentlich kaum noch werden! The Avalanche ist meiner Meinung nach das bisher beste Owen-Release! Und ja, das Ding wird im Herbst sicher desöfteren laufen, das hier ist ein richtiges Kopfhörer-Album, das man sich keinesfalls entgehen lassen sollte!


Pabst – „Deuce Ex Machina (Ketchup Tracks) [Videos]
Letztes Jahr im Sommer kam ich erstmals mit der Band Pabst in Berührung. Das war auf dem kleinen aber feinen U&D-Obstwiesenfestival. Die Sonne blechte gnadenlos und eigentlich hätte man sich mit einem Kaltgetränk irgendwo in den Schatten setzen sollen, aber ab den ersten Klängen hatte Pabst die volle Aufmerksamkeit der kleinen Meute vor der Bühne. Mit grungig fetten Gitarren boten die drei Jungs ein überzeugendes Live-Set, das Debutalbum Chlorine konnte bei mir danach ebenfalls punkten. Nun also das zweite Album. Und das kann das Debut meiner Meinung nach nochmals toppen! Die coolsten Gitarrenriffs dieser Erde treffen auf Groove, hymnische Refrains stoßen auf fuzzy Wüstenrock, zwischendurch kommen leiernde Grunge-Gitarren zum Einsatz, poppig ist das Ding obendrein. Die Band hat ein gutes Gespür für stimmiges Songwriting, zudem hört man hier einfach raus, dass die Jungs von Spaß und Spielfreude angetrieben werden. Auch wenn die Bandmitglieder noch blutjung sind, schwingt in den Aufnahmen ein gewaltiger 90er-Vibe mit, zudem blinzeln bei manchen Songs die Hives um die Ecke, gerade in Bezug auf den Rock- und Arschtret-Faktor der Songs. Schlussendlich ist Deuce Ex Machina ein abwechslungsreiches Album mit elf Stücken geworden, die allesamt richtig gut ins Ohr gehen. Und wenn ich jetzt gerade an den schönen Sommertag auf dem Obstwiesenfestival zurückdenke, dann wäre ich gerne einer der Crowdsurfer und würde mir zu den Klängen von Ibuprofen taube Ohren holen!


 

Bandsalat: Aches, …And Its Name Was Epyon, Blackup, Cadet Carter, Dv Hvnd, The Razorblades, The Sewer Rats, Tim Vantol

Aches – „Dead Youth“ (DIY) [Name Your Price Download]
Die 5-köpfige Band Aches kommt straight outta Mannheim und veröffentlicht mit Dead Youth ihre mittlerweile zweite EP in Eigenregie via Bandcamp & Co. Und ja, das was die Jungs da fabriziert haben, kann sich durchaus hören lassen! Insgesamt gibt es sieben Tracks auf die Ohren, die musikalischen Vorbilder sind mit Bands wie z.B. More Than Life, Modern Life Is War, Giver, Life Long Tragedy oder Landscapes schnell verortet. Geboten wird also melodischer Modern-Hardcore, der zudem eine emotionale Kante vorweisen kann, gleichzeitig aber auch genügend Pfeffer im Hintern hat. Auch wenn die Melodie im Vordergrund steht, ist eine düstere Grundstimmung zu erkennen, die dann im letzten und ruhigsten Stück Asleep gipfelt, hier bleiben die Jungs rein instrumental und außer ein paar Rückkopplungsgeräuschen fast schon unverzerrt. Meine beiden Songfavoriten sind das mit einem verdammt catchy Gitarrenriff ausgestattete Stuck und das nach vorne preschende Lethargy. Der Sound ist übrigens schön satt abgemischt. Aufgenommen wurde mit Christian Bethge (The Tidal Sleep, Spirit Crusher, Criminal Body), gemastert hat Lewis Johns (Canvas, Giver, Grieved, Svalbard, More Than Life). Also, schaut mal vorbei, das hier hat wirklich Potential und zudem hatten die Jungs mit ihrem Release-Termin im April 2020 nämlich wie so einige Bands vor, die EP live zu supporten, was bekanntermaßen nicht möglich war/ist.


…And Its Name Was Epyon – „Visit To A Grave“ (DIY/Larry Records) [Name Your Price Download]
Nachdem die kalifornische Screamo-Band …And Its Name Was Epyon mit ihrer Debut-EP in der einschlägigen Szene bereits etliche Lorbeeren eingesammelt hat, hat das Trio seit Herbst letzten Jahres nun die zweite EP am Start. Und ja, die ist richtig geil und intensiv geworden! Die Jungs sind total mit sich im Einklang und spielen sich innerhalb von vier Songs dermaßen in Extase, da richten sich permanent die Nackenhärchen auf! Geboten wird emotive Screamo der Extraklasse! Geheultes Herzschmerzgeschrei, melancholische Gitarren, abgefahrene Songstrukturen, vertrackte Rhythmen, unterschwellige Melodien und ein wenig Chaos machen diese EP zu einem intensiven Hörerlebnis! Hört mal in den Song Side 7 rein, da ist eigentlich die ganze Bandbreite der Band zusammengefasst!


Blackup – „Club Dorothee“ (Rookie Records) [Stream]
Da mir Blackup aus Ghent/Belgien total unbekannt waren, hab ich einfach mal geschaut, was die Jungs bisher so vorzuweisen haben. Ach herrje, ganze neun Jahre sind seit dem letzten Album vergangen! Zwischendurch erschien eine EP und eine Split. Und nun also das zweite Album. Darauf sind zwölf frisch klingende Songs enthalten, die man grob im melodischen Punkrock/Garage-Punk einordnen kann, ein paar Noise-Einflüsse schimmern auch noch durch. Wer Bands wie die Wipers, Hot Snakes oder Rocket From The Crypt verehrt, dürfte auch am knackigen Sound des Quartetts Gefallen finden. Könnte mir vorstellen, dass Blackup live sicher verdammt gut rüberkommen könnten, denn diese Aufnahmen klingen sehr lebendig und authentisch. Die Zutaten sind zwar einfach, die Wirkung aber umso größer. Hier dringen fantastisch melodische Gitarren an die Oberfläche, dort gibt es coole Refrains zu entdecken, die pumpende Rhythmusmaschine aus Bass und Drums gibt den treibenden Takt an und natürlich darf dazu der Gesang nicht fehlen, der zwischen rau, melancholisch und hymnisch pendelt. Ja, Blackup machen hier alles richtig!


Cadet Carter – „Perceptions“ (Uncle M) [Stream]
Mit ihrem Debut-Album legten die Münchener Jungs von Cadet Carter die Messlatte ziemlich hoch. Obwohl mir das Album so gut gefiel, hab ich es versäumt, die Band irgendwie über Social Media oder auf anderen Kanälen zu stalken. Mittlerweile erschien ohne mein Wissen ’ne 3-Song-EP und wenn die lieben Leute von Uncle M mich nicht regelmäßig mit physischen Releases per Post versorgen würden, hätte ich das zweite Album der Jungs vermutlich gar nie mitbekommen. Was doch echt mal extrem schade gewesen wäre! Denn Cadet Carter machen auch beim Nachfolger zum Debut alles richtig, wenn nicht gar perfekt! Fangen wir mal beim blaustichigen Albumcover an: die Fotografie könnte auch in der Corona-Krise entstanden sein, oder? Eine leere Flughafenhalle mit nur einem Typ drin, der hirnlos auf ein Handy-Display starrt. Oh Mann, ich würde mir wünschen, dass der Flugraum über Deutschland für immer so leer bleiben würde, wie er die letzten paar Monate war. Aber wahrscheinlich sind die Flughafenhallen bald wieder mit schlafenden und stümperhaften Mund-Nase-Schutz-tragenden Menschen besetzt, die unbedingt irgendwo hin wollen, wo man sie absolut nicht haben will. Okay, der Digipack lässt sich aufklappen, aber leider gibt es kein Textheftchen. Wir Neunziger-Nostalgie-Nichtsnutze können ohne solche selbstverständlichen Gimmicks mit CD-Digipacks nichts anfangen, aber eigentlich ist es nicht schlimm, man versteht die gesungenen Texte ohne Probleme. Und ich verzeihe angesichts der zwölf sagenhaft tollen Songs jeglichen anderen Fauxpas, der weitaus schlimmer wäre, wenn es ihn überhaupt gäbe. Und warum ist das Ganze hier so faszinierend? Unvorhersehbare Songstrukturen treffen auf eingängige Hooks, dazu gesellen sich Refrains, die sich erst nach mehrmaligem Hören einbrennen, aber dann für immer bleiben. Die mehrstimmigen Refrains dürften Jimmy Eat World-Fans etliche Tränen in die Augen treiben, Midwest-Emo- und 90’sEmo-Fans sollten hier auch auf ihre Kosten kommen!


Dv Hvnd – „Bollwerk“ (Last Exit Music) [Stream]
Meine Deutschpunk-Phase ist ja schon einige Jahrzehnte her, damals holte man sich die einschlägigen Infos aus Zines wie dem Plastic Bomb oder dem Pankerknacker. Momentan bin ich in dieser Szene nicht so wirklich verankert, daher war mir der Sound der Band aus Wiesbaden auch nicht geläufig, bis diese Digipack-CD in meinem Briefkasten landete. Dabei gibt es die Band jetzt auch schon wieder seit 2012. Nun, die abgedruckten deutschen Texte prophezeien schonmal, dass wir es hier nicht mit peinlichem Fun-Punk oder stumpfem Sauf-Punk zu tun haben. Gesellschafts- und Sozialkritik sind immer wiederkehrende Themen auf diesem Bollwerk. Melodische Gitarren an der Schwelle zum Skate-Melodypunk, treibende Drums und Hits am laufenden Band lassen die zehn Songs mit einer Spielzeit knapp über 20 Minuten verdammt kurzweilig erscheinen. Wenn ihr euch eine Mischung aus Supernichts, V-Mann Joe, But Alive, Helmut Cool, Knochenfabrik und NOFX vorstellen könnt, dann solltet ihr hier mal reinhören.


The Razorblades – „Howlin‘ At The Copycats“ (General Schallplatten) [Video]
Die etwas ungewöhnliche Aufmachung der CD passt vom Format her leider nicht in den CD-Schrank, das kleine Teil muss in die 7inch-Kiste gepackt werden. Aber vorerst wird das Album noch ein paar Runden im Player zurücklegen und dann brauch ich für unterwegs noch einen mp3-Rip. Denn The Razorblades machen arschcoolen Surf-Rock, der dazu noch super ins Ohr geht und Elemente von Punk und Powerpop mit an Bord hat. Insgesamt 16 Songs haben die Wiesbadener Urgesteine auf die CD gepackt. Die LP-Version kommt als Doppel-LP im Gatefold-Cover und ist sicher auch nicht zu verachten. Jedenfalls ist das Album mit einer Spielzeit von 47 Minuten zwar recht lang ausgefallen, dennoch kommt keinerlei Langeweile auf. Das liegt v.a. an den abwechslungsreichen Songstrukturen und den locker aus den Ärmeln gespielten Twang-Gitarren. Ein paar Lieblingssongs sind natürlich schnell gefunden, z.B. Smelling Like A Dog and Dancing Like A Chicken, I Wish You Wouldn’t Dance Away, King Of The Penguins oder Upside Down wären da zu nennen, aber auch die wenigen Songs mit Gesang sind erste Klasse! Eigentlich der perfekte Soundtrack für ein 70er-Kult-Roadmovie!


The Sewer Rats – „Magic Summer“ (Uncle M) [Stream]
Der Sommer kann kommen! Und zwar mit dem vierten Album der Kölner Jungs The Sewer Rats. Ab dem ersten Song scheint der Mucke die Sonne aus dem Arsch und man bekommt direkt Lust, das Skateboard aus dem Keller zu entstauben und die alten Knochen ernsthafter Gefahr auszusetzen. Vom Sound her wird hier dem Ami-Skate-Punk der 90er kräftig Tribut gezollt. Und das mit Leidenschaft und verdammt viel Spielfreude, so dass man gar nicht anders kann, als hibbelig im Takt mit allen Gliedmaßen mitzuwippen. Eine Hymne jagt die nächste, dazu gefällt der satte Sound, den man auf so manch einer 90er-Produktion einst vermisste. Die Jungs haben sicher einige Fat Wreck-Platten im Schrank stehen, man hat natürlich sofort Zeugs wie Satanic Surfers, Grey Area, Lagwagon, Propagandhi , Less Than Jake, Swingin‘ Utters und auch die Ramones im Ohr. Songs wie Rejuvenate, Quitting My Job oder Total Creep versprühen einfach diese jugendliche Frische, die sicher jeder Punkrockfan schon mal in irgendeiner Form erlebt hat, siehe z.B. Down For Life! Übrigens ist die Digipack-CD schön gestaltet, natürlich wieder mit den gezeichneten Ratten, die es auf die Straße zieht, um den einen, großen Magic Summer zu erleben! Also, holt euch fix den Sommer ins Haus und fahrt mit runtergekurbeltem Fenster und dem Sound der Sewer Rats voll aufgedreht durch eure Hood!


Tim Vantol – „Better Days“ (Eminor Seven Records) [Stream]
Von allen Solo-Punkrock-Singer-Songwritern ist mir neben Frank Turner Tim Vantol irgendwie der Liebste. Denn irgendwie merkt man seinen Songs die Leidenschaft und Energie an, auch das aktuelle Werk strotzt vor purer Spielfreude, zudem haben seine Songs alle eine schöne Punknote, lahmarschige Country-Lagerfeuermusik sucht man hier vergebens. Die zehn Songs strahlen eine lebensfreudige Stimmung aus, obwohl es dem gebürtigen Niederländer in den letzten Jahren mental nicht so rosig ging und sogar eine bereits aufgenommene EP mit düsterem Songmaterial wieder verworfen wurde. Den eigenen Dämonen wurde also der Kampf angesagt und Tim Vantol fand zu neuem Lebensmut, vielleicht war hier auch der liebesbedingte Umzug von der lauten Großstadt ins ländliche Berchtesgaden ein großer Pluspunkt für das Seelenleben des Musikers. Und all das ist auf Better Days wahrlich zu hören. Die Gitarren haben einige catchy Hooklines am Start, manchmal wird auch ein bisschen der Saft aufgedreht, dazu gesellen sich kräftig gespielte Drums, die Dich einmal ums Lagerfeuer jagen. Und natürlich darf Tim Vantols einfühlsame Stimme nicht fehlen, die immer den vollen Einsatz bringt und auch mal kraftvoll die Akkorde zu überschreien versucht. Die Texte behandeln logischerweise persönlichen Kram. Wenn ihr also zwischendurch mal ein rockiges Album mit Seele hören wollt, dann ist Better Days genau das richtige für euch!


 

Bandsalat: A Paramount A Love Supreme, Cirlces, The Cold, Husbands, Labor Hex, Loveline, Numb World, Ria

A Paramount, A Love Supreme – „Crisis Meditations“ (Zegema Beach Records) [Name Your Price Download]
Aus Newark, Delaware kommt diese ziemlich junge Screamo-Band, die hier ihre Debut-EP mit vier kraftvollen und intensiven Songs zum Besten gibt. Obwohl die Band aus nur drei Leuten besteht, fahren die Jungs einen dichten Sound, der sich aber auch ab und zu mal ein bisschen zurücknimmt. Die teils moshigen Gitarren brezeln ordentlich, die Drums wummern mit viel Crashbecken, der Bass fuzzt ohne Ende und der Sänger schreit sich die Stimmbänder wund. Sehr emotional klingt das alles, bestens nachzuprüfen beim Song I Am Young Without Wilderness! Wenn ihr auf Bands wie Majority Rule, PG. 99, Ostraca oder ganz frühe Boy Sets Fire steht, dann zippt euch mal schnell diese EP auf die Festplatte.


Circles – „Resonate“ (Swell Creek) [Stream]
Seit 2017 ist das Quintett aus Nantes, Frankreich am Start. Auf Resonate sind die vier Songs der Resonate-EP und das 7-Song-Demo enthalten. Die Band macht eine oldschoolige Mischung aus Hardcore, Emocore und Post-Hardcore und erinnert dabei an goldene Zeiten, als Bands wie Dag Nasty, Embrace, One Step Ahead oder Reason To Believe neuen Wind in die Hardcore-Szene brachten. Wenn man nicht ständig über den französischen Akzent des Sängers schmunzeln müsste, könnte man glatt meinen, es würden verschollene Aufnahmen einer US-Band aus den Lautsprechern poltern. Hört euch nur mal den Song Knife an, dann wisst ihr, was ich meine. Die Songs vom Demo wissen auch durch die raue und knackige Produktion zu gefallen. Auch inhaltlich steht man mit politischem Themen auf der richtigen Seite. Geiles Ding!


Cold, The – „Certainty of Failure“ (Moment Of Collapse) [Stream]
Wenn man immer mal wieder auf der Suche nach interessanten Bands aus dem Post-Hardcore bzw. Melodic Hardcore-Bereich ist, dann braucht man eigentlich gar nicht allzuweit gehen. Gerade hierzulande tummeln sich einige geile Bands, die sich vor Bands aus Übersee absolut nicht verstecken müssen. The Cold aus Hamburg gehören mit Sicherheit zu dieser Sorte, was mit dem Debutalbum der Jungs eindeutig bewiesen ist. Bei so starken Debutalben ist es meistens so, dass die Bandmitglieder zuvor schon reichlich Banderfahrung gesammelt haben. Und so ist es dann auch bei The Cold. Cataract, Heretoir, King Apathy, Grand Griffon und Sunlun heißen die Bands, bei denen sich die Jungs schon betätigt haben. Insgesamt gibt es elf Songs zu hören, die allesamt durch Angepisstheit und Wut ins Gehör stechen. Die druckvolle Produktion ist dabei alles andere als ein Hindernis. Auch die unterschwelligen Melodien wissen zu gefallen, dadurch schimmert auch so ein bisschen ’ne Emo-Kante durch. Ein wütend gehauener Bass und kräftig gebolzte Drums bilden zusammen mit den satt klingenden Gitarren die Basis. Die Vocals sind schön derbe rausgeschrien, dazu passt der kämpferische und vorantreibende Sound der fetten Gitarren natürlich bestens. Titel wie Shithole Governments (geiler Song übrigens) oder Profit Warning zeigen auch, worüber die Jungs so angepisst sind, die Themen reichen von Kapitalismuskritik und Polizeigewalt bis hin zu Gentrifizierung und den immer spürbareren Rechtsruck der Gesellschaft. Wenn ihr gern Zeugs wie Modern Life Is War, Endstand, Newborn oder Bridge To Solace hört, dann werdet ihr The Cold sicher auch mit offenen Ohren aufnehmen!


Husbands – „Selftitled“ (DIY) [Stream]
Manche Bands gehen schwer zu googlen, so auch Husbands aus Toronto, Kanada. Auf selbige bin ich daher beim Browsen auf Bandcamp gestoßen, logischerweise war ich direkt beim ersten Song angefixt. Denn Husbands machen eine intensive Mischung aus Post-Hardcore, Melodic Hardcore und Screamo. Insgesamt bekommt man sechs Songs zu hören, die allesamt spannende Songarrangements besitzen, superfett produziert sind und durchweg sehr emotional und mitreißend klingen. Die Gitarren sind sehr gefühlvoll gespielt, dazu gefällt der gegenspielende Bass und vorantreibendes und kraftvolles Getrommel. Leidenschaftlicher Schreigesang rundet das Ganze ab. Erinnert mich ein bisschen an Boy Sets Fire meets Counterparts.


Labor Hex – „Nothing Is Real“ (DIY) [Name Your Price Download]
Über Labor Hex aus Boston und ihre Nothing Is Real-EP bin ich neulich bei einem meiner Bandcamp-Ausflüge gestolpert. Bereits beim Eröffnungspart zum Opener The Twist hatte ich das Gefühl, dass mir das hier sehr viel Spaß bereiten könnte. Als dann die Stimme des Sängers einsetzte, war es auch schon um mich geschehen! Wow, das hier klingt wie ’ne Mischung aus Verbal Assault, Dag Nasty, Amulet (Norwegen) und frühen Hot Water Music. Der Sänger erinnert mich irgendwie auch ein bisschen an den Typen der Band Day Of Contempt auf der The Will To Live-EP. Jedenfalls hat er ’ne kraftvolle Stimme, die nach Leidenschaft und Herzblut klingt. Die Songarrangements sind ausgeklügelt, so dass es schön abwechslungsreich bleibt. Und immer wieder kommen überraschend geile Gitarren- und Bassriffs um die Ecke, obendrein ist das Ganze schön druckvoll abgemischt! An Ideenreichtum mangelt es den Jungs ebenfalls nicht, so dass die sechs Songs mit einer Spielzeit von knapp 22 Minuten ruckzug durchgelaufen sind, ohne dass dabei Langeweile aufkommen würde.


Loveline – „Selftitled“ (Tief in Marcellos Schuld) [Name Your Price Download]
Neulich mal wieder bei Bandcamp gestöbert und direkt fündig geworden: Loveline kommen aus Essen und legen direkt nach Bandgründung eine spitzenmäßige 2-Song-EP vor, die direkt nach mehr lechzen lässt. Die fünf Jungs zaubern ein hochmelodisches Hardcore-Punk-Gebräu, das seine Vorbilder um die Jahrtausendwende herum hat. Strike Anywhere, As Friends Rust, Good Riddance, Brand New Unit oder Grey AM schwirren mir dabei im Schädel rum. Sehr geil abgeliefert, denn auch textlich hat das Quintett was zu sagen! Neben persönlichem Seelen-Stuff gibt’s ’ne Portion Gesellschaftskritik auf die Mütze, so gehört sich das! Und auch das Coverartwork kann sich sehen lassen, auch wenn es ein bisschen an die Boy Sets Fire-Hand von While A Nation Sleeps erinnert. Irgendwann dieses Jahr soll noch ein Album folgen, da bin ich jetzt schon heiß drauf!


Numb World – „Numb World Tapes“ (Rizkan Records) [Stream]
Die Verwirrung ist groß: eine kanadische Band, die bisher unter dem Namen Cuddlefish oder Cuddlefish 3000 bekannt war, heißt nun Numb World. Außer einer mit Infos sparender Facebook-Seite der Band Cuddlefish 3000 bekommt man kaum Details zur Band Numb World geliefert. Nun, auf Numb World Tapes, das von dem indonesischen DIY-Label Rizkan Records als Tape veröffentlicht wurde, befinden sich alle bisherigen Aufnahmen der Band. Die Songs von zwei Split-Releases auf den Labels Debt Offensive und Deadbroke Rekerdz und zwei bisher unveröffentlichte Songs sind darauf zu hören. Und die haben’s allesamt in sich! Geboten wird mitreißend melodischer Punk, Einflüsse aus Grunge, Hardcore und Emocore sind auch rauszuhören. Kid Dynamite treffen auf die Pixies oder so ähnlich! Die Songs reißen mich aufgrund ihrer Unverbrauchtheit direkt mit, einzig die Soundqualität könnte ’nen Ticken besser sein. Aber irgendwie macht auch gerade das den Reiz aus. Sehr geile Band, wie auch immer sie jetzt heißen mag!


ria – „Mono No Aware“ (Callous Records u.a.) [Stream]
Müsste ich ein paar Post-Hardcore-Bands aus der Türkei aufzählen, dann hätte ich so ziemlich meine Schwierigkeiten. Auf Anhieb fallen mir gerade eigentlich nur Proudpilot, Emergency Broadcast, Burn Her Letters oder die extrem coolen Lost In Bazaar ein. Umso freudiger, wenn ’ne Besprechungsanfrage einer türkischen Band reinflattert und man im Anschreiben auch noch erfährt, dass bei ria Leute der Bands Burn Her Letters (siehe oben), Saatleri Ayarlama Enstitüsü und Pourbon mitwirken. Und neben Callous erscheint das Album auf dem türkischen DIY-Label Mevzu Records, das eine umfangreiche Bandcamp-Seite hat. Das lädt natürlich nach anschließendem Hörgenuss zum Stöbern ein! Nun, ria machen so ’ne recht düstere Mischung aus Post-Hardcore, Screamo und Emo, dabei wird man an Zeugs aus der italienischen und französischen Screamo-Szene genauso erinnert wie an Sachen wie z.B. Envy, Asthenia oder Gattaca. Geschrien wird in türkischer Sprache, was das Ganze natürlich interessant macht. Auch die Spoken Word-Samples zwischendurch sind gut platziert, wirken gar angsteinflößend. ria gehen zwar ziemlich dissonant vor, dennoch schwappen immer wieder unterschwellige Melodien ans Licht. Die rohe Aufnahme kommt auch ganz geil rüber. Checkt das unbedingt mal an!


 

Bandsalat: Atlanta Arrival, Coilguns, Drawbacks, Ghost Spirit, Hippie Trim, lowmeninyellowcoats, Lessoner, Smile And Burn

Atlanta Arrival – „A Tale Of Two Cities“ (Midsummer Records) [Youtube Stream]
Die Emo-Band The Satellite Year dürfte einigen von euch sicher noch bekannt sein, Atlanta Arrival sind aus der Asche eben jener hervorgegangen. Bei A Tale Of Two Cities handelt es sich um das Debutalbum der Band aus Saarbrooklyn. Und hinter diesem steckt eine tragische Geschichte: wenige Wochen nach den Schlagzeugaufnahmen zum Album verstarb Drummer Björn in Folge eines Hirntumors. Dass dieses Album trotzdem fertiggestellt wurde, macht dieses Release umso herzlicher! Die zehn Songs bewegen sich hauptsächlich zwischen den Pfeilern Emo, Pop und Alternative-Rock. Die Stücke leben von abwechslungsreichem Songwriting und leidenschaftlicher Spielfreude. Neben den rockigen Gitarren wird auch teilweise mit Synthies gearbeitet, was dem Sound nochmal einen zusätzlichen emotionalen Touch verleiht. Da kommen natürlich Bands wie The Juliana Theory (z.B. bei Colliding Stars oder Fiction, Once Again), Taking Back Sunday (z.B. Highwire Act), Thrice, Motion City Soundtrack oder frühe Thirty Seconds To Mars (z.B. Why) in den Sinn. Intensiv und aufwühlend!


Coilguns – „Watchwinders“ (Hummus Records) [Name Your Price Records]
Kennt ihr das? Ihr liegt nachts wach, die völlige Stille wird vom immer lauter werdenden Ticken der Wanduhr unterbrochen. Ihr entwickelt langsam aber sicher einen abgrundtiefen Hass und steigert euch rein, bis das Ticken sich fest und bedrohlich in eurem Kopf festgesetzt hat. So ein ähnlich beängstigendes Gefühl bekommt ihr vom Schweizer Uhrwerk Coilguns auf der mittlerweile dritten Full Length zu spüren. Die zwölf Songs mahlen sich langsam walzend in eure Gehörgänge, ein richtig aufbrausendes Noise-Gewitter am Rande des Wahnsinns habt ihr zu erwarten. Krachig und teils sperrig sind die Schweizer unterwegs, die Basis wird aus rituell hämmernden Drums, knarzendem Bass und durchdrehenden Gitarren gebildet, dazu kommen psychotisch wirkende Vocals, die mantra-artig vorgetragen werden. Der Schlagzeuger hat echt mal verrückte Moves drauf! Die Stücke brezeln ordentlich, hier regiert der Krach und das Chaos! Laut, unbequem und bedrohlich!


Drawbacks – „How We Feel“ (Pundonor Records) [Stream]
Jippiee! Endlich hat die Band aus Lille/Frankreich ihr langerwartetes Debutalbum draußen! Obwohl auch schon wieder seit 2012 in der Umlaufbahn, sind bisher nur zwei EP’s erschienen, wobei die Common Impairments-EP die Band gerade hierzulande durch die Mitbeteiligung der Labels Miss The Stars und Dingleberry Records etwas bekannter gemacht haben dürfte. Auf How We Feel bekommt ihr zehn mal die volle Melodic Hardcore-Breitseite ab. Wundervolle Gitarrenriffs treffen auf treibende Drums und leidenschfaftlich gebrüllte Vocals, dieser Sound hat das Zeug dazu, Dich mitsamt allem um Dich rum mitzureißen! Man merkt einfach, dass hier Leute am Start sind, die für ihren Sound brennen und mit Haut und Haaren darin aufgehen. Die Band aus Frankreich muss sich dabei keineswegs hinter den bekannteren Kapellen des Genres verstecken. Inspiration dürften sich die Jungs natürlich von Bands wie Verse, Comeback Kid, Modern Life Is War, Defeater oder Counterparts geholt haben, aber das hier ist viel mehr als eine reine Kopie. Dieses Album macht so verdammt viel Laune, da bekommt man direkt große Lust, sich mit empor gereckter Faust durch einen kleinen, familiären Moshpit zu jagen. Ein richtig intensives, emotionales Brett mit massig Groove an Bord!


Ghost Spirit – „Hourglass“ (Twelve Gauge Records) [Stream]
Das Ding hier zeigt eigentlich mal wieder deutlich, wie unsinnig Jahres-Best-Of-Listen sind. Im Oktober 2019 erschienen, bei mir erst Mitte Dezember angekommen. Da aber direkt und mit voller Wucht eingeschlagen, wie eine zentnerschwere Bombe! Zweifelsohne, diese Platte wäre in meiner Best Of 2019-Liste gelandet, hätte ich denn eine gemacht! Ghost Spirit aus Los Angeles sind mir letztens schon auf dem Split-Release mit Frail Hands äußerst positiv aufgefallen. Die Band setzt sich aus Leuten zusammen, die auch schon in Bands wie Lord Snow, Tower of Silence, Seeing Means More, Nuvuloscura, Calculator  und Letters to Catalonia in Erscheinung getreten sind. Aber was wichtiger ist: die vier Jungs brennen auf Hourglass mit insgesamt acht Songs alles nieder! Und plötzlich traut man seinen Ohren nicht mehr, nachdem die ersten vier Songs wie ein regelrechter Sturm mit wahnsinnig emotionalem und intensivem Screamo über einen hinweg gezogen ist und nur noch verbrannte Erde hinterlassen wird, kommt mit Desire Lies schon fast ein kleiner Stilbruch. Wie geil ist das denn? Richtig schön emopunkig und fluffig, mit verträumten Melodien. Diese Vorgehensweise rückt auch noch bei den Songs Look To The Stars und Remebering in den Vordergrund und macht ganz schön neugierig auf hoffentlich bald folgenden neuen Stoff des Quartetts. Wirklich ein mehr als gelungenes Album!


Hippie Trim – „Cult“ (Redfield Records) [Stream]
Was die fünf Jungs der Band Hippie Trim auf ihrem Debutalbum abziehen, gefällt mir richtig gut. Die Band aus Nordrhein-Westfalen wirkt eigentlich mit ihrem Mix aus Melodic Hardcore, Pop-Punk und etwas Screamo sehr amerikanisch. In der Tat klingt das dann wie eine spritzige Mischung aus alten Helden wie z.B. As Friends Rust, Grade oder Alexisonfire mit Pop-Punkern á la Title Fight, Such Gold oder The Story So Far. Herrlich frisch und unverbraucht wirbeln die zehn Songs an einem vorbei, so dass man sich nach knapp 25 Minuten Minuten wundert, dass das Ding schon wieder rum ist und man sich dabei ertappt per Tastendruck eine neue Runde anzufordern! Die Songs sind stimmig arrangiert und verdammt catchy, zudem strotzen sie vor unbändiger Spielfreude, auch der Doppelgesang weiß zu gefallen. Da wird man sofort mitgerissen, freut sich an den wundervollen Gitarrenriffs, die auch schon mal andeutungsweise shoegazige Untertöne anschlagen, wenn sie gerade mal nicht am brezeln sind. Man merkt hier einfach, dass bei den Jungs das Herz an der richtigen Stelle sitzt! Das wird sowohl durch ihr Auftreten und der Message in den Texten bestätigt. Bestens abgeliefert, da bekommt man direkt Appetit auf mehr!


lowmeninyellowcoats – „Selftitled“ (Zegema Beach Records) [Name Your Price Download]
Holy Shit! lowmeninyellowcoats kommen aus Akron, Ohio und zünden auf ihrem Debutalbum das volle Retro-Screamo/Emoviolence-Inferno! Das Trio umschreibt seinen Sound eigentlich ganz zutreffend: cathartic creatures composing cacophony! Und das tun sie mit viel Hingabe und Herzblut. Die Gitarren haben diesen melancholischen Drive drauf, dazu gesellen sich rasend schnelle Drums und sich überschlagendes, heiseres Verzweiflungs-Geheul. Hin und wieder kommen diese fast unverzerrten cleanen Gitarren durch, das hindert den Sänger jedoch keinesfalls, alles aus seinen Stimmbändern rauszuholen, was es nur rauszuholen gibt. Emotive Screamo vom Feinsten! Merchant Ships treffen auf Coma Regalia, Funeral Diner und Who Calls So Loud lassen ebenfalls grüßen. Saustarkes und hochintensives Debut!


Lessoner – „Morgana“ (Seven Oak Records) [Stream]
Auf die Leipziger Band Lessoner bin ich neulich bei einem meiner in letzter Zeit etwas sparsamen Bandcamp-Ausflügen gestoßen. Spannend und sehr groovig röhrt die Maschine beim Opener Motor los, im Verlauf des Songs merkt man bereits, dass es hier schön abwechslungsreich werden wird. Und fünf Songs später sieht man sich bestätigt. Die Band bewegt sich irgendwo im Post-Hardcore, Elemente aus Screamo, Noise, Melodic Hardcore, Punk und etwas Emo sind auch vorhanden. Die Rhythmusmaschine aus kraftvoll gespielten Drums und polterndem Bass liefert das Grundgerüst, die Gitarren bröseln größtenteils und türmen sich auf, sorgen aber auch clean gespielt für große Momente. An Ideenreichtum fehlt es den Jungs jedenfalls zu keiner Zeit. Positiv sticht übrigens die professionelle Produktion heraus, die Texte sind auch alles andere als oberflächlich. Beim Gesang reicht das Spektrum von clean gesungenen Passagen bis zum unkontrollierten Schreiausbruch. Beim letzten Song staunt man dann, dass das Ganze auch mit deutschen Texten funktioniert. Mittlerweile verkündete die Band übrigens den Ausstieg des Sängers, aber so wie es aussieht, wird derzeit nach Ersatz gesucht. Ich drück mal die Daumen, dass die Jungs jemanden finden, denn diese Band hat’s echt drauf!


Smile And Burn – „Morgen Anders“ (OMN Label Services) [Video]
Die Berliner Band hab ich eigentlich erst aufgrund einer Besprechungsanfrage zum 2017er-Album Get Better Get Worse kennen gelernt, dabei war das auch schon Album Nummer vier, zudem spielt sich die Band bereits seit 2008 permanent den Arsch ab. Bevor das fünfte Album erscheinen konnte, hatten die Jungs auch noch mit Mitgliederschwund zu kämpfen, so dass man anstelle eines Quintetts plötzlich nur noch ein Trio war. Wie man sehen und hören kann, hat letztendlich aber doch noch alles geklappt. Hinzu kommt, dass Smile And Burn auf ihrem fünften Album auch noch einen weiteren Schritt wagen: gesungen wird auf Morgen Anders in deutscher Sprache. Und was auch schon bei den Donots hervorragend geklappt hat, klingt auch bei Smile And Burn erstaunlich authentisch. Die klischeefreien Texte darf man ruhig mal loben, stimmen sie doch nachdenklich und melancholisch! Nach wie vor gefällt mir die Schreistimme irgendwie besser als die Singstimme, wobei sie meiner Meinung nach hierbei viel selbstsicherer rüberkommt. Dass hier nur noch drei Leute musizieren, hört man übrigens überhaupt nicht, irgendwie spürt man, dass die Spielfreude durch den Wegfall nicht getrübt wurde. Im Gegenteil, die Gitarren klingen fett und haben ’ne Menge an geilen Riffs am Start, dazu liefert die Rhythmus-Maschine aus Bass und Schlagzeug druckvoll und vorantreibend ab. Catchy Songwriting und hymnische Mitsing-Refrains runden das Ganze gebührend ab, beste Beispiele geben hier die Songs Leben lang oder Kalendersprüche ab. Gut gefallen mir auch die ruhigen Zwischentöne wie beispielsweise beim Titelstück oder bei Fühlt sich das nach Ende an. Und mit dem Song Weinschorle werden auch die Hardcorewurzeln nicht vergessen!


 

Bandsalat: Aleska, Construct, Downward, Flèche, Marathonmann, Pamplemousse, Sunstroke, Zwist

Aleska – „Construire Ou Détruire“ (DIY) [Stream]
Der intensive Post-Hardcore der französischen Band Aleska hat mir schon auf den bisherigen Veröffentlichungen außerordentlich gut gefallen, nun ist also Album Nummer zwei erschienen. Und wie zu erwarten, liefert das All-Star-Quartett (die Jungs kennt man aus den Bands Shall Not Kill, Dead For A Minute und Esteban) auch auf Construire Ou Détruire allerfeinste Sahne ab. Insgesamt sind hier acht Songs mit einer Spielzeit von vierzig Minuten zu hören, soundtechnisch bewegen sich die Jungs im Post-Hardcore, Einflüsse aus Screamo, Post-Rock und Melodic Hardcore können auch vernommen werden. Die Songs sind spannend aufgebaut, das klingt alles total ausgetüftelt, stimmig und top produziert, ohne dass dabei die Intensität flöten gehen würde. Gesungen bzw. gescreamt wird übrigens in französischer Sprache. Wer Bands wie A Case Of Grenada, Shai Hulud, Envy oder We Never Learned To Live mag, sollte hier mal seine Lauscher aufsperren. Ein tolles und gelungenes Album!


Construct – „3 Song Promo“ (Plead Your Case Records) [Stream]
Hach, das hier erinnert mich so sehr an den Sound Ende der Achtziger bzw. Anfang der Neunziger! Construct kommen aus Phoenix, Arizona und machen schön schnörkellosen und nach vorne gehenden 90’s Hardcore mit moshenden und melodischen Gitarren, da denkt man sofort an Bands wie Strife, By The Grace Of God oder Verbal Assault. Passenderweise gibt es neben den zwei Eigenkompositionen eine Coverversion der Band Shield. Da wünscht man sich gern in den nächsten Moshpit! Mal wieder beim Bandcamp-Surfen entdeckt und sofort hängengeblieben!


Downward – „Selftitled“ (DIY) [Name Your Price Download]
Auf Downwards Debutalbum bin ich neulich bei Bandcamp gestoßen, dem Sound des Quartetts geschuldet war ich sofort angefixt. Die Band aus Tulsa, Oklahoma hat sich dem atmosphärischen Post-Hardcore verschrieben, Einflüsse aus Emo, Shoegaze, Dream-Pop, Post-Rock und Indie sind ebenfalls zu finden. An den neun Songs gefallen mir neben der ausgewogenen Mischung aus lauten, krachigen Passagen und leisen, verträumten und melancholischen Momenten v.a. die raue Produktion mit fuzzigen Basslines, noisigen Gitarren und diesem über den Wolken schwebenden Gesang. Wenn ihr mal wieder auf der Suche nach einem Album seid, das euch auf eine intensive Klangreise mitnimmt, dann solltet ihr das hier mal gründlich auschecken. Und beim Recherchieren über den Bandbackground der Jungs bin ich doch auch gleich noch auf das New Morality Zine und dadurch auf die Band Sunstroke aufmerksam geworden, zu der ihr weiter unten was zu lesen bekommt.


Flèche – „Do Not Return Fire“ (Krod Records) [Stream]
Die Band Flèche stammt aus Paris, Do Not Return Fire ist der zweite Longplayer der vier Franzosen. Musikalisch bewegen sich die Jungs irgendwo zwischen Emo und Indierock, ein bisschen mathig wird es auch hin und wieder. Stellt euch vor, die Get Up Kids musizieren mit Favez, dazu gesellen sich frühe Minus The Bear, The Receiving End Of Sirens und The Sound Of Animals Fighting. Von den Gitarren her ist es schön variantenreich, der Bass hält gut dagegen, der Gesang kommt hymnisch und mit französischem Akzent, zudem gehen die Refrains ziemlich schnell ins Ohr. Insgesamt sind auf dieser soliden Emorock-Platte zwölf Songs zu hören, die v.a. Leuten gefallen wird, die schon in den Neunzigern auf der Jagd nach solchen Kapellen waren.


Marathonmann – „Die Angst sitzt neben Dir“ (Redfield Records) [Video]
Die Münchener haben in der Zeit ihres Bestehens eine beachtliche Fangemeinde aufgebaut, mit dem mittlerweile vierten Album wird diese Fangemeinde sicher nochmals wachsen. Mich kriegen die Jungs aber auch mit diesem Album nicht zu fassen, auch wenn sie nachhörbar all ihre Leidenschaft in die Band stecken und mit Herzblut bei der Sache sind. Vom Instrumentalen her bin ich ja gar nicht so abgeneigt, es ist der Gesang, der mich etwas blockiert. Wenn man aber mal die persönlichen Vorlieben ausblendet und die Musik nüchtern betrachtet, dann kann man durchaus drauf kommen, was den Fans am Sound von Marathonmann so gefällt. Auf dem neuen Album werden persönliche Dinge angesprochen, so dass man sich beim Lesen der Texte oftmals selbst darin findet, mitsamt den begleitenden Ängsten und Sorgen. Die Musik selbst bewegt sich zwischen Alternative Rock und Pop-Punk, die Songarrangements klingen sehr durchdacht und vielschichtig. Es gibt durchaus auch mal etwas härtere Passagen, Marathonmann sind aber größtenteils melodisch unterwegs, die Gitarrenriffs kommen sauber um die Ecke. Ich persönlich würde mir ein paar mehr härtere Songs im Stil von Schachmatt wünschen. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass die Meute durch die Bank alle Songs abfeiern wird, was hauptsächlich an den hymnenhaften und mitgröhltauglichen Refrains liegt. Und wer weiß, live würd‘ ich wahrscheinlich ebenfalls mit erhobener Faust ein paar der Refrains mitgröhlen, auch wenn ich nicht direkt zur Zielgruppe gehöre.


Pamplemousse – „High Strung“ (A Tant Rêver du Roi) [Stream]
Die Band Pamplemousse ist auf der Insel La Réunion im Indischen Ozean beheimatet. High Strung, das zweite Album des Trios, besteht aus zehn Smashern, die sich irgendwo zwischen Noise, Rock, Garage, Punk und rotzigem Indierock bewegen. Schön dreckig und rau suppen die Gitarren aus den Lautsprechern, die Rhythmusmaschine aus Bass und Schlagzeug hat auch viel Wumms mit an Bord, an manchen Stellen wird es sogar mal etwas ruhiger. Irgendwie fühlt man sich an so 90er Zeugs erinnert, das auf Labels wie Touch & Go oder AmRep veröffentlicht wurde. Die Jungs haben sicher ’ne Menge Shellac, Fugazi, Girls vs Boys oder Unsane-Platten im Schrank stehen. Als Anspieltipps eignen sich das mit einem Hammerriff ausgestattete High Strung oder das etwas ruhigere und daher an Fugazi erinnernde Porcelain.


Sunstroke – „Second Floor/Seven“ (Cointoss Records) [Stream]
Oh Mann, das hier hat mich vom ersten Ton an echt mal aus den Socken gehauen! Wie bereits oben erwähnt, bin ich auf Sunstroke durch meine Recherche zur Band Downward und der Online-Seite des New Morality Zines gestoßen. Sunstroke kommen aus Philadelphia, Pennsylvania und machen mitreißenden Oldschool-Emocore und dürften etliche Dischord-Platten aus der Revolution Summer-Phase im Plattenschrank stehen haben. Geile, mit viel Gefühl gespielte Gitarren treffen auf gegenspielende Basslines, treibendes Drumming und leidenschaftlichen Gesang. Da kommen natürlich sofort Bands wie Embrace, Dag Nasty, One Last Wish oder Rain in den Sinn, auch Bands wie Bread And Circuits oder Reason To Believe sind nicht weit. Zehn Songs beamen Dich direkt zurück in die Zeit zwischen 1985 bis 1989. Sehr geil!


Zwist – „Gesammelte Werke“ (DIY) [Name Your Price Download]
Obwohl das Berliner Duo Zwist personell ein wenig unterbesetzt ist, klingt das Ergebnis aus Gitarre, Schlagzeug und Spoken Words/Geschrei eigentlich sehr vollständig. Das Duo ist im punkigen 90’s Emo/Screamo/Post-Punk unterwegs und die fehlenden Instrumente werden durch Melancholie und unvorhersehbare Songstrukturen wettgemacht. Die Gitarre kann mal wild und verzerrt matschig drauflos kreisen, aber dann kommen auch immer wieder cleane Gitarrenparts zum Zug, die sich mäandernd ins Gehör drehen. Dazu gibt es tiefgründige deutsche Texte an der Schwelle zur Poesie. Als Anspieltipp würde ich das eher eingängigere Teilnehmerurkunde oder das vielseitige Sonderbonbon empfehlen.


 

Giver – „Where The Cycle Breaks“ (Powertrip Records/Holy Roar)

Was hab ich die Mother Midnight-7inch gehört, das Ding verdrehte mir echt mal die Rübe! Gewendet und gedreht hab ich sie, selbst dran geschnuppert hab ich. Schon seltsam, wie intim manche Verrückten mit Vinylzeugs plus Verpackung umgehen. Erschien die 7inch noch beim Lieblingslabel lifeisafunnything, ist die Band mittlerweile bei Holy Roar gelandet, in Deutschland erscheint das Album auf Powertrip Records.

Das was mich an der 7inch ja so faszinierte, war neben der rauen und ungeschliffenen Produktion v.a. die rohe Energie der Jungs, dazu gesellte sich eine ordentliche Portion Herz, Schmerz und Wut. Auf EP-Länge funktioniert so ein Sound ja bei vielen Bands ohne Probleme. Auf Albumlänge dieses hohe Niveau zu halten, ohne dass auch nur ein Fünkchen Langeweile aufkommt, das schaffen jedoch die wenigsten Bands. Giver gelingt das aber locker, und das obwohl die elf Songs insgesamt eine Spieldauer von 40 Minuten haben und das Album deshalb für eine Hardcore-Platte recht lange ausgefallen ist. Im Vergleich zu den Aufnahmen zur Mother Midnight-7inch klingt das hier obendrein um Längen fetter und professioneller, ohne dabei aber glattpoliert rüberzukommen. So und nicht anders sollte moderner Hardcore 2018 abgemischt sein! Kaum zu glauben, dass hier eine deutsche Band die Kiefer der Hörerinnen und Hörer dermaßen runterklappen lässt. Ich bin begeistert!

Modern Hardcore nannte man diesen Sound irgendwann mal, da hatten Bands wie Modern Life Is War, Killing The Dream, Verse oder Have Heart das Ruder in der Hand. Danach sprossen zig Bands aus dem Boden, die alle irgendwie gleich klangen, die eigenständige Note suchte man bei manchem dieser Acts vergebens. Giver hingegen motzen diesen angestaubten Modern Hardcore mit pfiffigem und vielschichtigem Songwriting auf, dabei tauchen bei vielen Songs überraschende Wendungen auf, mit denen man an dieser Stelle nicht gerechnet hätte und die sich aber trotzdem hervorragend in das Gesamtbild einfügen. Nehmt nur mal das geniale Made It Home als Beispiel. Beginnend mit einer Rückkopplung und einer einzelnen Gitarre, die Dir die Nackenhärchen aufstellt, gesellen sich gleich groovige Basslines, treibende Drums und eine melodisch-moshende Gitarre mit dazu. Der Sänger liefert auch erstklassig ab, hier spürt man die Leidenschaft pulsieren. Und dann setzt dieser Gangshout-Chor ein, bei dem man vor Freude unweigerlich zu grinsen beginnt! Das ist jetzt aber nur ein kleines Beispiel, denn die Platte steckt voller Überraschungen wie dieser. Hier zaubern die Gitarren ein melodisches Riff nach dem anderen, dazu poltert der Bass die geilsten Parts ever aus dem Ärmel, neben dem heiseren Geschrei des Sängers lassen Dich melodische Gangshouts im Takt der druckvoll gespielten Drums auf die Brust klopfen, Abriss total! Im Punk tief verwurzelt, vor Spielfreude strotzend, die Faust empor gestreckt, dieses Album macht tierisch Laune!

9/10

Bandcamp / Facebook / Powertrip Records


 

Bandsalat: Atlas, Deadends, Football Etc., Killed, No Liars, Snag, Turnover, Wrckg

Atlas – „Blush“ (Dingleberry Records) [Stream]
Neulich beim Bandcamp-Surfen entdeckt und sofort mit errötetem Teint liebgewonnen: die belgische Band Atlas mit ihrer Hammer-Debutscheibe Blush. Wenn ihr mal wieder sehr gut gemachten Post-Hardcore mit melancholischen Emo-Tendenzen entdecken wollt, dann ist dieses neun Songs starke Album genau das Richtige für euch. Zum einen verzücken die Songs durch spannende Arrangements und reichlich Abwechslung, zum anderen lassen die satten, leidenschaftlich gespielten Gitarren und der zerbrechlich wirkende Gesang das Herz höher schlagen. Auch die Rhythmus-Fraktion versteht ihr Handwerk. Hört euch mal das vielschichtige Missing Parts oder das treibende The Underneath an, dann wisst ihr, was ich meine. Für’s glasklare Mastering hat Brad Boatright von Audiosiege gesorgt. Da hat man Bands wie z.B. Thursday zur Full Collapse-Phase vor Augen, Hopesfall schwirren auch durch den Raum, La Dispute, Touché Amore oder The Tidal Sleep könnten auch noch als Vergleich dienen. Und Moment mal, das Ding ist auch noch über Dingleberry Records erschienen, wie geil ist das denn? Käme diese pfiffige Band aus den USA, dann würde sie wahrscheinlich durch die Decke gehen. Absoluter Geheimtipp!


Deadends – „The Essence Of Every Second “ (Fond Of Life) [Stream]
Diese Band hier kommt aus Graz, das liegt in Österreich. Aber soundtechnisch bewegen sich die vier Jungs in ähnlichen Soundbereichen, wie die weitaus bekannteren Gnarwolves. Also alles abseits des Punk-Mainstreams, der in Graz mit einer brozenen Punkstatue lockt. Soll heißen: Melodischer Punkrock, der zwischen Halfpipe und Fußgängerzone noch genügend Rotzigkeit im Gepäck hat. Checkt das mal an, wenn ihr keine Tickets für die nächste Gnarwolves-Show bekommen habt.


Football, etc. – „Corner“ (Barely Regal Records) [Stream]
Vier Jahre sind seit der letzten Full Length des Emo-Trios aus Texas ins Land gezogen. Vom Sound her haben sich seitdem keine gravierenden Änderungen ergeben, die zehn Songs kombinieren Herzschmerz- Emo mit zuckersüßem Indie. Die Gitarren schrammeln wundervolle Melodien, gerade im Midtempo bekommt man immer wieder automatisch dieses rhythmische Zucken des Beines. Und über allem schwebt der gefühlvolle Gesang von Sängerin Lindsay Minton. Das klingt dann zusammen so schön plätschernd und vertraut, manchmal braucht es keinen Schnickschnack, um Gefühle zu transportieren. Hört mal Songs wie z.B. Foul oder Space an, dann wisst ihr, was ich meine. Wer Bands wie Rainer Maria oder Ohio’s Favorite mag, sollte hier mal unbedingt reinhören.


Killed – „Arsenic“ (DIY) [Free Download]
Aus Jakarta/Indonesien bekommen wir auch nicht alle Tage eine Besprechungsanfrage. Wie diese Bands wohl auf Blogs wie den unseren stoßen? Egal, jedenfalls klingt die 4-Song-EP der vier Jungs ziemlich fett. Wenn ihr auf diese Mischung aus 90er Hardcore und Metalcore abfahrt, dann solltet ihr euch das hier mal anhören. Oder schaut euch einfach das Video zum Song Darkwater an.


No Liars – „Selftitled“ (Toska Tapes) [Stream]
Diese relativ neue kanadische Band aus Victoria macht ziemlich eingängigen Post-Hardcore, der seine Vorbilder irgendwo um die Jahrtausendwende herum in Bands wie z.B. At The Drive-In, Refused, Alexisonfire oder Strike Anywhere hat. Mit diesem Sound wären die Jungs damals sicher bekannter geworden, aber was solls. Die vier Songs sind jedenfalls sehr gelungen und verdammt kurzweilig, der kräftige hymnenhafte Gesang und die satten Gitarren harmonieren bestens, da merkt man, dass hier Leute Spaß bei der Sache haben. Schaut euch doch mal das Video zum Song Catalyst an und überzeugt euch selbst!


Snag – „Selftitled“ (DIY) [Name Your Price Download]
Ich liebe ja kurze und knackige Anfragen ohne nähere Infos. Ein Soundlink genügt mir eigentlich, um mir ein Bild zu machen. Klick auf Play, oft ist nach 3 Sekunden Spielzeit und einsetzendem Gesang klar: Papierkorb oder Besprechung. Snag aus Milwaukee gehören zur zweiten Sorte, auch wenn es nicht auf Anhieb richtig zündet. Aber die Grundstimmung passt. Die polternde Aufnahme mit dem knarzigen Bass und dem schepperigen, viel zu dünn aufgenommenen Schlagzeug und den ab und an auftauchenden lo-fi-Gitarren kommt direkt an. Sehr charmant. Spätestens wenn der Gesang einsetzt, freut man sich irgendwie. Überschlagende Vocals á la Algernon Cadwallader, frühe Piebald sind auch nicht weit, Midwest-Emo mochte ich schon immer. Und die Texte sind auch schön!


Turnover – „Good Nature“ (Run For Cover Records) [Stream]
Das bunte Dschungelcover offenbart schon eine vielseitige Farbenpracht und eine im Einklang mit der Natur stehende Artenvielfalt und macht neugierig auf die elf neuen Songs, die sich auf dem Nachfolger des vielseits abgefeierten 2015er-Album Peripheral Vision der Band aus Virginia befinden. Auf dem Außencover ist die Flora und Fauna des Dschungels zu bewundern, im Inneren des Digipacks sieht man dann die kleineren Bewohner des Dschungels, die Insekten. Zuallererst fällt auf, dass die verhallten Dreampop-Melodien noch stärker in den Vordergrund gerückt und die Emo-Anteile fast gänzlich verschwunden sind, trotzdem bleibt alles auf einer emotional intensiven Ebene. Die Gitarren spielen die zuckersüssesten Melodien, der warme Gesang von Austin Getz jagt einem zusätzlich an einer Tour wohlige Schauer über den Rücken. Man kann sagen, dass diese Platte wahnsinnig glücklich macht. Stellt euch einen Spätsommertag vor, an dem es nicht allzu heiß ist und ihr mit den Klängen von Good Nature im Ohr an einem menschenleeren Strand die letzten wärmenden Sonnenstrahlen des Sommers auf eurer Haut tanzen spürt. Entspannung pur, zufriedenes Grinsen! Das Album läuft bei mir seit Wochen rauf und runter und auch wenn sich dann und wann eine gewisse Eintönigkeit bemerkbar macht, da die Songs irgendwie doch alle sehr ähnlich klingen, ist mir die Scheibe schon jetzt ans Herz gewachsen. Songs wie Super Natural, Sunshine Type, What Got In The Way, Nightlight Girl oder Breeze gehören zu dem Besten, was Turnover bisher veröffentlicht haben. Stellt euch eine Mischung aus Real Estate (zu Zeiten des Atlas-Albums), Athlete (der sommerliche Vibe), Last Days Of April (die Melancholie), Day Wave, Jimmy Eat World und den Beach Boys (das entspannte Surfer-Leben) vor und lasst euch zu den Klängen von Good Nature die Sonne aus dem Arsch scheinen.


Wrckg – „Selftitled“ (DIY) [Stream]
Hach, ich mag eigentlich diese Vokal-hassenden Bandnamen überhaupt nicht. Spätestens seit dieser Hipster-Scheiß von Nazis kopiert und ohne strafrechtliche Folgen bleibt, sollte man in unseren Kreisen Abstand von dieser Unsitte nehmen. Wrckg steht vermutlich für Wreckage, könnte aber auch genausogut Werockgo oder Wearecakeog bedeuten. Aber ich schweife ab. Jedenfalls ballern die Niederländer eine solide Mischung aus mitreißendem Melodic Hardcore und etwas metallastigen Düster-Hardcore raus. Die Gitarren fetzen richtig geil, der Schlagzeuger holt auch alles aus seinem Kit und der Sänger gröhlt schön melodisch drüber. Kommt schön heavy, sehr fett abgemischt. Hört doch mal rein, wenn ihr auf Zeugs wie Landscapes etc. steht.


 

Bandsalat: Andy The Band, Aviator, Caspian Sea Monster, Diet Cig, Employed To Serve, Gnarwolves, The Heads Are Zeros, Worth

Andy The Band – „Carry On“ (Sabotage Records) [Stream]
Hinter Andy The Band versteckt sich originellerweise ein Mensch namens Andy, der aus dem Punkrock kommt und hier seine Ego-Schiene durchzieht, indem er alle Instrumente selbst und wahrscheinlich ausschließlich seinem Geschmack entsprechend eingespielt hat. Lediglich für die Produktion wurde Tommy von Vånna Inget ins Boot geholt. Andy kennen sicherlich einige von euch von Bands wie den Satanic Surfers, Terrible Feelings oder Sista Sekunden. Nun, Andy The Band steht für schnörkellosen, dirty aber catchy gespielten Garagepunk, diverse Hardcore und Emo-Einflüsse sind auch stark vertreten. Die vier Songs sind eingängig, da hat man auf der einen Seite US-Emocore- und Punkbands wie das Zeug von den späten Dag Nasty, den Adolescents, All oder den Descendents im Ohr, aber gleichzeitig klingt das ganze dann doch nicht so wild und ungestüm. Andy ist indielastiger und gefühlvoller unterwegs, so dass man spätestens nach dem dritten Durchlauf zufrieden mit den Beinchen mitwippt und an Bands wie die Hives oder die Beatsteaks denkt (bevor diese stadiontauglich wurden). Zwischen dem anfangs monoton wirkenden Gitarrengeschrammel entdeckt man immer wieder mal einen raffiniert gespielten Basslauf, eine verzückend verspielte Gitarre oder ein noisiges und dissonantes Einsprengsel. Zu einem meiner persönlichen Favoriten zähle ich dann unter anderem das in die Gehörgänge flutende Doesn’t Exist. Hinter die Bedeutung der chinesischen Schriftzeichen auf dem Cover bin ich noch nicht gekommen. Ich steh ja nicht auf die Solo-Eskapaden selbstverliebter Bandmitglieder von einst erfolgreichen Punkbands, aber das hier macht richtig Laune. Hört rein und bleibt zwei Runden am Ball, dann fetzt das!


Aviator – „Heaven’s Gate b/w Death’s Door“ (I.Corrupt.Records) [Stream]
Die zwei Songs auf diesem Release sind während einer vierwöchigen Europatour entstanden und wurden in den Faust Records Studios in Prag aufgenommen. Da wünscht man sich nach mehrmaligen Hördurchläufen direkt, die Jungs würden bald wieder auf Tour gehen, um neue Songs für den lang ersehnten Nachfolger zum 2014-er Hammeralbum Head In The Clouds, Hands In The Dirt zu schreiben. Die zwei Songs machen jedenfalls Appetit auf mehr, denn sie bieten intensiven Post-Hardcore mit Herz und Seele. Die Gitarren fetzen richtig los und türmen sich zu dichten Soundwänden auf, Bass und Schlagzeug grooven dazu wie Hölle, hinzu kommt der leidenschaftlich gesungene/gebrüllte Gesang von TJ Copello sowie eine ausgeklügelte Balance zwischen emotionalen, fast bedächtig wirkenden Parts und spannungssteigernden, beinahe mantraartig nach vorne gehenden Passagen. Bitte mehr davon!


Caspian Sea Monster – „Selftitled“ (Stargazer Records) [Stream]
Das kaspische Seemonster, das einem vom Frontcover der Digipack-CD entgegen lächelt, sieht weder von vorn noch von hinten (siehe Backcover) bedrohlich aus. Im Gegenteil, ich finde es eher niedlich, das ist so ’ne Mischung aus den Gremlins (bevor sie zum Monster werden) und einem See-Quitsche-Igel für die Badewanne. Meine Kinder fanden das Ding so witzig, dass sie es sogar abgezeichnet haben, dabei haben sie ständig gekichert. Nun, die Band Caspian Sea Monster kommt aus Chemnitz und existiert seit ca. fünf Jahren. Die Mitglieder spielten zuvor bei Bands wie z.B. Playfellow, Calaveras und Might Sink Ships. Das selbstbetitelte Debut-Album des Quartetts wartet mit insgesamt acht Songs auf, diese dauern fast 70 Minuten. Okay, während des letzten Tracks The Tremblin (der 27 Minuten dauert) wird etwas beschissen, da ca. ab der 7. bis zur 22. Minute nichts weltbewegendes passiert. Egal, denn der Rest überzeugt von vorn bis hinten. Grob umschrieben bekommt ihr hier durchdachten Post-Rock mit einigen Indie-Referenzen und tollen emotionalen Momenten auf die Lauscher. Melancholie spielt auch noch eine große Rolle, die gefühlvoll gespielten Gitarren und der zerbrechlich wirkende Gesang von Sänger Toni Niemaier erzeugen zusammen mit den smoothen Rhythmen und den Synthie-artigen Klängen zusätzlich für kribbeln im Nacken. Auch die satte Produktion weiß zu gefallen. Stellt euch entschleunigte Mewithoutyou vor, die emotionalen Post-Rock für sich entdeckt haben. Geile Scheibe, eher was für die ruhigen Momente in eurem Leben.


Diet Cig – „Swear I`m Good At This“ (frenchkiss) [Stream]
Zuckersüßen Indie-Emocore bekommt ihr von diesem Duo aus New York wie Honig um die Schnauze geschmiert. Boah, ich kannte die Band bisher nicht und hab kürzlich das Video zum Song Maid of the Mist angeschaut. Das Video selbst ist zwar schön gemacht, aber vom Hocker gehauen hat mich nur die Mucke. Was für ein geiler Song, ziemlich sicher war ich mir, dass dieser Song auf irgendeinem Sommer-Mixtape verewigt werden wird! Völlig überrascht war ich allerdings, als ein paar Wochen später die Digipack-CD in einem Päckchen aus dem Hause Fleet Union im Briefkasten lag. Nun, bei Diet Cig wirken wie bereits erwähnt nur zwei Leute mit. Da wäre zum einen Gitarristin Alex, die auch gleichzeitig noch in einer Tonlage und mit einer Hingabe singt, die Dir alle Nackenhärchen wie bei einem Stromstoß hinstellen. Dann gibt es noch Noah an den Drums, der dem ganzen einen gewissen Drive gibt und auch schonmal richtig abgeht (Blob Zombie z.B.). Auf Swear I`m Good At This werden euch jedenfalls 13 spaßbringende Songs auf die Ohren gepackt, die man irgendwo zwischen Indie, Emo und Pop-Punk einordnen könnte. Unbedingt solltet ihr euch auch noch den Song I Don’t Know Her anhören, mit dem Video zu Tummy Ache könntet ihr euch noch näher an die Band herantasten. Nach ein paar Durchläufen bin ich jedenfalls total hin und weg, da mich das irgendwie an eine Mischung aus The Anniversary und der deutschen Band Ohios Favorite erinnert.


Employed To Serve – „The Warmth Of A Dying Sun“ (Holy Roar Records/AL!VE) [Stream]
Ich liebe solch apokalyptische Albumtitel! Diese vermitteln direkt, wo es musikalisch wohl langgehen wird. Im Falle des zweiten Albums der Band aus Woking/UK dürfte der Abgrund nicht mehr weit sein, in den ihr nach dem Hörgenuss fallen könntet. Düster und heftig kriechen die Gitarren aus den Lautsprechern, kräftig und mächtig bolzt das Schlagzeug Kerben in eure Gehörgänge, dazu brüllt sich die Sängerin den Hals klötzchenweise blutig. Die Jobs, in welchen sie und ihre Bandkumpanen tagsüber so arbeiten, dürften sicherlich dazu beigetragen haben, dass die zehn Songs so ultrabrutal angepisst klingen. Ihr kennt das sicher auch: da kommt man völlig fertig von einem beschissenen Tag heim und will nur entspannen. Zuhause läuft es aber auch nicht besser: Wohnung steht unter Wasser, es wurde eingebrochen oder man hat keine Internetverbindung. Dann hilft eigentlich nur eines: entweder man macht selbst Musik, die in die Richtung des Quintetts geht, oder man legt diese Scheibe hier auf und findet sich in Gedanken wieder, die sich darum drehen, ob man sein passives Dasein voller Stagnation wehrlos hinnehmen will oder endlich mal aus sich rausgeht und für das kämpft, was einem wichtig ist. Diese Band zeigt uns jedenfalls, dass man mit viel Wille und Kraft etwas auf die Reihe bekommt, von dem so mancher Erdenbewohner noch nicht mal was mitbekommen hat.


Gnarwolves – „Outsiders“ (Big Scary Monsters) [Stream]
Es klingt zwar doof, aber eigentlich ist das hier genau das, was mir bei den Gnarwolves aus Brighton/UK als erstes in den Sinn kommt: Hier weiß man in der Regel, was man zu erwarten hat. Nämlich schnellen melodischen Hardcore-Punk, der etwas näher am Melody-Punk dran ist, aber bei dem man noch genügend Schrammen abkriegt, weil man mit dem Sound im Ohr und auf dem Skateboard stehend meint, dass man immer noch 15 Jahre alt wäre und der eigene Körper eigentlich aus reiner Kautschuk-Masse bestehen würde, die allen Stürzen standhält. Autsch! Zehn Songs. Fans von neueren Lifetime, Good Riddance, Grey Area, Dillinger Four oder Blacktrain Jack dürften bei den Gnarwolves Pippi in die Augen bekommen. Mein Anspieltipp: Paint Me A Martyr.


The Heads Are Zeros – „Selftitled“ (DIY) [Stream]
Zwölf Songs sind auf dem Debut-Album dieser noch nicht so bekannten Band aus Baltimore zu hören. Bisher wurden zwei EPs veröffentlicht und der Laufzeit dieses Albums von gerade mal 23 Minuten nach würde man das hier in Post-Rock-Kreisen mit Sicherheit als eine etwas zu lange geratene Single bezeichnen. Wenn ihr auf totales Grind-Massaker mit keifender Frau am Mikro abfahrt, dann seid ihr hier genau richtig. Die Gitarren schrubben wie wahnsinnig, der Drummer wird wahrscheinlich nachts noch von Napalm Death-Live-Videos verfolgt. Kommt geil. Für Fans von Botch, Dillinger Escape Plan oder Converge. Das hier würde ich mir gern live reinziehen!


Worth – „Lacus“ (DIY Cat Life Records) [Name Your Price Download]
Bevor ich jetzt mit meinem nicht vorhandenen großen Latinum angebe, spanne ich euch nicht länger auf die Folter: der EP-Titel stammt nämlich aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie See, Gewässer oder Wasser. Ja, diese Übersetzung könnte passen, das liebevoll besiebdruckte Coverartwork bestärkt mich jedenfalls in der gegoogelten Bedeutung des Wortes Lacus. Die fünf Jungs aus Bonn haben sich mit ihrer ersten EP jedenfalls viel Mühe gegeben. Das ganze wurde in Eigenregie gestemmt, die EP wurde klassisch im Proberaum engeprügelt und ist in einer kleinen Auflage entweder als Tape oder als CD erhältlich. Mir liegt die CD vor, deren Label ebenfalls mit einem schönen schwarz-weißen Siebdruck beklebt ist, zudem gibts das Ganze zum Name Your Price Download auf der Bandcamp-Seite der Band. Schade, dass kein Textblatt beiliegt, aber die Texte der fünf Songs lassen sich wenigstens auf Bandcamp nachlesen. Nun, vom Sound her gefallen mir die fünf Bonner recht gut, auch wenn die Mischung aus Post-Hardcore, Melodic Hardcore, Punk und Emo keine außergewöhnlichen Überraschungen an Bord hat. Ich meine, solch einen ähnlichen Sound vor Jahren mal für die Seite Borderline Fuckup besprochen zu haben. Ja doch, On Elegance aus der Schweiz klangen ähnlich. Das soll jetzt aber nichts abwerten, denn das Songwriting ist in sich stimmig, es gibt immer wieder Parts die aufhorchen lassen und sofort ins Ohr gehen. Hier seien z.B. die mehrstimmigen Chöre und die melancholisch gespielten Gitarren genannt, die von flächig gespielten Melodic Hardcore-Gitarren bis hin zum leise verspielten Emopart schön abwechslungsreich sind. Und klar, der Sänger leidet auch ganz schön intensiv. Und zwischendurch gibts bei Amisk einen vertrackten Refused/Abhinanda-mäßigen Break-Part. Als Anspieltipp empfehle ich gerade das Titelstück Lacus/IV, denn in diesem Song zeigt die Band ihr ganzes Spektrum. Mir gefällt v.a. der rohe und noch nicht so glattgeschliffene Sound, da ist noch genügend Biss und Rotze dabei. Leute, die sich eine Mischung aus Touché Amore, As Friends Rust und Trembling Hands vorstellen können, sollten hier unbedingt mal reinhorchen.


 

Fake Off – „Boréal“ (Dingleberry Records u.a.)

Es ist gar nicht mal allzu lange her, als ich auf einer meiner Bandcamp-Surfeskapaden auf diese mir bis dahin unbekannte Band aus Lille/Frankreich stieß. Nachdem ich erstmal gierig vom Name Your Price Download Gebrauch nahm und mir alle drei Releases der Franzosen auf die Festplatte zippte, entdeckte ich die Vielzahl an Labels, die an dieser neuen EP beteiligt sind. Und siehe da, die Chancen standen gar nicht schlecht, mit dieser schicken 12inch physisch bemustert zu werden, da mit Dingleberry Records und koepfen gleich zwei nette Labels am Start sind, die regelmäßig Vinyl rumschicken. Insgeheim inständig hoffen klappt ja manchmal ganz gut, denn prompt lächelt mir das düster aber edel wirkende Albumcover beim Auspacken des letzten Plattenpakets aus dem Hause Dingleberry Records entgegen. Luftsprung! In solchen Momenten wird mir dann immer ganz schön warm ums Herz. Nun, neben den eben erwähnten Labels sind noch Backpack Records, BG Records, Dirty Slap Records, Don’t Trust The Hype Records, Emergence Records, I For Us Records, Inhumano Discos, KROD Records, Lonely Voyage Records und Mustard Mustache Records am Release beteiligt.

Und jetzt, beim Betrachten des Artworks auf Front-und Backcover wird das Zusammenspiel des EP-Titels und der Songtitel klarer. Bisher war mir Boreal nur als Begriff aus der Erdgeschichte im Zeitabschnitt des Holozäns geläufig. Aber wenn man erstmal bei Wikipedia stöbert, stößt man auf weitere Bedeutungen des Begriffs und erfährt auch vom borealen Nadelwald (Taiga), vom borealen Klima (Arktik) oder vom borealen Schild (Ökoregion in Kanada), so dass die Songtitel mitsamt den einfach gehaltenen skizzenhaften Zeichnungen langsam einen Sinn ergeben, zumal sich ein Blick ins Textblatt ebenfalls lohnt und sich ein gewisses Konzept erkennen lässt. Die fünf Songs tragen allesamt Namen, die mit verschiedenen Vegetationszonen im Zusammenhang stehen. Während des Hörens überlege ich, ob sich diese Vegetationszonen evtl. in den letzten Jahrzehnten durch umweltschädigende Einflüsse bzw. dem Klimawandel stark verändert haben. Jedenfalls sind die genreunüblichen Texte bildhaft und poetisch anmutend zugleich, zudem lassen sie reichlich Raum für Interpretationen, so dass man neben dem musikalischen Genuss die vielen Puzzleteile im Gehirn rotieren lassen kann. Und um dem Ganzen noch mehr Tiefe zu geben: das durchsichtige Vinyl mit den pinken Sprengseln hat auch irgendwie etwas erdgeschichtliches an sich.

So, aber jetzt endlich mal noch kurz zur Musik, denn diese ist ja der eigentliche Grund meiner Begeisterung. Knapp 18 Minuten dauern die fünf Songs. Wie? Nach drei Durchläufen soll wirklich schon knapp eine Stunde vergangen sein? Wie schön wäre es doch, wenn die Zeit auf der geliebten Arbeit so schnell vergehen würde! Aber Fake Off machen auf diesen fünf Songs auch alles richtig: fett klingende Produktion, die aber trotzdem authentisch, wütend, leidend und mit ganz viel Seele rüberkommt. Zwischen mitreißendem Post-Hardcore mit emotive Screamo sind auch etliche Modern Hardcore und Melodic Hardcore-Passagen  mit an Bord, so dass man beim Hören einen Mischmasch aus Bands wie Shai Hulud, Aussitot Mort, State Faults, With Honor oder We Never Learned To Live im Ohr hat. Hört da unbedingt rein, es lohnt sich!

8/10

Facebook / Bandcamp / Dingleberry Records


 

Bandsalat: Belka, Gli Altri, Hafensaengers, The History Of Colour TV, King Slender, Mira, The Smith Street Band, Time As A Color

Belka – „Ermitage“ (DIY) [Name Your Price Download]
Diese erste, zum Name Your Price Download bereitstehende EP der Hamburger Band Belka wird wohl im Laufe des Jahres auch noch auf Vinyl veröffentlicht. Ja, bitte doch! Denn was die vier Herren, die zuvor in Bands wie Reasonist, Snakes & Lions (bzw. jetzt Shakers), Moro und See More Glass mitwirkten da fabrizieren, hat sehr viel Potenzial. Die sieben Songs sind schön satt abgemischt, die Songstrukturen wirken ausgefeilt und abwechslungsreich und was das wichtigste ist: die Seele stimmt. Die Gitarren braten auf der einen Seite scharf nach vorn, auf der anderen Seite kommen immer wieder gewisse melancholischen Momente zur Geltung, was nicht zuletzt auch noch vom herzzerreißenden Geschrei  von Sänger Dominik und den ab und zu auftretenden Gangshouts untermalt wird. Zwischen mitreißendem Post-Hardcore und emotive Screamo fahren die Gitarren auch mal einen Gang zurück und klingen fast gar postrockig. Klar, die Vorbilder dürften mit Bands wie Touché Amore oder La Dispute schnell gefunden sein, aber hier stimmt einfach das Gefühl. Beim Song Forellenzucht zeigt das Quartett, dass der Sound auch mit deutschen Texten hervorragend klappt, überhaupt sind die persönlichen Texte alles andere als oberflächlich. Als Anspieltipps empfehle ich die Songs Needles und Tristan Da Cunha oder ganz einfach die ganze EP!


Gli Altri – „Prati, Ombre, Monoliti“ (Dingleberry Records) [Name Your Price Download]
Diese fünf Herren kommen aus dem malerischen Städtchen Savona/Italien und machen ganz schön abgefahrene aber intensive Musik, die sich zwischen Emo, Post-Rock, Post-Hardcore und Screamo einpendelt. Gitarre & Bass + Schlagzeug, sehr geil produziert, dazu noch eindringlicher Gesang. Jetzt kommt etwas, für das ich mich absolut hasse. Ich liste im folgenden alle am Release beteiligten Labels auf, ohne dass ich sie verlinke, zudem ist dann nicht mehr viel Platz, um die geile Mucke der Italiener anzupreisen. Klickt auf Play, es lohnt sich! Also, hier mal die Labels:  Burning Bungalow, Lanterna Pirata, DreaminGorilla Records, Salterò Autoproduzioni, Scatti Vorticosi,  QSQDR, Smartz Records, Annoying Records, Taxi Driver Records, Vollmer Industries, É un Brutto Posto dove Vivere, CSA Next Emerson, Toten Schwan Records, Omoallumato Distro,  Messaggi/ERF, Strigide Records, Insonnia Lunare Records,  Greenfog Records,  Minoranza Autoproduzioni,  Screamore, Santavalvola Records, Brigante Records & Productions, Più Amici Meno Storie Records, Unbending Records,  Guglielmo Pendio Records,  Sound Town, Gustosissimo Records,  Bus Stop Press,  Mellow Club Distro, Wild Collective, Dingleberry Records , Ancient Injury Records, Rubaiyat Records,  Boripunk Asso,  Entes Anomicos, Désertion Records,  Ruffmo Records, The Screever Zine. Puh!


Hafensaengers – „Selftitled“ (DIY/Tunecore) [Video]
Als Nebenprojekt von Leuten der Bands Light Your Anchor und Coyotes wurde das gestartet, was nun den Namen Hafensaengers trägt. Auch wenn die Jungs in deutscher Sprache singen, erinnert der Sound an diesen Jahrtausendwenden-Hardcore mit Bands wie Grade oder alten Hot Water Music. Gefällt zumindest instrumental eigentlich ganz gut, allerdings ist der Gesang etwas zu sehr in den Vordergrund gemischt und an manchen Stellen klingt es, als ob ein paar Ableton-Effekte draufgeknallt wurden.


The History Of Colour TV – „Something Like Eternity“ (Cranes Records / Weird Books) [Stream]
Von manchen Bands erfährt man nur durch irgendwelche Promo-Anfragen, so auch im Falle dieses Trios aus Berlin, welches bereits seit 2010 existiert und schon zwei Alben und einige EP’s veröffentlicht hat, von denen ich bisher noch nix mitbekommen habe.  Diese elf Songs wurden irgendwann im Frühjahr 2016 mit Produzent Peter Deimel (Shellac, The Wedding Present) in Frankreich im legendären Black Box Recording Studio eingespielt und kaum ein Jahr später erscheinen die Songs sogar auf Vinyl in Form einer Doppel 12inch, die mir aber leider nur als Downloadbemusterung vorliegt. Denn der Sound der Berliner dürfte auf Vinyl seine ganze Schönheit entfalten. Zwischen gitarrenorientiertem Emocore, Post-Rock, Noise, Shoegaze, Indie und sogar etwas Drone bewegen sich die elf Stücke eher laid back, wissen aber durch entzückend gespielte Gitarren und dynamische Steigerung zu überzeugen. Dabei kommt den Songs zugute, dass sie live eingespielt wurden. In manchen Passagen kann man sich richtig verlieren, so eindringlich treten die Gitarren, das Schlagzeug, der etwas knarzende Bass und die weinerlich klingenden Vocals in Aktion. Da kommen dann so Bands wie Sunny Day Real Estate, The Close oder Pussybox in den Sinn, im Pressetext werden auch noch Radiohead und Sonic Youth als Vergleiche angeführt. Die Songs Broken Trip oder Wreck eignen sich perfekt, um vom Sound der Berliner angefixt zu werden, checkt das also an!


King Slender – „Selftitled“ (Parking Lot Records) [Name Your Price Download]
Bisherige bzw. aktuelle Mitglieder der Bands Carved Up, The Minor Times, The Sea The Sea, Nationale, Five Stars For Failure, Fighter Hayabusa und The Ideamen stecken hinter King Slender. Dass die Jungs schon reichlich an Banderfahrung gesammelt haben, kann man auf diesen ersten drei Songs zweifelsohne hören. Ihr bekommt jedenfalls genial treibenden Hardcore mit einer ordentlichen Portion Dreck und mit Versatzstücken von Emocore, Indie, Noise, Punk und Post-Hardcore auf die Ohren, dabei schreit sich der angepisste Sänger wütend in Ekstase. Daran könnten Menschen eine Freude haben, die Bands wie Comadre oder Battle Of Wolf 359 zu ihren Faves zählen. Ich steh jedenfalls drauf!


Mira – „Selftitled“ (mum says: be polite rec.) [Name Your Price Download]
Es ist noch gar nicht lange her, dass They Sleep We Live und Fljora das Zeitliche gesegnet haben. Dass die Auflösung beider Bands jeweils einen sehr großen Verlust darstellt, habe sicher nicht nur ich bemerkt. Nun, jeder Verlust, jedes Ableben, so traurig es auch für Angehörige oder Freunde sein mag, schafft auch neues Leben, das wiederum das Zeug dazu haben kann, uns zu glücklichen und ausgefüllten Menschen zu machen und das den Schmerz des Verlustes langsam verblassen lassen kann. Obwohl in den drei Songs auf diesem Release die melancholische und verzweifelte Seite mehr Tragweite zu haben scheint, zaubert die Musik und das ganze Drumherum neben der Gänsehaut auch ein befreiendes Lächeln ins Gesicht, hier stimmt einfach alles. Naja, außer vielleicht die kurze Spielzeit und der blöde Gesichtsausdruck, wenn man die 7inch aus dem Karton rausfischen will und ins Leere greift und dann „nur“ eine CD zum Vorschein kommt. Mogelpackung? Nee, mit Sicherheit nicht! Denn wenn man den von allen Seiten linolbedruckten dicken Karton aus der PVC-Hülle gefriemelt hat und im Inneren noch die Texte vorfindet, die ebenfalls gesiebdruckt und wie ein kleines Büchlein reingetackert sind, dann kriegt man schier den Mund nicht mehr zu. Und dann erst fällt eigentlich erst die CD ins Auge, die ebenfalls besiebdruckt ist und sich perfekt ins restliche Sternbild-Artwork integriert und auf eine Art Filzgleiter geploppt ist. Wie das Licht eines toten Sternbilds kitzelt Dich dann diese Musik an Stellen, an die sonst niemand ran darf. So fühlt sich 90’s Emo an, yeah! Roh, intensiv, zerbrechlich! Hier sind übrigens Leute der oben bereits erwähnten Bands am Start, zudem kennt man einige Bandmitglieder von Bands wie Manku Kapak und Ilill.


The Smith Street Band – „More Scared Of You Than You Are Of Me“ (Uncle M) [Stream]
Hach, wie ich mir doch den Sommer herbeisehne, wenn ich diese herzzerreißenden zwölf Songs des mittlerweile vierten Albums der australischen Punk/Emo/Indie-Band The Smith Street Band anhöre. Kraftvoller Gesang, der sich nicht darum schert, wenn mal nicht exakt der Ton getroffen wird, dazu Gitarren, die einerseits verträumte Melodien zum Besten geben und auf der anderen Seite aber trotzdem die Beinchen rhythmisch im Takt auf den Boden tröppeln lassen. Und dieser Bass, der unabhängig vom Rest der Band zu sein scheint und unerwartet stimmig dazu beiträgt, dass der Gesamtsound so rund klingt. Jack Shirley ist mal wieder für diese satte und lebendige Produktion verantwortlich. Geil auch, dass ab und zu Frauenchöre bzw. Frauenstimmen den nöligen Gesang des Sängers etwas aufpeppen. Hach, wie soll man diesen Sound zwischen Lebensfreude, Melancholie und Energie bloß beschreiben? Stellt euch vor, die Smashing Pumpkins (zur Siamese Dreaming-Phase) covern (ohne vorher Dope geraucht zu haben) Algernon Cadwallader-Songs und haben noch dazu diesen übriggebliebenen Typen von Nirvana (jetzt Foo Fighters) am Schlagzeug. Sehr schön!


Time As A Color – „X“ (Time As A Color) [Stream]
Gleich zwei Ereignisse werden mit diesem geilen Sampler gefeiert. Zum einen ist das der zehnjährige Geburtstag des Labels, zum anderen ist dieses Release die fünfzigste Veröffentlichung! Clap Your Hands And Say Yeah! Verbeugung und Gratulation! So geht DIY! Wenn ihr euch einen Überblick von den Bands machen wollt, die bisher auf time as a color veröffentlicht haben, dann ist dieses Release eine perfekte Gelegenheit dafür, wenn es auch unter den bisherigen 49 Veröffentlichungen etliches mehr zu entdecken gibt. Jedenfalls sind alle neun Songs bisher unveröffentlicht. Und das hier ist drauf: Carson Wells, Nebraska, Bail, Coma Regalia, Lorraine, Duct Hearts, Kumulus, Terraformer und ein live dargebotener Song von Grand Détour. Und wahrscheinlich ist es für euch knauserigen Geizhälse sicher eine Freude, den Big Anniversary Sale des Labels zu nutzen und ein paar Schmankerl zu erhaschen. Schlagt zu und unterstützt lieber kleine Herzblut-Labels wie time as a color bevor ihr beim Shit-Record-Store-Day für irgendwelche billig und lieblos produzierte Grütze Unsummen an Kohle rausschleudert. In diesem Sinne, Happy Birthday!


 

Bandsalat: AYS, Decibelles, Heim, Il Mare Di Ross, Mobina Galore, Start A Fire, Tides, Witness

AYS – „Worlds Unknown“ (End Hits Records) [Stream]
Es liegt an Veröffentlichungen wie der neuen Miozän-Scheibe oder Zeugs wie diesem hier, die Deutschland in Sachen Hardcore im Jahr 2017 Back On The Map bringen und selbst mich dazu anstiften, nervös zappelnd einen Live-Moshpit herbeizusehnen. AYS sind ja längst keine Unbekannten mehr, sie tingeln mittlerweile auch schon wieder seit 15 Jahren unermüdlich durch die Lande, unglaublich. Und diese Live-Präsenz, die sich zuletzt sogar auf Länder wie China, Indonesien, Malaysia und Singapur ausweitete, macht sich auf Worlds Unknown deutlich hörbar, inhaltlich wie musikalisch. Nach einem asiatisch angehauchten Intro klatscht Dir erst mal die brachiale Wucht des Openers die Emobrille von der Nase. Das Ding zerstört atompilzmäßig! Nach diesen zarten Intro-Klängen wird man unerwartet brutal mit fetten Drums und ultraderben Gitarren, die sofort mit dem wuterfüllten Gekeife von Sänger Schommer begleitet werden, an die Wand gedrückt. Die Lyrics handeln von Eindrücken und Gefühlen, die Schommer während einer Asien-Tour beschäftigt haben. Schade, die Texte hätte ich gern gelesen, aber leider war das nur eine Downloadbemusterung. Das Artwork kommt im 12inch-Format sicher auch geil. Jedenfalls Hammer! Dieser schleppende, im Midtempo angesiedelte Sound hat soviel Power an Bord, dass man schon nach dem ersten Song nostalgische Sternchen vor Augen hat und unweigerlich an Bands wie Strife (Frühphase), die metallastigen Cro-Mags (Best Wishes und so), Snapcase, Biohazard, härtere Life Of Agony, Path Of Resistance (die Victory Band), die Stuttgarter Band Sidekick (RIP – deren Sänger Jogges – mittlerweile Empowerment – hat übrigens auch einen Gastauftritt) oder auch neuere Bands wie Time’s Tide denken muss. Fuck, diese 12 Songs zerstören einfach alles und sind so genial, dass ich schon endlose Sätze mit Klammern schreibe. Bevor das hier in ner mathematischen Formel ausartet, solltet ihr dieses Hammerding unbedingt anchecken und der Band anschließend einen Besuch bei einer ihrer nächsten Shows abstatten!


Decibelles – „Tight“ (Kidnap Music) [Stream]
Obwohl die Decibelles auch schon wieder seit Bandgründung zwölf Jährchen auf dem Buckel haben, wurde ich erst vor kurzem auf die drei Damen aus Lyon aufmerksam und staunte nicht schlecht, als ich aufgrund der Promo-Meldung von Rookie Records bezüglich eines neuen Signings des Labels Kidnap-Music ein paar auf Youtube zur Verfügung stehende Videos der Decibelles betrachtete. Und kaum ein paar Monate später trudelt auch schon das neue Album Tight als Vorab-Promo-CD hier ein. CD in den Schacht und auf Play gedrückt, wird man auch schon direkt von diesen Songs in Beschlag genommen. Die zappelige Mischung aus Post-Punk, Noise und etwas Indie-Punk klingt äußerst charmant, obwohl stellenweise reichlich Wut, Power und Rotzigkeit im Sound der Französinnen an die Oberfläche schwappt. V.a. der Bass bröselt ordentlich, die Schlagzeugerin hat coole abgedrehte Moves und Rhythmen drauf und die Gitarre schrammelt ungehemmt, während der Gesang schön Riot-Grrrl behaftet ist. Auf der einen Seite sind also diese sperrig-noisigen Passagen, die mit zappeligen Rhythmen um die Ecke kommen, auf der anderen Seite kommen aber auch fast poppige und shoegaze-affine Züge mit rein, da wird sogar zuckersüß gesungen (z.B. das geniale Super Fish oder der Ohrwurm All Wet), aber auch schön gekreischt (Yeux Secs, Sick As Shit). Stellt euch eine Mischung aus Sleater-Kinney, frühen Le Tigre, frühen Lush, Primus, X-Ray-Spex, etwas At The Drive-In und  Shellac vor, das kommt so ungefähr hin. Die Decibelles sollen laut Presseinfo live übrigens richtig geil sein, nicht umsonst haben keine geringeren als die eben genannten Shellac die Band als Support für einige Shows der kommenden Europa-Tour eingeladen.


Heim – „Palm Beach“ (Tapete Records) [Stream]
Verdammt! Neulich kam eine lieb geschriebene Anfrage aus dem Hause Tapete Records in das elektronische Postfach geflattert, die neben einem Downloadlink dieses Albums auch noch auf eine Show der Band bei mir um die Ecke hinwies. Verdammt deshalb, da ich an diesem Abend verhindert war und leider nicht hingehen konnte. Ein wenig mit Tapete Records hin und hergeschrieben kam dann just an dem Tag des Konzerts die CD mit der analogen Post ins Haus geflattert und um mich zu quälen, legte ich die CD dann dooferweise auch noch direkt in den Schacht. So bitter! Denn Heim klingen auf Palm Beach so lebendig, dass man sich ausmalen kann, wie geil ein Konzert der drei aus irgendwelchen Käffern der bayerischen Provinz stammenden Slacker-Typen wohl sein könnte. Dass die acht Songs des Albums live eingespielt wurden, das kann man direkt fühlen. Erstmal sind da diese Gitarren, die alles in Grund und Boden rocken, dabei aber so verdammt gefühlvoll rüber kommen. Mal gehen sie fuzzy ab, dann schwirren sie Dir wie verliebt tänzelnde Schmetterlinge um die Ohren, um Dir im nächsten Moment die volle Breitseite zu geben. Das mit viel Crashbecken gespielte Schlagzeug und der knarzende Bass sorgt für den nötigen Noise-Faktor, der sich oftmals psychotisch ins Hirn hämmert. Und dann sind da noch die deutschen Texte, die mal gesungen und mal derb geschrien vorgetragen werden. Stellt euch vor, Dinosaur Jr., Shellac und Pavement jammen mit The Jesus Lizard und Drive Like Jehu, dazu holen sie sich noch ’nen Sänger, der wie eine durch einen Touch And Go Records-Filter gejagte Mischung aus dem Tele-Sänger und Udo Lindenberg klingt und zudem noch derbe schreien kann. Sehr sehr geil also. Mein Tipp: bestellt euch die Platte und packt Songs wie Das Alte Versteck oder Nicht Mehr Da auf euer nächstes Mixtape!


nullIl Mare Di Ross – „Nulla è per sempre neppure l’inverno“ (Dingleberry u.a.) [Stream]
Die Digi-Pack-CD kommt im schönen DIY-Papp-Stil mit eingestecktem Hochglanz-Booklet, die CD in Vinyloptik rundet das ästhetische Gesamtbild entsprechend ab. Denn im Booklet finden sich neben komplett schwarzen Seiten schön düstere schwarz-weiß-Fotografien, zudem sind die italienischen Texte nachzulesen. Allerdings ohne englische Übersetzung, was das ganze natürlich spannend macht, wenn man italienische Sprache nur im Zusammenhang mit Pizza gewohnt ist. Ich schließe mal aufgrund der düsteren Grundstimmung, dass die Textinhalte sich dem Gesamtbild anpassen. Der Sänger speit Gift und Galle, erstickt fast an seiner Verzweiflung, so dass man sich auch ab und an an ruhigeren Post-Rock-Passagen erfreuen kann, bevor wieder das Chaos ausbricht und die ganze Schwere der Musik aufs Gemüt drückt. Seit dem Split Tape mit Riten und Aperture (was machen die eigentlich?) haben die fünf Sardinier deutlich mehr Post-Hardcore/Post-Rock-Klänge in ihrem Sound verarbeitet. Würd ich gern mal live sehen!


Mobina Galore – „Feeling Disconnected“ (Gunner Records) [Stream]
Ich weiß nicht, woran es gelegen hat, dass ich das kanadische Duo bisher komplett ignoriert habe. Dementsprechend war ich positiv überrascht, als Feeling Disconnected per vorab-Promo-CD im Briefkasten lag und ich gespannt diesen verdammt intensiven zehn Ohrwurm-Hymnen lauschte, die dazu noch die nötige Portion Biss und Power im Gepäck haben. Auf der einen Seite sind diese eingängigen Hooks mit perfekt geschrammelten Gitarren und hymnenhaften Vocals, auf der anderen Seite hat das ganze noch genügend Rotze. Die insgesamt zehn Songs lassen keinerlei Langeweile aufkommen. Das ist eigentlich Wahnsinn, da hier ja nur Gesang, Schlagzeug und Gitarre zu hören ist. Laut Presseinfo handelt es sich bei Feeling Disconnected um eine Art loses Konzeptalbum, da die Songs sich allesamt mit dem Thema Trennung beschäftigen. Arschtretend und eingängig zugleich, das müsst ihr euch unbedingt mal anhören!


Start A Fire – „Schattenjagd“ (Twisted Chords) [Stream]
Dass Start A Fire eine Vorliebe für selbst gedrehte Musikvideos haben, lässt sich kaum verheimlichen. Zum neuen Album gab es deshalb im Vorfeld gleich drei neue Videos zu sehen. Ich bin gespannt, wann der Zeitpunkt kommt, an welchem die Jungs ein komplettes Album im Videoformat rausbringen, das wäre doch mal eine Überlegung wert. Die andere Leidenschaft, die die Band zu haben scheint, ist deutsche Lyrik. Nun, neulich zockten die Jungs im JuHa um die Ecke, weshalb ich das Angebot des Labels auf einen Gästelisten-Platz als alte asoziale Punkerzecke natürlich gern in Anspruch nahm, auch wenn man am Einlass dann doch peinlich berührt ist, dass der Eintrittspreis für 3 Bands gerade mal 4 Euro beträgt. Naja, egal. Dieser nette Abend mit vielen altbekannten Gesichtern begann mit Vorglühen wie in alten JuHa-Zeiten und entwickelte daher von Anfang an eine gewisse feuchtfröhliche Stimmung. Die Kohle, die beim Eintritt gespart wurde, ging also im Laufe des Abends für die zwei Kaltgetränke mehr drauf, die letzlich das Fass zum Überlaufen brachte und die dann dafür verantwortlich waren, dass ich anstelle mit dem Fahrrad heimzuradeln die Mitfahrgelegenheit eines Kumpels in Anspruch nahm und dadurch die letzten 3 Songs von SAF verpasste, aber wenigstens heil nach Hause kam. Nun, ich erwähnte es bereits im Review zur Mein Name ist Bedauern, dass Gitarrist Sebastian und meine Wenigkeit vor Jahrzehnten zusammen musikalisch aktiv waren und sich Sebastians technische Fähigkeiten im Vergleich zu den damaligen Kellercombo-Aktivitäten deutlich verbessert haben. Erstaunt war ich auch, als ich gerade dieses ellenlange Review zum Mein Name ist Bedauern-Album durchgelesen habe, das ich einst für Borderline Fuckup schrieb.  Aber eigentlich ist diesem Text in Bezug auf das neue Album nichts mehr hinzuzufügen, außer dass mir auf diesem Album irgendwie die Kreischeinlangen von Ex-Basserin Pana fehlen. Dafür dürfte der Gastauftritt vom WIZO-Sänger Axel beim Song Täterschmiede Zaubertrank für etwas mehr Abwechslung im Gesangsbereich sorgen.


Tides! – „Celebrating A Mess“ (Midsummer Records) [Video]
Das einzige, was ich an dieser CD auszusetzen habe, ist, dass im Booklet lediglich der Text zum Song Signals Southwest abgedruckt ist. Aber das ist auch schon alles, denn Tides! aus Saarbrücken machen ganz genehmen melodischen Punkrock, der v.a. im instrumentalen Bereich zu überzeugen weiß. Das Zusammenspiel der melodischen Gitarren und dem warmem, aber trotzdem treibenden Bassspiel könnte nicht abgestimmter klingen. Der Sänger hat obendrein eine angenehme Stimme, auch wenn man sich ab und an wünscht, dass er etwas mehr aus sich rausgehen könnte. Aber diesen Wunsch vergisst man schnell wieder, sobald die mehrstimmigen Chöre einsetzen. Neun Songs sind auf der mit einem hübschen Albumartwork gestalteten Debutscheibe insgesamt enthalten und man kann schon sagen, dass sich diese neun Stücke bereits nach dem zweiten Durchgang im Gehör fest einnisten, so dass man direkt Lust bekommt, die Band mit einem Bier bewaffnet live zu begutachten. Musikalisch erinnert das dann an die im Booklet gegrüßten Bands wie Hell & Back, Irish Handcuffs und Resolutions, es kommen aber auch so Bands wie z.B. The Wonder Years in den Sinn. Hey, und bei Stay Warm Part II (schaut euch das Video an!) wird die Band auch noch von Philipp Dunkel (MNMNTS, Finding Faith, Homestayer) unterstützt. Runde Sache!


Witness – „Seasons“ (DIY) [Name Your Price Download]
Mit der ersten EP Trials & Tribulations konnten die Kölner bei mir schon punkten, nun ist die zweite EP der vier Jungs erschienen, diesmal in Form eines Tapes bzw. einer Digitalversion, die zum Name Your Price-Download zu haben ist. Und Witness machen genau da weiter, wo sie mit der letzten EP aufgehört haben und bieten mitreißenden, melodischen Hardcore-Punk mit ein paar Emo-Einflüssen. Großer Pluspunkt ist das ausgeklügelte Zusammenspiel von Gitarre/Bass. Das Ding ist gut produziert, die drei Songs strotzen vor Spielfreude und sind schön abwechslungsreich arrangiert, so dass keine Langeweile aufkommt. Kann man nur empfehlen, ist live sicherlich nett anzusehen!


 

Videosammlung: Dust Moth, Microwave, Die Negation, It’s Not Not, Slow Bloomer, Wake The Dead

Dust Moth hab ich neulich bei Bandcamp entdeckt. Abgesehen davon, dass das neue Album Scale durchaus seine Reize hat, solltet ihr euch erstmal von dem Video zu A Veil In Between hypnotisieren lassen.


Falls ihr das Hammeralbum Much Love der Band Microwave aus Atlanta noch nicht kennen solltet, dann wird es spätestens nach dem Genuss dieses sagenhaften Videos Zeit, endlich mal reinzuhören. Mit das beste Musikvideo, das man in letzter Zeit so sehen konnte.


Bei Die Negation musizieren ja Mitglieder der Bands Heaven Shall Burn und Zero Mentality zusammen. Der Clip zu Scheusal von Oldenburg macht jedenfalls neugierig auf das Debutalbum namens Herrschaft der Vernunft, das Mitte Mai erscheinen soll.


Wie bitte? Ganze neun Jahre nach dem letzten Release veröffentlichen It’s Not Not ein neues Album. Und die Band, die sich aus Leuten von Dies Irae, Tokyo Sex Destruction, Standstill und The Unfinished Sympathy zusammensetzt, hat es immer noch drauf!


Slow Bloomer aus Leipzig setzen sich aus Mitgliedern von Reason To Care und Continents zusammen und machen schön eingängigen Indie/Emo. Das Debut Nudity erscheint als Co-Release der Labels Miss The Stars, Through Love, Flood Floorshows, Koepfen und Midsummer.


Wer auf melodischen und energiegeladenen Hardcore steht, der sollte sich mal das neue Video der französischen Band Wake The Dead reinziehen. Geht gut ab!


 

Bandsalat: Apartments, Algae Bloom, Blowout, Clearer The Sky, Dead Koys, Fossa, Idle Threat, Ingrina

Apartments – „The Only Thing That Keeps Me Here“ (Never Meant Records) [Name Your Price Download]
Das Cover, naja. Schönes Haus, kann man sicher was draus machen. Aber warum musste das ausgerechnet auf’s Cover? Keine Frage, mich würde so ein Häuschen wahrscheinlich auch am Arsch der Welt gefangen halten. Proberaum in den Keller, Pizzaofen in den Garten, Totenkopf-Fahne auf’s Dach, Spießbürgertum im neuen Gewand.  Nun, die Band kommt aus Irland und klingt etwas nach dem Emo/Post-Hardcore-Zeug, das man um die Jahrtausendwende so häufig hören konnte. Schrammelige Gitarren, schön angepunkt und mit einem schrägen Sänger. Dürfte Leuten gefallen, die mit Bands wie Clairmel, Lockjaw oder Couch Potatoes was anfangen können. Mir gefällt’s jedenfalls.


Algae Bloom – „I am everyone I’ve ever met“ (Wolf Town DIY) [Name Your Price Download]
Beim Bandcamp-Surfen entdeckt, aufgrund des Artworks umgehend reingelauscht und direkt angefixt. Nach kurzer Recherche im Netz kann ich folgendes offenbaren: Hier sind zwei Typen am Start, der eine spielt Gitarre und schreit, der andere spielt stehend Schlagzeug und schreit auch ab und an. Mich wickeln hier v.a. die Gitarren um den Daumen, die völlig eigenständig Melodien aus dem Ärmel zaubern, die absolut zeitlos und atemberaubend sind. Dazu dann das Schlagzeug, das sich auf diese Melodien einlässt, da hat man direkt zwei Freunde vor Augen, die schon seit der Grundschule zusammen sind und bis jetzt durch dick und dünn gegangen sind.


Blowout – „No Beer, No Dad“ (DIY) [Stream]
Immer diese skrupellosen Kunststudenten, die zwar bei jeder Tierrechtsdemo dabei sind, aber dann doch die Nachbarskatze für obskure Albumcover missbrauchen. Vielleicht war das aber auch wieder mal der besoffene Papa, der sich in einem unbemerkten Moment das Smartphone irgendeines Bandmitglieds geschnappt hat und wild in der Gegend rumgeknipst hat. Und anschließend wundert man sich über die gespeicherten Bilder und denkt sich: wow, ein Albumcover. Was kann einem besseres passieren, man hat ja schließlich schon genug mit der Musik um die Ohren. Zuckersüss sein strengt an. Denn so klingt die Band aus Portland, Oregon. Melodische, schrammelige Gitarren, Frauengesang, tolle bombastische Chöre, treibendes Schlagzeug. Pop-Punk mit Biss, liegt irgendwo zwischen Algernon Cadwallader, den Pixies, Saves The Day und Beach Slang, aber in rotzig.


Clearer The Sky – „Held In Merciful Light“ (Wolf Town DIY u.a.) [Stream]
Da ist erstmal dieses instrumentale Intro, über das man weg muss, das dauert 3:38. Aber danach fängt man direkt an zu strahlen, wenn man auf emotive Hardcore steht, natürlich mit Elementen aus Post-Hardcore, Emo, Screamo, Post-Rock und Melodic Hardcore. Nicht unbedingt neu, aber gut gemacht, zudem aus Schottland, was ja auch eher unüblich ist. Abwechslungsreich, schöne Instrumentierung, bei der jedes Instrument auch den eigenen Freiraum bekommt. Und ein keifender Sänger. Mir gefallen v.a. die ruhigeren Passagen, die etwas an Bands wie We Never Learned To Live erinnern. Dass die Jungs dieses Jahr auch schon wieder zehnjähriges Bandjubiläum feiern, das kann man zweifelsohne hören.


Dead Koys – „Wehringhausen“ (Antikörper ) [Stream]
Das, was die Band aus Dortmund hier abliefert, gefällt mir echt mal richtig gut. Die sechs Songs müssen dafür nicht mal ganz durchlaufen, bereits beim zweiten Song weiß ich, dass ich das hier total mag und die restlichen Songs garantiert auch in die gleiche Kerbe schlagen. Und wie zu erwarten war, ist das auch letztendlich so. Melodic Punkrock trifft auf 90’s Emocore, die Gitarren flirren und rotieren, während der Gesang zwischen Damien/As Friends Rust und dem Samiam-Sänger pendelt. Reinhören tut hier garantiert nicht weh!


Fossa – „Selftitled“ (DIY) [Free Download]
Ich zitiere mal aus der Mail, die dieser Download-only-Anfrage beigefügt war: Fossa kommen aus Portsmouth, UK und setzen sich aus einer Menge Mitglieder von in Portsmouth bekannten Bands zusammen. Weil die Jungs gern Zeugs wie pg.99 und American Football mögen, gehen die drei Songs plus Intro natürlich in eine ähnliche Richtung. Zwischen Emo, Screamo und Post-Hardcore entdeckt man dann immer wieder Sachen, die man irgendwie schon mal gehört hat, die aber trotzdem ganz nett sind. So erinnert mich der Gesang bei Under The Rose irgendwie an Damien von As Friends Rust, während die Chöre bei I’ll Set Sail an Bands wie I Love Your Lifestyle erinnern.


Idle Threat – „Grown Tired“ (DIY) [Stream]
Bandcamp rockt manchmal schon die Bude. Diese Band hier aus Nashville hätte ich niemals gefunden, wenn ich gezielt nach einer bestimmten Rock-Band aus Nashville gesucht hätte. Am Albumcover kann es nicht gelegen sein. Und wenn die Band den Song Ghost als Referenz gewählt hätte, dann hätte ich ruckzuck weitergezappt. Die oldschooler unter euch denken jetzt bestimmt aufgrund des Bandnamens an Bands wie Minor Threat und Teen Idles. Denkt schön weiter, Idle Threat könnten eher im Melodic Hardcore-Milieu Gehör finden.


Ingrina – „Selftitled“ (DIY) [Name Your Price Download]
Was ist das für 1 Anfrage, um es mal ganz primitiv auszudrücken, harr harr. Die Band Ingrina aus Frankreich scheint nicht viel auf Marketing und Promogedöns zu geben. Zwei Zeilen reichen, um das erste 3-Song-Release schmackhaft zu machen. Die hab ich aber auch erst durchgelesen, nachdem ich den Audiolink ausgiebig angecheckt hatte. Die Franzosen gehen vorwiegend instrumental zur Sache, also auch eher wortkarg. Post-Hardcore, etwas Post-Rock ist ebenfalls mit von der Partie. Die Gitarren flirren schön, kommen auch ab und an düster und wummig, dennoch überwiegt der freundliche Grundton. Schade, dass der Gesang so in den Hintergrund gemischt wurde, mehr dominierender und deutlich herausstechender Gesang wär der Burner. Aber für’s erste Release ganz geil, reinhören ist Pflicht.


 

Miles & Feet – „Portrait“ (lifeisafunnything)

Gerade mal zwei Jahre ist es her, dass Miles & Feet aus Leipzig ihr Debut via lifeisafunnything veröffentlicht haben. Lies.Words.Love war ja schon irgendwie abnormal scharf, aber was die fünf Jungs hier abliefern, das legt nochmal ordentlich benzingeträufeltes Holz im Lagerfeuer nach. Portrait erscheint erneut auf lifeisafunnything, und obwohl ich die Leipziger leider noch nie live gesehen habe, kann ich den Enthusiasmus von Marcus absolut nachvollziehen.

Denn gleich der erste Song (Grief And Loss) lässt mal schön die Kinnlade runterklappen: was für ’ne geile Produktion, das haut Dir echt den Staub aus den Klamotten. Komplett entmilbt nach Hörgenuß mit 120 Dezibel. Wär ein guter Werbeslogan, aber zum Patent-Anmelden bin ich gerade mal wieder zu schlaff. Was solls, klaut mir die Idee halt und werdet glücklich mit dem ganzen Geld, das ihr damit macht.

Aufgenommen wurden die acht Songs von Johann Bergmann/schallundraum, abgemischt hat Jay Maas von Defeater. Und das auf der einen Seite abnormal druckvoll, auf der anderen Seite aber auch enorm gefühlvoll und bedächtig. Sehr gutes Zusammenspiel. Der Sound der Leipziger klingt auf Portrait noch viel ausgereifter, zum Melodic Hardcore kommen einige emotionsgeladene Passagen und schön verspielte instrumentale Post-Rock-Parts dazu. Verdammt, diese Gitarren, die flutschen und rocken alles weg! Aber natürlich nur, weil auch dem Bass viel Raum gegeben wird und der Schlagzeuger bereits einige Bonus-Meilen mit seiner Fußmaschine zurückgelegt hat. Der leidend herausgebrüllte Gesang gibt natürlich den Rest. Herz und Hose! Lest unbedingt die Texte!

Und je öfter man die Platte durchlaufen lässt, umso mehr verzücken die behutsam auftauchenden ruhigen Momente. Das instrumentale Titelstück Portrait oder die Schlusssequenz von …Went Black z.B. Auch wenn überwiegend in die Felle gehauen wird, ist bei allen Songs eine gewisse Emo-Kante mit am Start, obwohl  Miles & Feet echt mal böse aussehen. Guckt euch mal das Bandfoto auf der Bandcamp-Seite an: Das sind richtig harte Jungs, die sich von absolut gar niemanden ins Tofu-Chili spucken lassen! Falls ihr das trotzdem vorhaben solltet, dann schaut euch zusätzlich das Front-und Back-Cover dieser wunderschönen 12inch an und überlegt gut, ob ihr euch danach noch mit diesen Foto-zerkratzenden Psychos anlegen wollt. Kratzt lieber euer mühsam erspartes Geld zusammen, denn hier bekommt ihr richtig Value for Money. Zehn Euro für clear-Vinyl, Download-Code, gefaltetem Textblatt und CD in Vinyloptik, wo gibt es das heutzutage noch?

8/10

Facebook / Bandcamp / lifeisafunnything

Bandsalat: Anoraque, Bicycle Sunday, Giants, I Heart Sharks, Masha Qrella, Pity Sex, Resolutions, Terrible Love

Anoraque – „Disturbing Grace“ (Radicalis Music Management) [Stream]
Hey, jetzt hatten wir neulich schon die Kölner Band Anorak auf dem Schirm, jetzt folgt mit Anoraque eine weitere Band, die ein Loblied auf die modische und wetterfeste Kapuzen-Jacke abgibt, die mir persönlich auch so sehr ans Herz gewachsen ist. Nun, Anoraque kommen aus dem schönen Basel in der Schweiz und machen eine ziemlich geile Mischung aus zappeligem Post-Punk, Emo, Noise, Shoegaze, Math-Rock und etwas Indie. Die Sängerin hat ’ne ähnliche Stimme wie die Sängerin der Cardigans, dann klingt sie wieder nach Miki Berenyi von Lush oder aber auch nach Betty Mugler von Hidalgo, allerdings kann Sängerin Lorraine neben ihrem Gitarrespiel auch schon mal ins Mikro rotzen, obwohl sie gerade noch verführerische Hauchtöne von sich gegeben hat. Wenn wir schon bei Vergleichen sind, fallen mir auch noch Monochrome und I Might Be Wrong ein. Mir gefallen die verschwurbelten Gitarren und die vertrackten Rhythmen, dazu gesellt sich noch ein eigensinniger Bass und frickelige Störgeräusche, an manchen Stellen kommen sogar Rage Against The Machine in den Sinn. Was für ein Erlebnis! Die Gitarren reichen von verdammt verspielt bis hin zu verdammt eingängig, das findet man aber erst nach einigen Durchläufen heraus. Schade, dass es dieses Release bisher nur auf CD gibt, wie gut würden diese sechs Songs wohl auf Vinyl klingen? Unfassbar gut, denke ich!


Bicycle Sunday – „Pale Marble Movie“ (DIY) [Name Your Price Download]
Am zweiten Album dieser Band aus Michigan dürften alle Gefallen finden, die gerne Midwest-Emo-Bands wie z.B. Mineral, The Gloria Record oder Appleseed Cast hören. Die Jungs selbst nennen neben Mineral auch noch als Einflüsse Death Cab For Cutie und Pedro The Lion, was eigentlich auch gut passt. Die Gitarren klimpern glasklar, dazu kommt der verträumt melancholische, fast weinerliche Gesang, der schon ein wenig von der Tonlage und den langgezogenen Wörtern an Chris Simpson von Mineral erinnert. Mir gefällt’s, eine schöne Platte für einen verregneten Sonntag Nachmittag.


Giants – „Break The Cycle“ (Holy Roar Records/Alive) [Stream]
Nach einigen EP’s und zahlreichen Europa-Tourneen mit ständig wachsender Fanschar steht nun das Debutalbum Break The Cycle an, das mit insgesamt 13 Songs in knapp 40 Minuten sehr lang ausgefallen ist, aber ziemlich frisch und rasant aus den Lautsprechern bröckelt, so dass keine Langeweile aufkommt. Geboten wird eine Mischung aus Modern Hardcore und schnell gespieltem Skatepunk mit melodischen Gitarren und schönen Background-Chören, neben der HC-Schiene gefallen v.a. die rotzigen Punkeinflüsse, von der Produktion her klingt das auch schön fett, die Gitarren rasseln jedenfalls messerscharf. Das klingt dann im Grunde genommen wie eine Kreuzung aus Bands wie More Than Life oder Landscapes auf der einen und Strike Anywhere, Intensity oder mittlere AFI auf der anderen Seite. Hört man am Besten beim Skaten.


I Heart Sharks – „Hey Kid 7inch“ (AdP Records/Alive) [Song-Stream]
Ein kleines Indie-Ohrwurmscheibchen mit zwei Songs drauf gibt’s von den Indie-Dance-Poppern I Heart Sharks zu hören. Nach dem vielseits gelobten Debutalbum Summer und mit dem eher glattpolierten zweiten Majorlabel-Album Anthems erscheint diese EP wieder bei AdP-Records. Back To The Roots sozusagen. Die zwei auf der 7inch enthaltenen Songs gehen soundtechnisch schon wieder in die Richtung der Songs auf Summer, jedenfalls klingen sie sehr frisch und bohren sich mit schön tanzbaren Beats tief in Deine Gehörgänge. Erinnert ein wenig an eine Mischung aus Enemy Of The Sun, Phoenix und den Klaxons. Dem Scheibchen liegt auch noch ein Downloadcode bei, mit dem man weitere zwei Songs bekommt, hier findet sich dann ein Remix vom Titelstück, der etwas mehr wumms hat, zudem ist mit Back Home ein weiterer starker Song vertreten. Schade, dass der nicht noch auf die 7inch gepackt wurde.


Masha Qrella – „Keys“ (Morr Music) [Stream]
Von meiner Vorliebe für Bands wie Contriva oder Mina – bei welchen Masha Qrella ebenfalls mitwirkte – hab ich schon öfters berichtet, nun ist also mit Keys ein neues Album draußen, das ich mir wohl auch demnächst noch auf Vinyl besorgen muss. Die elf Songs sind alle schön ruhig und melancholisch gehalten und eignen sich daher besonders, um nach einer wilden HC/Punk-Show ein wenig runterzukommen, während man fast taub durch die Nacht fährt. Der verträumte Sound wirkt aber auch sehr gut über Kopfhörer, um entspannt auf dem Sofa liegend den genialen Soundideen der Berliner Soundtüftlerin zu lauschen. Schön Lo-Fi und mit tollen Basslines versehen fließen auch immer wieder elektronische Klänge und Pianogeklimper in den Sound ein, dazu passt die sanfte Stimme von Masha Qrella natürlich hervorragend. Super Album, heraus stechen Ohrwürmer wie Pale Days oder Bogota, die ich hiermit als Anspieltipps empfehle.


Pity Sex – „White Hot Moon“ (Run For Cover Records/ADA) [Stream]
Feast of Love war so eine Platte, die mir direkt beim ersten Mal Hören gefallen hat und die seit Erscheinen immer wieder den Weg zu meinem Gehör fand. Bei White Hot Moon dauerte es ein paar Durchläufe, bis es zündete, obwohl das Grundgerüst der Songs ähnlich wie auf Feast Of Love gestrickt ist. Zwischen gefühlvoll gespielten und teils runtergestimmten grungigen Gitarren schieben sich melancholische Gesangsparts, das Wechselspiel zwischen der sanften Stimme von Sängerin Britty Drake und der tiefen Stimmlage von Sänger Sean St. Charles schafft hier einen hohen Wiedererkennungswert. Auch cool kommen die fuzzigen Power-Pop-Melodien, die locker aus dem Ärmel gespielt klingen. Die 12 Songs des Quartetts aus Michigan verstehen es nach wie vor, die besten Elemente aus Indierock, Shoegaze, Grunge und Gitarrenrock zu vereinen und drücken dem ganzen diesen lässigen Lo-Fi-Charakter auf, den man von Bands wie Sonic Youth, frühen Stars oder If They Ask, Tell Them We’re Dead her zu schätzen gelernt hat.


Resolutions – „Weightless“ (Fond Of Life Records) [Stream]
Dass der mit melancholischer Note versehene und schön melodische Punkrock auf zahlreiche offene Ohren stößt, das kann man bereits daran erkennen, dass das in Eigenregie produzierte Video zum Song Flat Landscapes über 1000 Views in einer Woche verbuchen konnte, was vermutlich auch daran liegt, dass die Band seit ihrer Gründung im Jahr 2013 fleißig durch die Gegend tourte und sich eine große Fangemeinde erspielte. Neben einer Demo 7inch und zwei weiteren 7inches folgt nun also das erste Album der Hannoveraner. Mit 11 Songs in 24 Minuten ist das eine ziemlich kurze und aber auch kurzweilige Sache, zudem kann man sich an den tollen Gitarrenmelodien und am melancholisch angehauchten Gesang kaum satt hören. Neben dem schmissig aus dem Ärmel geschüttelten Punkrocksound gefallen auch die durchdachten Texte mit persönlicher Note und tiefgründigem Unterton. Hier stimmt einfach das Gesamtbild, der Frühling kann kommen. Im Presseinfo werden als Vergleiche Bands wie Hüsker Dü, Iron Chick und Leatherface genannt, ich füge noch Samiam, The Gaslight Anthem, Down By Law und Against Me hinzu. Dooferweise hab ich ’nen Auftritt der Jungs bei uns um die Ecke verpasst, weil es mir am Tag nach diesem Event hier etwas blümerant zumute war. Shit.


Terrible Love – „Change Nothing“ (Through Love Rec./Big Scary Monsters) [Name Your Price Download]
Aus der Asche der Bands Goodtime Boys und Bastions And Grappler ist diese Londoner Band enstanden, die euch auf ihrer Debut-EP fünf spannungsgeladene sowie emotionale Songs vor den Latz knallt. Ein Feuerwerk, das knapp 16 Minuten dauert und euch auf eine spannende Reise mitnimmt, die neben Post-Hardcore und Screamo-Elementen auch melodische Gitarrenparts bieten kann und im Modern Hardcore verwurzelt ist. Es kommen aber auch noch Post-Punk-Verweise zum Zug und wenn die dichten Gitarrenwände zurückgefahren werden und es etwas midtempo-lastiger oder auch mal leiser wird, dann gibt es beim anschließenden energiegeladenen Ausbruch kein Halten mehr. Auch geil fahren die schmerzerfüllten herausgeschrienen Vocals rein, die bei den leiseren Parts fast schon Spoken Words-Charakter besitzen. Dazu passen auch die teils persönlichen aber auch gesellschaftskritischen Lyrics, die zwischen Schmerz und Frustration pendeln. Insgesamt also eine schön abwechslungsreiche EP, der man anmerkt, dass hier Leute mit einer Menge Spielfreude am Start sind. Hört doch mal rein, wenn ihr euch eine Mischung aus Bands wie Svalbard, Heart On My Sleeve und More Than Life vorstellen könnt. Saustarke EP!


 

Bandsalat: Anorak, Chiefland, The Guests, Planet Watson, Rope, Ubiquity, White Wine, Yndi Halda

Anorak – „Kalter Frieden EP“ (Uncle M) [Video]
Dieses Quintett aus Köln existiert wohl bereits seit 2010 und doch handelt es sich bei diesen zwei Songs um die Debut-EP der Jungs. Nun, manchmal dauert es halt ein wenig länger und im Falle der zwei Songs lässt sich sagen, dass diese sehr durchdacht arrangiert und ausgefeilt klingen. Irgendwo zwischen Post-Hardcore, Screamo, Emo und etwas Post-Rock ist eine Mischung entstanden, die zu begeistern weiß. Verspielte Gitarren-Parts mit schönen Basspassagen werden von atmosphärischen Stimmungen begleitet, bevor die Gitarren dann doch anziehen und fetter werden. Zudem beherrscht der Sänger diese resignierende Melancholie, die emotionsgeladen zwischen predigenden Spoken Words und Geschrei pendelt. Abgefahren auch die nach Nintendo-Spiel klingende Gitarre bei Cold Winter. Und auch textlich hat die Band was zu sagen, Cold Winter z.B. setzt sich mit den tagespolitischen und gesellschaftlichen Themen der Flüchtlingsdebatte auseinander. Fans von Pianos Become The Teeth und La Dispute sollten mal ein Ohr riskieren.


Chiefland – „To Part Means To Die A Little“ (DIY) [Name Your Price Download]
Für die selbstreleaste Debut-EP  haben sich die Jungs aus Göttingen was einfallen lassen, weshalb das Ding letztendlich auch schön anzusehen ist, obwohl es „nur“ eine CD ist. Als Hülle dient ein Hochglanz-Pappschuber, der mit Blumenmustern verziert ist, die man eher von Ikea-Tapeten oder Oma-Bettwäsche her kennt. Mir gefällt sowas ja. Die CD selbst kommt in Vinyloptik, zudem liegt ein äußerst hübsch gestaltetes und Ziehharmonika-mäßig gefaltetes Textblatt bei. Da liest man gerne drin, während man den vier Songs lauscht. Bei Melodic Hardcore geht es mir in letzter Zeit immer häufiger so, dass ich manche Bands aus dem Genre schwer unterscheiden kann, weil sie fast identisch klingen. Bei Chiefland kommen jedoch Elemente vor, die sich etwas aus der Masse abheben. Z.B sind da die Vocals, die an manchen Stellen etwas derber und nicht so extrem leidend klingen, manchmal wird auch nur gesprochen. Zum anderen fahren die vier Jungs öfters mal zurück und lockern dieses Melodic Hardcore-Ding mit  fast schon postrockigen und sehr melancholischen Parts auf. V.a. die Bass/Gitarrenfraktion hat den ein oder anderen Trumpf im Ärmel, hört euch z.B. mal den Anfang von Wolfmouth  an, das klingt doch verdammt cool. Die satte Produktion ist natürlich ebenfalls von Vorteil, aber unterm Strich gefällt mir das, was Chiefland da machen v.a. wegen den melodischen Parts.


The Guests – „Red Scare ’15 Tape“ (Sabotage Records) [Stream]
Wenn man das Tape von außen erst mal dreht und wendet, dann fällt auf, dass alles ziemlich minimalistisch gehalten ist. Die schwarze Hülle wird auf der Frontseite von ’nem kitschigen, aber dennoch hübschen Blumen/Apfelblüten-Motiv geschmückt, Bandname und EP-Titel stehen auf dem Tape-Rücken, die vier Songtitel sind auf dem Falz aufgeschrieben. Nun, innen sind keine Texte vorhanden, jedoch findet man einen DL-Code, von dem ich leider Gebrauch machen muss, da meine Kinder den Tonkopf meines Tapedecks geschrottet haben, indem sie mit ’nem harten Gegenstand dran rumgekratzt haben. Um die Qualität des Tapes anzuchecken, hab ich dem Ding heimlich und außer Sichtweite der Kinder wenigstens einen Durchlauf auf meinem hundert Jahre alten Walkman gegönnt. Erstaunlich, das Gerät hat seinerzeit einiges aushalten müssen, und doch spielt es Musik zuverlässiger ab, als die Playback-Maschine von Justin Biber. Aus diesem Grund muss ich das Ding so lang wie möglich vor meinen Kindern versteckt halten. Jedenfalls laufen mir die vier Songs extrem gut rein. Das, was die Band aus Philadelphia da macht, kann man grob in die Wave-Ecke stecken, dabei ist auch ein gewisser Post-Punk-Drive nicht von der Hand zu weisen. Mir gefällt v.a. der wavige Bass im Zusammenspiel mit den The Cure-angehauchten Gitarren. An manchen Stellen nervt das Keyboard und das etwas monoton gespielte Schlagzeug, aber das machen die melancholisch gespielten Gitarren und die oftmals an den Strokes-Sänger erinnernden Vocals  wieder wett. Zudem ist das alles schön melodisch und eingängig.


Planet Watson – „Do What You Want“ (DIY) [Stream]
Schon das Cover dieses selbstreleasten zweiten Albums der Stuttgarter/Ludwigsburger Skatepunks spricht Bände und zeigt ungefähr die Richtung an, in die es musikalisch geht. Drückt man die Playtaste, brettert der melodische Sound sofort zappelig in die Ohren, dabei keift sich ’ne überschlagende Rumpelstilzchen-Stimme in Ekstase. Und wie man im Verlauf des Albums erfährt, kommen zu dieser Stimme noch etliche anderen Stimmen dazu, denn die Jungs lassen sich wohl gerne von Sängern befreundeter Bands unterstützen, was eindrucksvoll zeigt, dass die Szene doch einen gewissen Zusammenhalt hat. Geil, das Zeug von Planet Watson klingt schön 90er-lastig, da schweben flauschige Wölkchen namens Satanic Surfers, Intensity, Passage 4, Crivits, Good Riddance, schnellere Shades Apart oder aber auch melodischere Heckle vor’m mit grauem Star getrübten Auge rum. Aber auch Bands wie Death By Stereo, H2O, As Friends Rust und Strike Anywhere scheinen große Einflüsse zu sein. Hey, 13 Songs, davon nur ein einziger, der kurz über zwei Minuten kommt, alle anderen liegen darunter. Und auch wenn man aus dem Presseinfo nicht allzuviel herauslesen kann, weil dieses hauptsächlich aus einer Liste mit bekannteren Bands besteht, mit welchen die Jungs schon gespielt haben, dann wird hierdurch deutlich, dass die Jungs von Planet Watson live sicher die Sau rauslassen.  Und übrigens, Planet Watson dürften nicht nur Leuten gefallen, die den Unterschied zwischen Waterboarding und Skateboarding kennen. Also ihr Punx, checkt das mal an…


Rope – „Manteision Bodolaeth“ (Truthseeker Music/Alive) [Stream]
Betrachtet man das Albumcover der Band aus South Wales, dann denkt man eher an eine Ibiza-Disco-Hits Best Of. Weit gefehlt, denn befördert man das Ding in den CD-Schacht, dann wird man gleich mit einem Filmsample aus einem der ersten und bedeutendsten deutschen Tonfilmproduktionen konfrontiert. Geniales Filmzitat eigentlich: Was weißt denn du? Was redest denn du? Wer bist du denn überhaupt? Wer seid ihr denn, alle miteinander? Verbrecher!  Ganz genau. Und es geht auch noch weiter. Wenn eine englische Band so nerdige Filmzitate verwendet, dann schlägt der Sound sicher in eine ähnliche Richtung. Spätestens nach den ersten Klängen wird klar, dass Rope nicht nur im Filmgeschmack Experten sind. Die sechs Songs kommen schön vertrackt und verschwurbelt daher, da kommen Bands wie Shellac oder Lungfish in den Sinn, welche sogar im Bandinfo erwähnt werden. Im Info werden zudem noch Basement und die Self Defense Family genannt, das spiegelt sich aber eher im dreckigen Gitarrensound wieder, göttliche Basement-Melodien sind eher Fehlanzeige. Obwohl, Earth Brian Lung  hat so einen gewissen Basement-Drive, aber wo man mit Basement-Songs auf Anhieb warm wird, braucht es bei Rope schon ein paar Durchläufe, bevor man die Songs im Ohr hat.


Ubiquity – „Quiet in Hopelessness“ (Dingleberry Records u.a.) [Stream]
Beim italienischen Spoken Word-Intro wünscht man sich direkt, ein paar Fetzen davon zu verstehen, die kryptische Übersetzung per google translate bringt dann doch ein wenig Licht ins Dunkel. Zwischen Wut, Verzweiflung und Resignation pendeln sich auch die nachfolgenden sechs Stücke ein, das ganze wird mit einem chaotischen und emotionalen Mix aus Screamo, Emotive Hardcore, Emoviolence, Post-Hardcore und etwas Neo-Crust untermalt. Der Albumtitel könnte die Musik der Jungs nicht treffender beschreiben. Die unterschwelligen Melodien, das verzweifelte Geschrei, dann wird der Sound wieder etwas zurückgefahren. Läuft gut rein. Die Band aus Sardinien erinnert mich ein wenig an eine Mischung aus Øjne, Funeral Diner, Raein und Danse Macabre.


White Wine Cover 2500White Wine – „Who Cares What The Laser Says“ (This Charming Man) [Song-Stream]
Das Cover der Digipack-CD bestätigt meine Vermutung über den Sound der international zusammengwürfelten Band. Das Trio, das sich aus Joe Haege (31 Knots/Tu Fawning/Menomena), Fritz Brückner und Christian Kühr (Zentralheizung Of Death) zusammen setzt, klingt sehr, „sehr“ experimentell. Da wird Industrial mit Indie gemixt, zudem kommen 31Knots-mäßige Ideen zum Einsatz, die ja auch nicht jedermanns Sache sind. Auch wenn oftmals melodische Momente zum entspannen einladen, verwirren im folgenden Verlauf die experimentellen Einsprengsel so einiges.


Yndi Halda – „Under Summer“ (Big Scary Monsters/Alive) [Song-Stream]
Da ich Yndi Halda bisher noch nicht kannte, kam mir der Pressewisch diesmal sehr gelegen, denn diesem entnahm ich, dass es sich bei Under Summer um das mittlerweile zweite Studioalbum der Briten handelt und zwischen dem Debutalbum Enjoy Eternal Bliss und Under Summer auch schon wieder acht Jahre liegen. Vermutlich bin ich nie auf die Band aufmerksam geworden, da ich mich nicht so sehr für instrumentalen Post-Rock interessiere. Nun, zumindest wird auf diesen vier Songs gesungen, so dass die insgesamt 58 Minuten für mich eher erträglich sind. Von der Dichte des Sounds fasziniert, verzücken immer wieder toll gespielte Gitarren und ein Schlagzeuger, der auch mal die Becken ordentlich crashen lässt, da stören auch die häufig eingesetzten Streicher nicht. Wenn ihr auf Mogwai, Explosions In The Sky und GY!BE könnt, dann solltet ihr hier mal in einer ruhigen Minute reinhören.