Bandsalat: Caleya, Crumb, Dispassionate, Floating Woods, Flexing, Lagwagon, Mr. Linus, Norse, R.Josef

Caleya – „Lethe“ (Black Omega Recordings) [Stream]
Die Hamburger Post-Hardcore-Band Caleya hat jetzt auch schon wieder zehn Jahre auf dem Buckel. In dieser Zeit wurden natürlich zahlreiche Konzerte runtergezockt, auf einen schönen Backkatalog lässt sich mit einer Split-Veröffentlichung und drei Alben auch zurückblicken. Sechs Jahre sind seit dem letzten Album vergangen, so dass es endlich Zeit für Album Nummer vier wird. Lethe heißt das gute Stück, in Anlehnung an einen der angestaubten Flüsse aus der Unterwelt der griechischen Mythologie. Im alten Griechenland glaubte man, wer vom abgestandenen Wasser der Lethe trinken würde, würde seine kompletten Erinnerungen verlieren. Nun gut, was ihr auf Lethe zu hören bekommt, wird euch freudig jauchzen lassen, falls ihr auf gut durchdachten Post-Hardcore mit ausgeklügelten Songarrangements steht. Knapp 25 Minuten dauert die Reise durch die krassen Soundlandschaften der Hamburger. Fette Gitarrenwände türmen sich auf zu einer walzenden Planierraupe, leidendes Geschrei mit jeder Menge Herzblut lässt den ein oder anderen Schauer über’n Rücken jagen, es ist eine wahre Freude. Und dann schleichen sich immer wieder diese ruhigen, fast melancholischen Momente in den brachialen Sound ein und sorgen damit für Spannungsaufbau, so dass das nachfolgende Gewitter noch heftiger erscheint. Wehmütige Spoken Words, bei denen man erstmals merkt, dass überhaupt in deutscher Sprache gesungen wird, wechseln sich mit leidendem Schreigesang ab. Wenn man sich dazu die klischeefreien deutschen Lyrics mit Köpfchen und Poesie zu Gemüte führt, hat man obendrein noch was zum Sinnieren. Sehr geiles Album! Wenn ihr Zeugs wie frühe Envy, New Day Rising, We Never Learned To Live oder Oathbreaker mögt, dann seid ihr hier genau richtig! Schade, warum gibt’s das nicht auf Vinyl?


Crumb – „Jinx“ (DIY) [Stream]
Auf die New Yorker Band Crumb wurde ich in einer der anschauenswerten Umbaupausen der Band Leoniden aufmerksam. Die Leoniden haben immer so geile Umbaupausenmusik am Start, das muss aber auch mal gesagt werden! Dank einer Audioerkennungssoftware auf dem Smartphone meiner Liebsten kam ich also über den Song Vinta auf Crumb und dann über Bandcamp an die beiden EP’s der Band ran. Gleich voll hängen geblieben! Kann ich mal wirklich nur dick empfehlen! Und jetzt endlich der erste Longplayer! Crumb schlängeln sich wie auch schon auf den EP’s soundtechnisch durch chillige Beats und shoegazige Traumlandschaften, dennoch gibt es immer wieder diese fast noisigen Ausbrüche und diese mit reichlich Symbolik versehenen Lyrics. Nicht von dieser Welt, oder? Hört euch das mal an, zehn Songs voller Schönheit!


Dispassionate & Floating Woods – „Split“ (DIY) [Name Your Price Download]
Zwei junge Screamo-Bands teilen sich hier ein digitales Release, das später wohl auch noch als Tape erscheinen soll und man sich bis dahin zum Name Your Price-Download schon mal auf die Festplatte zippen kann. Nun, Dispassionate kommen aus Trier und machen schön nach vorne gehenden Screamo mit hektischem Getrommel und geilen schrammeligen Gitarren. Da passt natürlich heiseres und leidendes Geschrei wie die Faust auf’s Auge. Zwischendrin wird es immer wieder mal unterschwellig melodisch, so dass es schön abwechslungsreich bleibt. Zwei englischsprachige und ein Song mit deutschen Lyrics gibt’s von den vier Jungs auf die Ohren. Fetzt ganz ordentlich, gerade auch wegen der scheppernden und rauen Produktion. Das Screamo-Duo Floating Woods kommt aus Münster und wenn man sich den zerfahrenen Sound der beiden so anhört, denkt man, man hätte eine dieser zahlreichen neuen Bands auf Zegema Beach Records auf den Ohren. Und plötzlich merkt man, dass bei zwei der drei Songs in deutscher Sprache gekeift wird. Also, zippt euch das Ding schnell mal, wenn ihr auf chaotischen Screamo abfahrt, hier habt ihr zwei neue Bands, die den Ami-Skramz-Kollegen in nichts nachstehen!


Flexing – „Modern Discipline“ (Secret Pennies / Phat ’n‘ Phunky) [Stream]
Neulich beim Bandcampsurfen entdeckt und sofort hängen geblieben, gerade auch wegen dem tollen und ansprechenden Artwork: Flexing ist eine neue Band aus Corvallis, Oregon, die musikalisch im Hardcore/Punk zuhause ist, Einflüsse von Oldschool-Emo und Post-Punk sind ebenfalls vorhanden. Was ganz erfreulich ist, sind die Texte, die sich hauptsächlich mit politischen Themen beschäftigen, so wie sich das für HC/Punk eigentlich ja auch gehört. Faszinierend ist der rohe und knarzige Sound und das wütende Geschrei der Sängerin. Irgendwie hat das was von dem Zeug früher Dischord-Veröffentlichungen. Knarzender Bass, disharmonisches Gitarrengeschrammel, treibende Drums und vertrackte Passagen machen die neun Songs zu einem abwechslungsreichen Hörerlebnis. Checkt das mal an! Anspieltipp: A Display Of Force.


Lagwagon – „Railer“ (Fat Wreck Chords) [Stream]
Irgendwie hat es den Anschein, dass zur Zeit alle erfolgreichen Bands des 90er-Melodycore-Skatepunk-Booms daran arbeiten, eine Art Skatepunk-Revival auf die Beine zu stellen. Neben Good Riddance, Satanic Surfers, Pennywise und Konsorten haben nun auch Lagwagon ihre Instrumente abgestaubt, um das neunte Studioalbum aufzunehmen. Okay, ich muss zugeben, dass mir Lagwagon in den Neunzigern nie so richtig was bedeuteten, aber es gibt einige Leute im Freundeskreis, die die Kalifornier fast schon vergötterten und sich für neue Songs ’ne Hand abgehackt hätten. Und gerade die werden sich jetzt die Finger lecken, denn Railer hat alles, was das treudoofe Lagwagon-Herz begehrt. Das fängt eigentlich schon beim witzigen Cover und Backcover an, geht mit den zynisch-sarkastischen Texten weiter, dazu legen Lagwagon bis zum letzten der zwölf Songs eine Energie an den Tag, wie sie man sich für manch aufstrebende junge Band nur wünschen könnte. Die Gitarren zwirbeln Melodien am laufenden Band, dazu kommt dieser schön gegenknödelnde Bass, treibende Drums und natürlich Joey Capes unverwechselbarer Gesang. Die Band hat es jedenfalls nicht versäumt, Songs zu schreiben, die sofort im Ohr kleben bleiben und dazu noch eine melancholische Note besitzen. Hört z.B. mal The Suffering an, da wird das mehr als deutlich. Wenn ihr euch also das Album schön auf Tape überspielt habt und das Ding in euren alten Walkman klatscht, dann gebt fein acht, dass ihr euch im Skatepark nicht überschätzt und eure alten Knochen brecht. Ihr seid nicht mehr so jung, wie sich das anfühlen mag!


Mr. Linus – „Revue“ (DIY) [Stream]
Die zwei Damen der Band Mr. Linus kommen aus der Schweiz und irgendwie ärgere ich mich gerade, dass ich neulich nicht den Weg nach Ulm ins Hemperium geschafft hab. Verdammt! Also erstmal nur auf digitaler Konserve, hoffentlich auch bald auf Vinyl in irgendeiner Distrokiste. Denn die zwei Mädels haben’s richtig geil drauf und machen so ’ne Art neunzigerlastigen Emo-Math-Core mit wunderbar melancholischen Gitarren, gegenspielendem und eigenwilligem Bass und gnadenlos übersteuerten Drums. Dazu kommen tiefgehende deutsche Texte. Boah, das berührt mich so sehr, ich kann’s gar nicht in Worte fassen. Stellt euch vor, Monochrome und Dawnbreed würden mit Blue Water Boy und Karate Karussell fahren! Anspieltipps: lasst einfach die ganze EP mit ihren vier Songs durchlaufen! Ich brauche mehr davon!


Norse – „Selftitled“ (DIY) [Name Your Price Download]
Dieses relativ neue Trio aus dem Piemont macht auf seinen Debutaufnahmen eine ziemlich düstere und sphärische Mischung aus Screamo, Post-Hardcore und Post-Rock mit Einflüssen aus Noise und Punk. Norse stammen genauer gesagt aus Biella, einem malerischen Städtchen im Piemont am Fuß der Alpen. Mich wundert es ja immer wieder, wie man in einer so schönen Urlaubsregion so ultramies draufkommen kann. Die italienischen Lyrics stehen nämlich dem düsteren Sound des Trios in nichts nach, dementsprechend verbittert klingen die verzweifelten Todes-Schreie des Sängers. Dank einer Internetübersetzung würde ich mal sagen, dass die Texte obendrein reichlich Poesie mit im Gepäck haben. Erfreut euch an fünf dichten Stücken, die euch mit ihrem wuchtigen Sound und dem knarzenden Bass mit ins unendliche Verderben reißen. Die Stücke haben mit ihren über vierminütigen Spielzeiten aber auch reichlich Zeit, sich zum Monster zu entfalten. Als Einstieg in die düstere Welt Norses empfehle ich mal das vielschichtige Baratto, danach zippt ihr euch das Ding sowieso gleich auf die Festplatte!


R.Josef – „Panoptic“ (Bharal Tapes) [Stream]
Aus der Asche der Leipziger Band Oaken Heart ist die neue Formation R.Josef (Ranz Josef, wie geil!) entstanden. Mit Panoptic schleudern die Jungs ihre erste EP raus, und die kann sich absolut hören lassen. Die vier Songs sind schlicht mit römischen Zahlen betitelt, diese Kargheit ist im Sound der Band jedoch nicht zu finden. Denn in den nächsten 23 Minuten passiert so manches, das einen mit offen stehendem Mund dastehen lässt. Nach einem schönen Rückkopplungs-Intro mit darauffolgendem groovigen Übergang scheppert es treibend voran und man hat kaum eine Vorahnung, was in diesen ersten sieben Minuten noch alles passieren wird. Plötzlich wird es melodisch, dann wachsen meterhohe Soundwände mit dichter Atmosphäre, zudem schleichen sich Blackmetal-mäßige Parts mit ein! Was für eine Macht! Und es geht so weiter! Im achtminütigen Song Nr. II wird es noch düsterer und doomiger, auch die nachfolgenden zwei fast schon kurzen Songs bauen sich Schicht für Schicht auf, schleppen sich voran, bis alles wieder richtig geil zerbröselt. Hammermäßiges Debut, das unwahrscheinlich viel Appetit auf mehr macht! Für Fans von ISIS, AmenRa oder Hope Drone ein wahres Fest!